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Rezension zu
Die Tränen von Triest

Im Bann der Familiengeheimnisse

Von: Edith N.
18.12.2019

Wien, Juli 2019: Angestachelt durch die Spekulationen ihrer Freundin Judith rechnet die Innenarchitektin Johanna Silcredi an ihrem 33. Geburtstag fest mit einem Heiratsantrag. Doch ihr Lebensgefährte, der Architekt Roman Hubner, nutzt den Abend in einem sündteuren Nobelrestaurant, um sich auf ausgesucht gemeine Art von ihr zu trennen. Johanna ist enttäuscht, wütend und verletzt und löst das Geschenk ihrer Familie – eine Woche Urlaub in Triest – sofort ein. Die Villa Costa, die heute eine Frühstückspension ist, war von 1900 bis 1918 im Besitz der Familie von Silcredi. Johannas Urgroßmutter Afra ist in der Villa aufgewachsen. So halb im Scherz sagt Johannas 94jähriger Großvater, sie könne ja bei ihrem Aufenthalt ein bisschen Ahnenforschung betreiben. Vielleicht fände sie ja heraus, wer sein Vater war. Johanna sagt „ja, ja“ zum Ansinnen ihres Großvaters, hat aber keine Ahnung, wo sie mit der Suche nach seinem Erzeuger beginnen sollte. Der Opa hat ja eh schon alles Erdenkliche versucht und nichts herausgefunden. Sie hat nicht die Absicht, sich in ihrem Urlaub mit diesem Thema zu belasten. Doch es kommt anders. Zur selben Zeit wie Johanna wohnen zwei Frauen aus Hamburg in der Pension Costa: Charlotte Uhlbrich, 93 und ihre Enkelin. Sie sind wegen einer Beerdigung hier. Als Charlotte den Namen Silcredi aufschnappt, wird sie hellhörig. Offenbar gab es zu den Zeiten ihres Vaters und Großvaters geschäftliche und gesellschaftliche Verbindungen zwischen den beiden Familien. Und so wird die Vergangenheit ein wichtiges Thema in der Villa Costa. So richtig Bewegung kommt in die Sache, als Lucas Mutter Simonetta einfällt, dass die Familie ihres Mannes ja seit über 100 Jahren im Besitz des Tagebuchs der Afra von Silcredi ist. Sie wollte es damals bei ihrem Umzug nach Wien nicht mitnehmen, es sollte in Triest bleiben. Irgendwie hat sich nie einer der Costas getraut, die Unterlagen wegzuschmeißen. Fasziniert liest Johanna die schwärmerischen Schilderungen ihrer Urgroßmutter. Triest 1914: Afra ist 19 und frisch verliebt in den Studenten Alfred Herzog, einen Freund ihres Bruders und Sohn eines Geschäftsfreundes ihres Vaters. Auch er ist hin und weg von ihr. Zwar gehört er nicht, wie sie, dem Adel an, aber ihr Vater hat glücklicherweise trotzdem nichts gegen diese Verbindung. Die Verlobung wird vorbereitet. Das junge Paar kann die Hochzeit kaum erwarten und Afra fängt an, ihre Geschichte aufzuschreiben, um alle Welt an ihre Glückseligkeit teilhaben zu lassen. Die Leser*innen von heute, die den Verlauf der Weltgeschichte kennen, ahnen schon, dass so viel Glück nicht von Dauer sein kann. Zurück ins Triest des Jahres 2019: Nachdem auch Johannas Urlaubsbekanntschaften Charlotte Uhlrich und Simonetta Costa den Inhalt von Afras Aufzeichnungen kennen, ergeben auf einmal Fragmente ihrer eigenen Familiengeschichte einen Sinn, die sie zuvor nie richtig einordnen konnten ... Es ist spannend, wie die unfreiwillige Ahnenforscherin Johanna immer tiefer in den Sog ihrer eigenen Familiengeschichte gerät. Man merkt, dass die Autorin intensiv vor Ort und in Sachen Zeitgeschichte recherchiert hat. Es ist immer gut zu wissen, dass ein*e Schriftstelller*in ganz genau weiß, wovon er/sie schreibt und uns kein X für ein U vormacht. Das führt zwar manchmal zu ein bisschen mehr Informationen als man zum Verständnis der Geschichte gebraucht hätte, aber Wissen schadet nie. Johanna Silcredi ist eine angenehm unperfekte Heldin mit sympathischen Macken. Herrlich ist auch ihre Freundin, die Flugbegleiterin Judith, die stets unverblümt das ausspricht, was ihr gerade durch den Kopf rauscht. Und natürlich Johannas Eltern, die auf alle möglichen und unmöglichen Ereignisse miteinander wetten. Das ist schon reichlich skurril! Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt. Vermisst habe ich lediglich ein Personenverzeichnis der Familien (von) Silcredi und Uhlrich. In Kapitel 7 habe ich mich heldenhaft damit abgemüht, mir die gesamte Hamburger Sippe einzuprägen um dann festzustellen, dass im Verlauf der Ereignisse nur Charlotte wichtig war. Komplexes Familiengewusel kann man wunderbar in Verzeichnisse auslagern, die der Leser im Bedarfsfall konsultieren kann. Im Innenteil der Buchklappen wäre jede Menge Platz dafür gewesen.

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