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Rezension zu
Untertauchen

Grandios erzählte moderne griechische Tragödie

Von: Kate Rapp
29.09.2020

„Untertauchen“ von Daisy Johnson So ein wunderschöner, fantastisch erzählter, spannender Roman! Toll formuliert, fantasievoll und komplex konstruiert, was dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch tut. In drei zeitversetzten Erzählsträngen lernen wir Gretel kennen, die als Sechzehnjährige von ihrer Mutter Sarah verlassen wurde und seit sechzehn Jahren mehr oder weniger auf der Suche nach ihr ist. Als sie sie findet, bringt sie sie in ihr Cottage. Der erste, im Präsens gehaltene Erzählstrang bezieht sich auf diese letzten Tagen des Zusammenlebens, der täglich wechselnden Ansprechbarkeit der Mutter, der bei fortschreitender Alzheimererkrankung zunehmend die Worte abhanden kommen. Gretel hofft trotzdem, in ihren lichten Momenten Aufklärung darüber zu erhalten, was damals geschah, warum ihre Mutter ging, da sie selbst keine Erinnerung mehr daran hat. Die Kapitel springen zurück in die Zeit von Gretels Suche, hier „Jagd“ genannt, was sich, wie wir später lernen, nicht auf die Mutter, sondern auf etwas ganz anderes bezieht. Dabei trifft sie auf die unterschiedlichen Protagonisten eines Dramas, das sich nun nach und nach vor unseren Augen abzuspielen beginnt. Immer wieder poppen, wie bunte Bojen, auch Erinnerungen an ihre Kindheit auf, die Gretel sehr symbiotisch mit ihrer Mutter auf einem Hausboot verlebt hat. Sarah und sie entwickelten sogar eine eigene Sprache, benutzten lautmalerisch, spielerisch selbst kreierte Wörter, was Gretels lebenslange Beschäftigung mit Worten begründet. Der dritte Erzählstrang begleitet den jugendlichen Ausreißer Marcus, der einmal Margot war, bis er am Fluss auf Gretel und ihre Mutter trifft, und später verschwindet. In dieser modernen Variante einer griechischen Tragödie werden sprachmächtig und originell zahlreiche Themen zu einem bunt schillernden Gewebe verknüpft. Es geht nicht nur um die besondere Mutter/Tochterbeziehung, sondern auch um die verbindende und trennende Kraft der Sprache und was ihr Verlust bedeutet. Furcht schwappt wie das Flusswasser in alle Lebensbereiche hinein, Urängste und Depressionen manifestieren sich als Angst vor dem Tod, vor dem Kanaldieb, dem Wasserdrachen, dem „Bonak“. Da die alten Griechen in ihrer Mythologie immer wieder Cross-Dressing und Gender-switch bemühten, hat hier unter anderem auch die wunderbare Figur der Trans-Frau Fiona ihren Auftritt. Sie besitzt, wie der alte Teiresias, das zweite Gesicht und löst das ganze Drama überhaupt erst aus, weil sie leider ihren Mund nicht halten kann. Der Roman hat mich von der ersten Seite an begeistert, sodass ich ihn kaum aus der Hand legen konnte. Diese erzählerische Intensität und ein Rhythmus, zum niederknien! Dass Daisy Johnson damit als bisher jüngste Autorin auf die Shortlist des Man Booker Prize kam, ist äußerst verdient und hat mich kein bisschen überrascht.

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