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Rezension zu
Krötensex

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Zu viel?" Mehr Davon!

Von: Lesefruechte
01.04.2021

„Krötensex“ von Franka Frei ist ein Roman über das Jungsein und alles, was dazugehört. Das mag jetzt sehr unspezifisch klingen, aber die Autorin spricht in diesem Buch unglaublich viele wichtige Themen aus allen Ecken des Lebens an. Feminismus, Umweltschutz, Rechtsextremismus in Ostdeutschland, Aktivismus, Sexualität, Bodyshaming, Leistungsdruck und vieles mehr. Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern. Dabei sind diese Themen eingebettet in die sehr persönlichen Erfahrungen der Hauptprotagonistin Frieda und zeigen, wie sie jeden einzelnen betreffen und beschäftigen können. Sie wirken weder konstruiert noch im Kontext von Friedas Leben an den Haaren herbeigezogen. Doch worum geht es überhaupt? Aufgrund ihres Studiums muss die zwanzigjährige Frieda ein Semester in dem mittelsächsischen Städtchen Amerika verbringen. Die ostdeutsche Provinz entspricht jedoch so gar nicht den Vorstellung, die Frieda von ihrem Leben hat, das dem Leben ihrer Schwester Freia ähnelt, die sich als Aktivistin und Influencerin in vielen Projekten engagiert, die Welt besser macht und scheinbar ein perfektes Leben führt. Dazu kommt noch, dass Frieda neben einem Semester auf dem Land, auf das sie gar keine Lust hat, noch irgendwie einen Praktikumsplatz finden muss. Außerdem hadert sie mit sich selber und den Erwartungen, die die Gesellschaft an den weiblichen Körper und das Verhalten von Frauen hat. Doch dann ist das Semester endlich vorbei und Frieda zurück in Berlin. Frieda ist jung und lebt ihr Partyleben in vollen Zügen. Jedoch steht sie immer im Schatten ihrer Schwester. Sie ist sich unsicher über ihre eigenen Grenzen und über sich selbst, weiß nicht, wer sie ist und wohin sie will. Immer fühlt sie sich „zu viel". Im Verlauf des Romans macht sie jedoch eine starke Entwicklung durch und kommt sich selber und ihren Wünschen immer näher. Der Schreibstil der Autorin ist sehr leicht, umgangssprachlich. Die Dialoge sind geprägt von Dialekten aus allen Landschaften Deutschland. Zum ersten Mal lese ich einen Roman, in dem gegendert wird. Diese spannende Neuerung tut dem Lesefluss dabei überhaupt keinen Abbruch. Der Autorin ist es auf beeindruckende Art gelungen, aktuelle Themen mit individuellen Erfahrungen und Problemen zu verknüpfen und das Ganze mit einem fantastischen Humor zu vermitteln. Alle Charaktere waren, auch aufgrund der Vielfalt der Dialekte, sehr authentisch und nah an dem*der Leser*in. Ich konnte mit den ersten 150 Seiten, also der Zeit, die Frieda in Amerika verbringt, wenig anfangen. Weder der Handlung, die nur aus Partys besteht, noch der Figur der Frieda, deren Lebensstil nicht gerade dem Meinen entspricht, konnte ich etwas abgewinnen. Glücklicherweise verlieren sich diese Anfangsschwierigkeiten jedoch im Verlauf der Geschichte. Ich konnte Frieda wirklich in mein Herz schließen und mich fast mit ihr identifizieren. Durch diesen ersten Teil muss sich die*der Leser*in allerdings erst hindurcharbeiten, um auf das „Kerngeschehen“ zu stoßen. Als sehr störend empfand ich auch die sehr klischeehafte und vorurteilsbehaftete Darstellung von Sachsen als „Naziloch“. So wenig die Probleme mit Rechtsextremismus und Neonazimus ignoriert werden dürfen, so viele Menschen leben hierzulande, die sich gegen „Rechts“ tatkräftig engagieren. Das gilt auch für eine kleine Hochschulstadt, die sehr an Mittweida oder Zittau/Görlitz erinnert. Auch wenn die Handlung nicht übertrieben spannend ist, so ist es der Autorin im weiteren Verlauf des Buches dennoch gelungen, mich immer wieder zu überraschen und mitzureißen, hinein in die Welt einer jungen Studierenden, die versucht, sich zwischen Studium, Partys, Praktika und Erfahrungen mit Männern selbst zu finden. Friedas Verhalten passt immer zu ihrem Charakter und wirkt nie überzogen oder unrealistisch. „Krötensex“ ist ein wunderbarer, humorvoller Roman, in dem akute Fragen und Probleme im Leben einer jungen Frau sowie gesellschaftlich wichtige und aktuelle Themen kritisch aufgegriffen werden, ohne dabei belehrend rüberzukommen oder anstrengend zu wirken. Auch wenn Frieda sich oft als „zu viel“ wahrnimmt, will ich nur eins: mehr davon.

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