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Rezension zu
Staub zu Staub

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Staub zu Staub" von Siem Coburg

Von: Fraggle
08.07.2020

Fazit: Schon während der Lektüre von „Staub zu Staub“ hatte ich die Vermutung, dass es schwierig werden könnte, darüber zu schreiben. Denn entweder, man fasst die Eindrücke zu diesem Krimi vergleichsweise kurz zusammen, oder aber man läuft Gefahr, zu ausschweifend zu werden und damit zu viel zu verraten. Wer schon mal bei mir gelesen hat, weiß dass es nicht gerade zu meinen Stärken gehört, mich kurz zu fassen, ausplaudern möchte ich aber auch nichts. Hach, das Leben eine Rezensenten ist manchmal hart … Beginnen wir vielleicht einfach mal mit dem, was bei der Lektüre als Erstes ins Auge fiel, also Aufbau und Stil. Zu Beginn entsteht der Eindruck, „Staub zu Staub“ würde strikt chronologisch und aus der Sicht des Protagonisten Siem Coburg erzählt. Im weiteren Verlauf wechselt der Autor jedoch die Erzählperspektive und lässt einige Kapitel aus der Sicht des Bruders Anselmus erzählen, der in dem katholischen Heim, in dem Bauer Tammens Sohn starb für die Pflege der dort aufgenommenen Kinder zuständig ist. In der Folge wechselt der personale Erzähler regelmäßig zwischen Siem und Anselmus, auch einige Rückblicke in die Vergangenheit des ehemaligen Widerstandskämpfers Siem Coburg dürfen nicht fehlen. Dass mir der Stil selbst so gut gefallen hat, mag daran liegen, dass ich vorher „Dunkel“ von Ragnar Jónasson gelesen habe, das mich in diesem Bereich etwas enttäuscht hat, weswegen „Staub zu Staub“ stilistisch geradezu wohltuend auf mich wirkte. Weber erzählt mal schnörkellos, mal bildhafter, aber immer stimmungsreich. Als einziger Kritikpunkt kann angemerkt werden, dass der Autor manchmal nicht deutlich genug macht, in welcher Zeitlinie wir uns denn nun befinden und man manchmal erst im Laufe eines Kapitels merkt, dass man sich in der Vergangenheit befindet, weil plötzlich Menschen auftauchen, die in der Gegenwart nicht mehr auftauchen können. Dennoch ergibt all das in Summe eine durchaus gelungene äußere Form des Krimis. Nun kommt es ja aber, wie wir alle wissen, auch auf die inneren Werte an. Und da gibt es dann doch etwas zu kritisieren, in erster Linie hinsichtlich der Figuren. Und da wiederum ganz besonders, was den Protagonisten Siem Coburg höchstpersönlich angeht. Während die Nebenfiguren, beispielhaft seien hier mal der weiter oben erwähnte Bruder Anselmus sowie Bruder Felix genannt, alle überzeugend gezeichnet sind, habe ich mit der Hauptfigur so meine Probleme. Im Zweiten Weltkrieg war Siem Coburg Widerstandskämpfer in den Niederlanden. Und zwar nicht aus idealistischen oder ideologischen Gründen, sondern schlicht weil er der Meinung war, die Deutschen hätten in den Niederlanden nichts zu suchen. Nun, hatten sie ja auch nicht. Während dieser Zeit hat Coburg schlimme Dinge erlebt, Menschen gejagt, Menschen getötet, ist selbst gejagt worden und mehrmals nur mit Mühe und Not mit dem Leben davongekommen. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs hat er sich desillusioniert von der Welt zurückgezogen und scheint sich selbst genug zu sein. Gibt sich der Autor auch Mühe, die gesamte Persönlichkeit seines Protagonisten mit dieser Hintergrundgeschichte zu erklären, so geht mir Coburg dennoch deutlich auf die Nerven. Er scheint sich eine Art emotionalen Panzer angelegt zu haben, jegliche Gefühlsregungen die über bloßes Dasein hinausgehen, sucht man bei ihm über die gesamte Länge des Buches eigentlich vergeblich, mit Ausnahmen der Rückblenden natürlich, in denen er noch ein deutlich anderer Mensch war als heute. Mit seinem harten Auftreten vermittelt er dabei eine an „Django zahlt heut´ nicht, Django hat ´ne Monatskarte“ erinnernde „Es-ist-ein-neuer-Sheriff-in-der-Stadt“-Attitüde, die ich phasenweise wirklich störend empfand. Das wirkt sich glücklicherweise nur wenig auf die Handlung aus, die die kundige Leserschaft vielleicht ein bisschen an Ellen Sandbergs „Die Vergessenen“ erinnert und auch ich dachte lange Zeit, einen Plot vor mir zu haben, der ganz ähnlich verlaufen würde. Davon bleiben aber letztlich lediglich zwei, drei Handlungselemente übrig, ansonsten schlägt „Staub zu Staub“ eine ganz eigene Richtung ein. Und es durchaus spannend zu lesen, wenn Siem Coburg dann im katholischen Heim „Sint Norbertus“ mit den Ermittlungen beginnt und später im umliegenden, kleinen Dörfchen mit seinen Nachfragen auf eine Mauer des Schweigens trifft, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf und sich, so die Dorfbewohner, die Mönche doch so rührend um Kinder kümmern, die doch sowieso niemand haben will … Geblieben ist eine durchaus eindrückliche Leserfahrung, die sich eines spannenden Themas annimmt, und wenn einem der Sinn mal wieder nach einem Krimi steht und man in der Lage ist, eine Hauptfigur mit oben genannten Eigenschaften auszublenden, dann kann man „Staub zu Staub“ guten Gewissens eine Chance geben.

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