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Rezension zu
Die Seele des Monte Pavione

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Atmosphärisch dicht, teilweise gar spannend und einfühlsam geschrieben

Von: Michael Lehmann-Pape
29.05.2019

Es ist die Zeit zum Ende des 19. Jahrhunderts hin. In den Dolomiten mit ihrer bewegten Geschichte und den Folgen des Wechsels der Herrschaft von Österreich hin nach Italien, vom Kaiser zum König. Was den abgeschieden lebenden, bitterarmen Bewohnern der Bergdörfer am Ende herzlich egal ist, denn beide Herrschaften haben weitgehend (und die italienische Monarchie vollzieht dies auch in der Gegenwart des Romans) immer nur genommen und gerade das nötigste zurückgelassen, damit auch im nächsten Jahr die Arbeitskraft und die Erträge sich ausnutzen lassen. Was Augusto de Boer, Tabakbauer in einem abgelegenen Flecken an Einöde, nicht nur mental sauer aufstößt, sondern auch, wie bei den anderen Bewohnern der Gegend, ihn immer ins Risiko des Hungerleidens setzt. Denn es muss ja nur eine Kleinigkeit schief gehen am komplexen Vorgang von Zucht und Ernte des Tabaks, und schon reicht das Geld nicht mehr für das nächste Jahr. Was angesichts von Frau und drei Kindern keine Option für Augusto ist. Der klug ist und einen Plan hat. Nicht nur, wie so manch anderer, ein wenig Tabak abzuzweigen und auf eigene Rechnung aus dem Anbaugebiet (das unter Bewachung und Kontrolle des Finanzamtes steht) in eine benachbarte Umgebung zu schmuggeln. Nein, Augusto will mehr. Und geht gewagte Wege über Schleichpfade und Grenzen. Wo er auf der einen Seite gute Ergebnisse beim Verkauf des Tabaks erzielt und auf der anderen Seite dann dies eintauscht an andere Stelle gegen begehrte Waren und am Ende einen guten Schnitt macht. Allerdings unter hoher Gefahr, entdeckt zu werden, in den unwegsamen Bergen zu verunglücken oder schlichtweg auf einer der anderen Stationen seiner regelmäßigen Schmuggelreisen entdeckt und enttarnt zu werden. Doch Augosta ist geschickt. Und nimmt eines Tages seine 16jährige Tochter mit, um diese in das „Geschäft“ einzuführen. Bis es doch geschieht und er von einer seiner Touren nicht zurückkehrt, seine Tochter Jole sic aufmacht, ihn zu suchen und dabei vielleicht einen ganz anderen Vater entdecken könnte, als sie ihn bisher kannte. Was auch den Moment darstellt, in dem der Schwerpunkt des Romans sich ändert und eine neue Erzähllinie mit installiert, die nun die Fremdheit selbst unter sich nahestehenden Menschen mit in den Blick nimmt, Misstrauen wachsen lässt, überraschende Wendungen im Binnenverhältnis von Tochter und Vater mitaufnimmt und den Leser hoch gespannt Seite für Seite mit in die Frage hineinnimmt, ob Vertrauen gerechtfertigt ist, ob Enttäuschungen dazugehören und wie das mit dem „Stille-Post-Prinzip“ so funktioniert, wenn jeder meint, etwas zu wissen oder verstanden zu haben, was vielleicht doch nur Gerüchte sind. Und das ganze bietet nicht nur als Geschichte eine mitreißende Lektüre, sondern ist auch sprachlich fein umgesetzt, bildkräftig und doch fast sachlich geschrieben, das harte Leben der Bergbauern ebenso treffend in Szene setzend, wie die gefahrvollen, heimlichen Schmugglergänge und die ständig im Raum stehende Möglichkeit, plötzlich entdeckt zu werden (denn die Gegenseite schläft beileibe nicht). „Sie hatte leicht klobige Hände, deren rötliche Haut auf dem Handrücken schrumpelig und in den Handflächen von unzähligen feinen Falten durchzogen war“. Kurz und auf den Punkt formuliert, so dass der Leser umgehend ein Bild des ganzen Lebens der Frau (Augustos Ehefrau) vor Augen geführt bekommt und ein treffendes Beispiel für die sprachliche Kunst des Autors, mit wenigen Worten ganze Geschichten im Leser freizusetzen. Gepaart mit der tief ausgeloteten Tochter-Vater Beziehung setzt Righetto eine ganze Form des Lebens und eine dazugehörende Zeit in Szene, die atmosphärisch und, im zweiten Teil des Buches, auch psychologisch den Leser mitten hinein nimmt in die Personen und Ereignisse des Romans.

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