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Rezension zu
Émilie und das kleine Restaurant

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Drei starke Frauen folgen ihrer Bestimmung und das über alle gesellschaftlichen Konventionen hinweg

Von: Vanessa
17.04.2020

Der Roman Émilie und das kleine Restaurant von Annie L’Italien spielt in drei verschiedenen Zeiten aber in der gleichen Stadt. Die erste Zeit ist 2016 in Saint-Henri: Émilie hat den Wunsch ein kleines Restaurant zu eröffnen und ihre Familie unterstützt sie dabei so gut sie kann. Sie sucht sich einen Mentor und nimmt sich dafür den Koch aus ihrem Lieblingsrestaurant. Jetzt muss sie nur noch ihn überzeugen, ihr Mentor zu werden. Er gibt ihr zur Aufgabe eine Woche jeden Abend ein Essen zuzubereiten. Wenn es ihm schmeckt, hilft er ihr. Und außerdem ist da noch der kleine grüne Koffer, den Émilies Mann Louis in einem Wandschrank findet. In dem Koffer befinden sich Fotografien, Visitenkarten, Listen, Einkaufslisten, Rezepte, Postkarten und vieles andere. Zum zweiten ist da Hélène im Jahr 1967, die beschließt, sich von ihrem Mann zu trennen. Früher war David ein netter Ehemann, zuvorkommend und liebevoll und er war ein guter Vater, doch in den letzten Monaten bis Jahren ist seine Liebe zu Ehefrau und Kindern offenbar abgekühlt. Hélène hält es nicht mehr aus und trennt sich eines Abends spontan von ihm. Ohne einen Ton zu sagen, packt er seine Sachen und geht seiner Wege; ohne sich von seinen Kindern zu verabschieden. Nun muss sich Hélène um alles kümmern und vor allem Rechnungen bezahlen, dabei hat sie doch eigentlich keine Arbeit. Mehr durch einen Zufall fällt ihr die Idee einen Traiteurdienst zu gründen in den Schoß. Nach anfänglichen Kleinstaufträgen, bekommt sie den Auftrag, Häppchen für einen Kunstausstellung zu bereiten. Die Häppchen werden von allen Seiten gelobt und kann sogar einige Visitenkarten verteilen. Und dann ist da auch noch ihre Mutter Laura, die sie bittet, sich noch einmal mit David zu treffen. David hat einige Erklärungen für sie, die sie beinahe vom Hocker reißen. Im dritten Teil lernen wir Marie-Juliette kennen, die 1934 ihren Schulabschluss macht und danach in einem Restaurant arbeiten möchte. Sie will natürlich nicht sofort Küchenchefin sein, aber sie meint, dass sie sich zumindest hocharbeiten will. Marie-Juliette kocht für ihr Leben gerne bei ihren Eltern zuhause, sie soll für die Beerdigung ihres Großvaters das Essen bereiten, so hat er es sich gewünscht. Obwohl ihre Familie nicht reich ist, gelingen ihr auch aus wenigem großartige Speisen. Als sie auf einem Markt eine Verkäuferin runterputzt, weil die offensichtlich altes Obst verkauft, trifft sie auf Leon. Dieser ist Besitzer und Koch von mehreren Restaurants, sucht aber für eines in Saint-Henri noch Mitarbeiter und ist bereit Marie-Juliette auch unter diversen Bedingungen zu engagieren. In der Küche sind sie ein gutes Team und so kann sich Marie-Juliette nach oben arbeiten, aber auch außerhalb der Küche scheinen die beiden auf einer Wellenlänge zu sein. Auf Umwegen finden Louis und Émilie heraus wer die beiden Frauen sind, denen der Koffer vorher gehört und so lädt sie die beiden, die unwissend einen großen Einfluss auf sie hatten, zu ihrer Restauranteröffnung ein… In dem Roman Émilie und das kleine Restaurant von Annie L’Italien versuchen drei Frauen ihrer Bestimmung zu folgen: Sie wollen kochen; doch nicht nur für ihre Familie, sondern als richtige Köche in einem Restaurant. Kommen wir zu dem für mich größten Fehler des Romans: Es geht zu wenig in die Tiefe und zeigt eine ziemliche Idealwelt. Obwohl die ersten beiden Teile der Geschichte in den 1930er und 1960er Jahren liegen, und die Beschränkungen, die den Frauen dort unterworfen sind, durchaus zur Sprache kommen, stolpern diese nicht wirklich darüber. Marie-Juliette möchte Köchin werden, bewirbt sich aber nicht, weil sie Angst hat, abgewiesen zu werden. Durch einen Zufall lernt sie einen Restaurantbesitzer kennen, der sie direkt einstellt und auch noch alle ihre Bedingungen erfüllt. Ja klar, sie arbeitet