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Rezension zu
Northanger Abbey

"Northanger Abbey" als Hörspiel

Von: Katlin
19.03.2020

“Northanger Abbey” ist mein Lieblingsroman von Jane Austen und Henry Tilney ist mein Lieblings-Austenheld. Jane Austen liefert mit “Northanger Abbey” (1817) eine sehr pointierte, sarkastische Parodie auf das damals zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr beliebe Schauer-Genre: Ihre Heldin Catherine Morland liest “Die Geheimnisse von Udolpho”, den Grusel-“Bestseller” von Ann Radcliffe von 1794, und beginnt selbst überall Geister zu sehen und sich für die Heldin in einem Gruselroman zu halten. Ihr zur Seite steht der junge Geistliche Henry Tilney, den ich so sehr mag, weil er ein sehr untypischer Austenheld ist: Er ist höflich, aber gleichzeitig der König der zweischneidigen Komplimente und hat für die Entstehungszeit des Romans, um 1800, sehr “unmännliche” Interessen: Literatur und Mode. Dass Jane Austen sich selbst in Henry Tilney, der Catherine immer mit einem guten Ratschlag zur Seite steht, gespiegelt haben könnte, ist sehr gut möglich und genau das macht ihn als Helden so überzeugend. Auch darüber hinaus ist “Northanger Abbey” ein Roman voller spannender Figuren und einfach die perfekte Mischung aus Austen-Romantik, Schauerroman und Austens ironischem Blick auf ihre Gesellschaft und den Schauerroman-Hype des frühen 19. Jahrhunderts. “Northanger Abbey”, das bereits 1803 geschrieben wurde, behält sich zudem noch den sehr zynischen Ton von Austens frühen Werken, der in “Emma” (1815) und “Stolz und Vorurteil” (1813) nicht mehr so stark durchkommt. “Northanger Abbey” ist also vieles in einem: Gesellschaftsroman, Parodie, Schauerroman, aber auch vor allem die Coming-of-Age-Geschichte seiner siebzehnjährigen Heldin Catherine Morland, die aus ihrer beschützten Idylle auf dem englischen Land gerissen wird, und nicht nur lernt, dass Romane nicht der Wirklichkeit entsprechen, sondern auch die nicht so schönen Seiten ihrer Gesellschaft entdeckt. Diese Geschichte hat der Hessische Rundfunk also 2019 in einem zweistündigen Hörspiel umgesetzt. Und wie ist das gelungen? Ich habe “Northanger Abbey” schon in vielen Varianten gehört, gelesen und gesehen. Jane Austens Originalroman natürlich und die Filmversion von 2007 mit Felicity Jones und J.J. Feild, oder auch Val McDermids Neuerzählung von 2014, die aus “Northanger Abbey” einen in der Gegenwart spielenden YA-Roman macht. Auf die deutsche Hörspielvariante vom Hessischen Rundfunk war ich deshalb natürlich sehr gespannt, denn ähnlich wie bei einem Film ist es sicherlich nicht leicht einen Roman in ein zweistündiges Hörspiel zu übersetzen. Dem Team hinter dieser Fassung ist das meiner Meinung nach jedoch sehr gut gelungen. Silke Hildebrandt hat es geschafft die Geschichte nicht nur verständlich und klar aufzuarbeiten, sondern sie auch in ein unterhaltsames Hörspiel umzuwandeln, das man genau wie einen Film gebannt verfolgt, Kopfkino inklusive. Besonders die musikalische Untermalung von Jakob Diehl ist gelungen und sorgt für sehr viel Regency-Atmosphäre auf den Bällen, die Catherine in Bath besucht, aber auch in den unheimlicheren Momenten auf Northanger Abbey. Es sind aber natürlich auch die Sprecher.innen, die diese Hörspielfassung so hörenswert machen. Anna Drexler spricht Catherine Morland wunderbar naiv und gibt ihr einen ganzen eigenen Ton, der ihren Charakter gut widerspiegelt. Auch Max Bretschneider als Henry Tilney hat mir sehr gut gefallen, sowie natürlich der Erzähler Ulrich Noethen, der nicht nur als Schauspieler bekannt ist, sondern auch als beliebter Leser für Hörbücher und -spiele. Hier passt sein leicht ironischer Tonfall sehr gut zu Jane Austens Schauerromanparodie. Das Hörspiel ist mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet. Ich mochte besonders, dass Szenen aus Catherines Lieblingsbuch “Die Geheimnisse von Udolpho” vorgelesen wurden, immer dann, wenn Catherine sich in dem Buch verliert. Das einzige, das ich leider nicht ganz nachvollziehen konnte war, warum diese Szenen Englisch belassen wurden, sodass sie für Hörer.innen, die nicht so gut Englisch verstehen können, schon allein wegen des dichten Queen’s English des Lesers vielleicht schwer zu verstehen sein könnten. Die neue “Northanger Abbey”-Hörspiel-Fassung vom Hessischen Rundfunk ist jedoch trotz dieses kleinen Minuspunkts für alle Austen-Fans auf jeden Fall zu empfehlen. Das Hörspiel bleibt dem Roman sehr treu und erzählt die Geschichte verständlich und vor allem atmosphärisch in etwas über zwei Stunden, toll gesprochen und erzählt von den Darsteller.innen und mit wunderschöner Musik untermalt, die nicht nur Bath im Winter Ende des 18. Jahrhunderts lebendig macht, sondern auch das düstere, alte Herrenhaus Northanger Abbey und seine Ländereien. Musik, Geräuschkulissen auf Straßen, Bällen oder in der Natur, Sprecher.innen und auch die moderne, aber trotzdem für die Epoche passende Übersetzung von Andrea Ott machen das Hörspiel sehr rund, sodass es meiner Meinung nach mit der britischen Hörspielfassung mit Emma Thompson, Lily Cole und Douglas Booth durchaus mithalten kann und mir in einigem sogar besser gefallen hat. Silke Hildebrandts Umsetzung hat einfach etwas sehr Lebendiges, das einen das Hörspiel am Stück durchhören lässt und Spaß macht. Auch allen Hörspiel-Fans, die mit Austen bisher vielleicht nicht so viel anfangen konnten, aber historische Hörspiele mögen, würde ich diese Fassung von Austens wohl ungewöhnlichstem Roman auf jeden Fall ans Herz legen, da das Hörspiel atmosphärisch und unterhaltsam einfach eine gute Geschichte erzählt. Ich werde mir auf jeden Fall auch die weiteren Jane-Austen-Hörspiele mal genauer ansehen, die der Hessische Rundfunk seit 2019 produziert hat, und dieses hier auf einer langen Auto- oder Zugfahrt sicherlich auch noch einmal anhören.

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