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Rezension zu
Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland

Alice ist in diesem Buch vieles, aber sicher nicht im Wunderland.

Von: Rainbowwalker
02.04.2020

Nachdem ich Lost Boy von Christina Henry unglaublich geliebt habe, freute ich mich sehr nun dieses Werk zur Verfügung gestellt bekommen zu haben. Noch bevor ich das Buch überhaupt begann zu lesen, wertschätzte ich schon die Einheitlichkeit, welche in Henrys Cover Einzug erhält, sodass sich dieser Band vom Stil her super dem von Lost Boy anpasste, oder eben andersherum. Da ich das Buch als Ebook las, blieben mir zwar die hübschen Applikationen an den Seiten verwehrt, doch auch diese wollte ich unbedingt lobend erwähnen, da ich sie als wunderschönen Zusatz erachte, den ich sehr zu schätzen weiß. Solche Details liegen für mich auf einer Ebene mit fließenden Buchrücken bei Reihen, und ich könnte töten dafür. Womit wir auch schon gleich beim richtigen Thema sind... Seit zehn Jahren ist Alice in einem düsteren Hospital gefangen. Alle halten sie für verrückt, während sie selbst sich an nichts erinnert. Weder, warum sie sich an diesem grausamen Ort befindet, noch, warum sie jede Nacht Albträume von einem Mann mit Kaninchenohren quälen. Als ein Feuer im Hospital ausbricht, gelingt Alice endlich die Flucht. An ihrer Seite ist ihr einziger Freund: Hatcher, der geisteskranke Axtmörder aus der Nachbarzelle. Doch nicht nur Alice und Hatcher sind frei. Ein dunkles Wesen, das in den Tiefen des Irrenhauses eingesperrt war, ist ebenfalls entkommen und jagt die beiden. Erst wenn Alice dieses Ungeheuer besiegt, wird sie die Wahrheit über sich herausfinden – und was das weiße Kaninchen ihr angetan hat. Wie bereits oben angekündigt, hatte ich große Erwartungen an das Buch, was nicht wenig mit Lost Boy zu tun hatte und dennoch: Ich erwartete viel von Christina Henry nach einem solchen Erfolg. Vielleicht war auch gerade das mein Problem; dass ich (wie so oft) einfach zu viel erwartete. Nachdem ich schon einige Meinungen zu dem Werk gehört hatte, war ich sehr zwiegespalten. Es sollte wohl entweder extrem brutal gewesen sein oder überhaupt nicht. Genauso verhielt es sich auch mit den generellen Einschätzungen zu dem Buch: Entweder sehr schlecht, oder aber sehr gut. Selbst nach dem Lesen kann ich mich jedoch für keine der Seiten entscheiden. Ich bin, um ehrlich zu sein, sogar noch etwas verwirrt über das Buch, welches hier vor mir liegt. Weswegen das so ist, werde ich euch versuchen in den folgenden Zeilen zu erklären. Zuerst einmal möchte ich mit den positiven Dingen beginnen, wie zum Beispiel der Charakterentwicklung von Alice und Hatcher. Ich versuche hierbei so wenig wie möglich zu spoilern, weshalb ich nur sage, dass ich es als sehr realistisch empfand, wie sie sich von den zehn Jahren im Irrenhaus wieder an die "normale" (hier ist nichts normal) Welt gewöhnten und wie Alice das Wegbleiben ihrer Medikamente zusetzte. Des Weiteren empfand ich den Handlungsstrang um Grinser als sehr gelungen, die beiden Protagonisten behielten aufgrund seines Wesens und seiner Taten eine gesunde Distanz zu ihm, und entwickelten ihre Meinung zu ihm in kein Extrema, was leider häufig recht schnell passiert. Außerdem war die Strukturierung des Werkes zum Lesen sehr angenehm, man konnte gute Pausen einlegen und das Buch nach der Beendigung einer Mission aus der Hand geben. Diese Tatsache tat zwar meinem Schlafrhythmus sehr gut und auch mein Essverhalten hat sich mal wieder über etwas Kontinuität gefreut, aber für eine gelungene Dramaturgie des Werkes spricht das nicht. Dabei will ich auch nicht sagen, dass das Werk nicht spannend war, denn das würde nicht stimmen, doch ich konnte das gesamte Abenteuer sehr distanziert beobachten, ohne wirklich tief in die Handlungen einzutauchen. Dies wurde zudem noch durch die dauerhaft präsente Gewalt unterstützt, denn jene war ein Hauptmerkmal dieses Buches. Dabei handelte es sich hier nicht um eine gut kalkulierte und ausgewogene Gewalt, sondern eine, die irgendwann einfach die Überhand übernahm. Es ist ein sehr schmaler Grad, gerade soviel von Verderben und dem Tod zu schreiben, dass sich der Leser nicht zurückzieht, weil ihm alles zu viel wird und trotzdem um die Protagonisten bangt und sich nicht langweilt. Hier wäre es vielleicht von Vorteil gewesen, ein oder zwei Massaker wegzulassen und dafür Einzelschicksale mehr herauszukristallisieren. Es ist nämlich ein sehr menschliches Phänomen, dass das Schicksal einer Gruppe den Menschen nicht so sehr trifft wie das eines Einzelnen. (Das gleiche funktioniert auch bei zum Beispiel Flugzeugabstürzen: Der Sturz an sich berührt die Menschen nicht, die Geschichte eines Passagiers hingegen kann Zuhörer zu Tränen rühren.) Des Weiteren haben mich einige Reaktionen gestört, die gegen logische Schlussfolgerungen sprachen. So wurde Alice zum Beispiel von einem Kaninchen-Mann vergewaltigt