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Rezension zu
Frau Merian und die Wunder der Welt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein besonderer Blick auf die Welt

Von: Schneeweißchen und Rosenrot
26.06.2021

Maria braucht Geld. Maria will nach Surinam. Maria will exotische Schmetterlinge, Insekten und Pflanzen erforschen und zeichnen. Die Naturforscherin und Malerin Maria Sibylla Merian macht sich auf nach Amsterdam, in der Hoffnung, dort durch Zeichenunterricht oder einen Sponsor – wie zum Beispiel den Zaren Peter, der zu dieser Zeit in Europa auf Bildungsreise weilt, zu finden, das Geld zu verdienen, das sie für diese weite und nicht ungefährliche Reise über den großen Ozean benötigt. Dabei scheint sie weniger daran zu scheitern, dass sie eine Frau ist, die allesamt in diesem Roman gar nicht so unemanzipiert wirken, wie z. B. Emma, die sich aus Deutschland aufgemacht hat, um die Mätresse des Zaren zu werden, oder später auch Aderi, die Indigene aus Surinam, die Maria mit nach Europa brachte, damit sie ihr mit ihrem Wissen bei der Fertigstellung eines Buches über die Pflanzen- und Insektenwelt Surinams helfen konnte. Vielmehr ist es eine Frage von Arm und Reich. Dabei zeichnet die Autorin – oder Maria? - ein Bild der holländischen Gesellschaft mit der herrlichen, leicht bissigen Ironie, wie der Leser, die Leserin sie aus Jane-Austen-Romanen kennt. Ernster wird die Kritik, wenn die Ausbeutung der Sklaven in den Kolonien dargestellt wird. Hier greift die Autorin auch schon einmal zu drastischeren Bildern, wie z. B. dem Baum, in dem man entflohene Sklaven aufknüpfte. Wer aber denkt, die Welt in Surinam sei so viel bunter, schillernder und exotischer als die in Amsterdam, der wird eines besseren belehrt. Der Erfolg der Merian mag auch darin begründet sein, dass ihre Begeisterung für das Exotische Ende des 17. Jahrhunderts in Europa auf fruchtbaren Boden viel. So erkunden wir mit ihr in Amsterdam die sogenannten Wunderkammern, in denen Privatpersonen Exponate ausstellten, die sie von Handelsreisenden aus den Kolonien erwarben. Insgesamt macht der Roman zwei Welten – Amsterdam und Surinam – mit allen Sinnen erfahrbar. Sehr anschaulich, aber nicht zu breit schildert er die optischen, akustischen und haptischen Eindrücke: die gedeckten Farben der niederländischen Landschaft, das buntschillernde Surinam, das laute Amsterdam und den tönenden Dschungel, die eher nass-kalte Stadt, nach der Maria sich bisweilen in dem schwül-warmen Urwald Surinams sehnt. Der Roman zeichnet das Bild einer ungewöhnlichen Frau, mutig, unkonventionell – sie gibt sich als Witwe aus, wobei sie ihren Mann „nur“ verlassen hat -, rührig und bereit zu großen Entbehrungen, wenn es darum geht, ihren Traum zu verwirklichen. Eine ungewöhnliche Frau mit einem ungewöhnlichen Blick auf die Welt: „Es ist ein besonderer Blick auf die Welt. Du hast einen freien Geist.“ wird Jan einmal zu ihr sagen und trifft damit genau das Wesen Marias. Durch sie sehen wir die Welt mit anderen Augen, wir sehen das Detail und wir sehen die Schönheit im vermeintlich Hässlichen wie Würmern, Maden, Kröten und Motten, die allesamt Hauptgegenstand von Marias Kunst sind. Mit der Figur des Jan de Jong tritt zu den Elementen des Abenteuerromans mit einer weiblichen Heldin das Element des Liebesromans. Er taucht genauso unvermutet in Marias Leben auf, wie er daraus immer wieder verschwindet. Er ist genauso ein Freigeist und Abenteurer wie Maria, weshalb die beiden sich wunderbar ergänzen. Dabei bleibt seine Existenz lange Zeit ein Rätsel: Wer ist er wirklich? Womit verdient er seinen Unterhalt? Wo steckt er in den langen Zeiten seiner Abwesenheit? Schwebt er in Gefahr? Ist er ein Betrüger? Meint er es ernst mit Maria? Damit ergänzt diese Beziehung sowohl den abenteuerlichen Erzählstrang sowie die sinnliche Ebene des Romans, denn die zarte Liebesgeschichte ist genauso unkonventionell wie sinnlich. Eine vielschichtige, unterhaltsame, spannende und absolut lesenswerte Geschichte, die uns mit den Mitteln der Fiktion die historische Figur der Maria Sybilla Merian nahe bringt!

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