auch hart und lange für ihn, aber er stimmt sofort allem zu; das hat mir nicht gefallen, weil es viel zu einfach wirkt, auch wenn es für Marie-Juliette nicht einfach gewesen sein mag. Und auch Hélène ist den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit unterworfen: Sie weiß zwar, dass eine Scheidung theoretisch möglich ist, aber man macht sowas nicht, stattdessen lebt man mit dem inzwischen verhassten Partner weiter und stirbt verbittert. Das möchte sie nicht, also lässt sie sich doch scheiden. Aber mir fehlt auch hier die Ausgrenzung aus ihrer Gemeinschaft; schließlich setzt sie sich über gesellschaftliche Konventionen hinweg. Natürlich mögen ihre Bekannten so etwas wie Stolz oder Neid empfinden, weil sie sich traut und sie selbst nicht, aber dennoch müsste da noch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung sein, statt der Unterstützung, die sie erfährt. Schade fand ich auch, dass man bei dem Aufbau von Émilies Restaurant nur sehr oberflächlich dabei war. Gut, das war ein langer Kritikpunkt, deshalb komme ich direkt zu den positiven Aspekten: Die Idee ist interessant. Die drei Anfänge der Geschichte sind übrigens alle drei sehr, sehr ähnlich, denn es beginnt mit einem verdorbenen Kuchen. Doch abgesehen von ihrer Leidenschaft fürs Kochen haben die drei Frauen wenig gemeinsam: Eine ist bereits verheiratet und hat einen Sohn und wird von beiden gut unterstützt, die zweite hat zwei Kinder und will sich gerade scheiden lassen und die dritte macht gerade ihren Schulabschluss. Und auch die Charaktere könnten nicht unterschiedlich sein, wenngleich es sich bei allen drei Frauen um starke, mutige und willensstarke Frauen handelt. Mir haben alle drei Frauenfiguren sehr gut gefallen, wenngleich man sich natürlich mit der ein oder anderen besser identifizieren kann als mit der anderen. Besonders spannend fand ich auch, dass diese drei Frauen in vollkommen unterschiedlichen Zeiten gelebt haben und dennoch versucht haben, an ihren Träumen festzuhalten und ihnen gefolgt sind. Auch, dass alle drei Geschichten parallel erzählt werden, war ziemlich faszinierend: Es wechseln sich nämlich die Kapitel von Émilie, Hélène und Marie-Juliette immer ab und so muss man sich immer klar machen, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Diese Erzählform hat mir gut gefallen, weil man einfach das Gefühl hatte, alle drei Geschichten gleichzeitig erzählt zu bekommen. Ich weiß ja nicht, ob ihr solche Bücher öfter lest und ob das normal ist, aber mir hat die Idee super gefallen, dass man am Ende der Kapitel, in denen von Speisen die Rede ist, deren Rezepte findet. Marie-Juliette bereitet beispielsweise einen Rote-Bete-Apfel-Salat zu, dessen Rezept man dann auch direkt nach dem Kapitel findet. Die meisten Rezepte fand ich schlichtweg interessant, weil ich – ehrlich gesagt – von den wenigsten Sachen schon einmal gehört, geschweige sie denn bereits gegessen habe, aber das ein oder andere Rezept werde ich mir auch merken und mal nachkochen. Wer also mal ein paar neue Rezeptideen braucht, kann in diesem Roman sicherlich die ein oder andere exotische Idee finden. Auch die Idee, dass es einen grünen Koffer gibt, in den alle früheren Besitzerinnen wichtige Erinnerungsstücke legen, hat mir gut gefallen. Darin befinden sich Fotographien, Karten (Post- und Visitenkarten), Listen, Rezepte und vieles mehr. Der Koffer zeigt, wie Rezepte weitergegeben werden, wie diese von verschiedenen Generationen aufgenommen, verändert, modernisiert und verfeinert werden und wie Kochrezepte eben ein Teil der Kultur eines Landes sind, aber eben auch genauso wandelbar. Die Botschaft hierhinter war einfach wunderschön und hat mir einen ganz neuen Aspekt auf Essen und Rezepte geboten. Insgesamt hat mir der Roman Émilie und das kleine Restaurant von Annie L’Italien sehr gut gefallen und ich kann es nur weiterempfehlen, wenn die Autorin noch ein Buch rausbringt und es mich auch nur halbwegs interessiert, werde ich es mir wohl kaufen, weil mir dieser Debutroman wirklich gut gefallen hat.

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