und fast getötet, setzt jedoch ihr Leben aufs Spiel, um ein mutiertes Riesenkaninchen zu retten, welches in alter Manier zusammengeschlagen wurde. Doch würde man nicht nach einem solchen Erlebnis eine innere Abneigung gegen diese Tiere hegen? Ihnen aus den Weg gehen wollen? Man könnte argumentieren, dass Alice vom Charakter so nicht funktioniert, doch dann verstehe ich nicht, wieso sie eine generelle Abneigung gegen Ratten hegt, nur weil sie als Kind mal von einer gebissen wurde? Ebenso schleierhaft sind mir die Reaktionen der Mädchen, welche Alice und Hatcher zu einem Zeitpunkt im Buch retteten. Sie fürchten sich zum Beispiel zu Beginn extrem vor Pipkin (dem Riesenkaninchen) doch kaum dass Alice sagt, dass er nicht böse ist, gehen sie hin und kuscheln mit ihm, vertrauen einem fremden Mädchen einfach so, nachdem sie Jahre lang missbraucht und geschändet wurden. Ich persönlich würde annehmen, dass diese ein extremes Vertrauensproblem hätten und sich nicht sofort an ein riesiges, mit Blut beflecktes Kaninchen kuscheln würden, welches unzählige Männer tötete, nur weil eine Fremde sagt, dass hier nichts zu befürchten ist. Was ich sehr verständlich fand, waren Alice anfängliche Ausführungen dazu, dass sie angst hat für immer sich von Männern distanzieren zu wollen, aufgrund von den Dingen, die ihr zugestoßen sind und das hätte man meiner Meinung nach auch dabei belassen können. Doch dass es dann zu einem komplett zusammenhangslosen Kuss zwischen ihr und Hatcher kam, welchen sie sogar forderte und dann nie wieder darauf zu sprechen kam, hat mich schon sehr verwirrt. In keinem Satz wird er mehr erwähnt und ab diesem Moment an schien sie auch keine Berührungspunkte mehr mit Männern zu haben, was im Buch mit der hohen Dichte an Gewalt um sie herum erklärt wird, doch für mich nicht ausreichend als Argument ist. Eben jene Männer stellten mich ebenfalls vor ein moralisches Problem. Denn sie alle waren die Bösen, es gab keine weibliche Gegenspielerinnen und alle hatten eine perfide Vorliebe für die diversesten Vergewaltigungen. Man hat im Laufe des Werkes immer neue Bösewichte vorgestellt bekommen, und am Ende fragte ich mich nur noch, auf welche brutale Weise dieser Mann nun wohl Mädchen schänden würde. Es schien fast so, als würde es für die Autorin in diesem Buch keine andere Form der Gewalt geben, als die Vergewaltigung. Dadurch wurden die Bösewichte sehr stumpf und facettenlos und waren zudem auch noch viel zu leicht zu besiegen. Selbst der bösesten und gefährlichste aller Gefährlichen wurde von den Beiden mühelos eliminiert und der große Showdown war alles andere als groß. Ernüchternd war das Wort, welches mir auf den letzten hundert Seiten am Häufigsten in den Sinn kam, denn nichts anderes war das Aufeinandertreffen von Hatcher und Alice auf ihre Erzfeinde. Zuletzt möchte ich noch kurz auf Alice´ und Hatchers Fähigkeiten zu sprechen kommen, über welche ich mir ebenfalls noch eine Weile nach Beendigung des Buches den Kopf zerbrochen habe. Da beginnen wir also mit Alice, welche von Hatchers Oma (welche auch, nachdem ihre Aufgabe erfüllt war, nie wieder eine Rolle spielte) eine mysteriöse Kette geschenkt bekommt, von welcher der Leser denkt, dass sie eine tiefere Bedeutung und Mission hat. Jedoch bleibt diese Kette eine Kette und die Oma eine Oma; beidem wird keine Bedeutung zugeschrieben, was ich sehr enttäuschend fand. Ebenso die Entwicklung von Alice Begabung (welche ich aus Spoilergründen nicht weiter erläutern möchte), die unbegründet stark am Ende heraussticht, als es der Plot gebrauchen kann, ansonsten aber zahm im Hintergrund bleibt. Um es möglichst ungenau zu beschreiben: Alice äußert einen Wunsch und dieser wird... sagen wir mal ... von der Universum-Zentrale bevorzugt verarbeitet. Wäre ihr das nicht schon kurz nach der Flucht aufgefallen, noch bevor sie die Medikamente bekam? Mir hingegen erschien es, als hätte die Zentrale ihre Wünsche erst aufgenommen, nachdem es in der Geschichte gepasst hat, doch das wirkt für mich schleierhaft und vorhersehbar. Mir ist durchaus bewusst, dass in dem letzten Abschnitt eine Menge Kritik geäussert wurde, doch möchte ich auch noch mal darauf hinweisen, dass einem das Negative meist aggressiver ins Auge sticht, als die Positive und ich, wenn ich nach einigen Stunden nach der Beendigung auf das Werk zurückschaue, keine negative Assoziation bei dem Buch verspüre. Dies könnte auch zum Beispiel an der Art liegen, wie wortgewandt Henry die Dinge umschreibt, welche von den Protagonisten gesehen werden oder die Ideen, welche sie in diesen Klassiker mit eingebracht hat. So hat es für mich nur bei der Umsetzung einfach an einigen Dingen gehapert. Trotz allem empfand ich das Buch als lesenswert, ob ich es jedoch empfehlen würde, kann ich einfach nicht entscheiden. Ich denke es kommt auf den Menschen an, welchen ich zu solch einem Zeitpunkt vor mir hätte...

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