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Rezension zu
Bevor die Nacht geht

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Zum Verlieben schön!

Von: Clee
02.04.2015

Ist es möglich, sich innerhalb von einem Tag zu verlieben? Hätte mir jemand gestern noch diese Frage gestellt, hätte ich wohl mit einem dicken, fetten Nein! geantwortet. Denn wie sollte man innerhalb so kurzer Zeit einen anderen gut genug kennenlernen? Nachdem ich jetzt jedoch Patrycja Spychalskis Roman Bevor die Nacht geht gelesen habe, hat sich meine Sicht auf die Dinge verändert. Die Zeit ist ihren eigenen Gesetzen unterworfen und genauso verhält es sich mit der Wahrnehmung dieser. Obwohl sich die Ereignisse in Bevor die Nacht geht alle an einem Tag abspielen, kam es mir beim Lesen so vor, als hätte ich eine halbe Weltreise an der Seite von Kim und Jacob verbracht. Wie die Autorin es selbst im Buch umschreibt: „Ich verstehe, was du mit Paralleluniversum meinst. Ich habe auch völlig die Orientierung verloren. Heute früh kommt mir schon so lange her vor, als wäre es gar nicht heute gewesen, und auf der anderen Seite rast die Zeit wie verrückt. Dass wir zusammen Esel gefüttert haben, war das wirklich heute oder doch schon vor zwei Wochen?“ (Spychalski, Bevor die Nacht geht, S. 205) Die Liebesgeschichte der beiden hat mich unheimlich berührt und wird noch lange in mir nachklingen. Die beiden Hauptpersonen sind zwei grundverschiedene Typen: sie quirlig, offen, ein wenig ‚verrückt‘, immer am Puls des Lebens – ein Mädchen, dass das Herz auf der Zunge trägt und oft genug handelt, bevor sie über ihr Tun nachdenkt. Er in sich gekehrt, bodenständig, zurückhaltend, eine absolute Leseratte – ein Junge, der über alles nachdenkt und gern in die Melancholie seiner eigenen Gedankenwelt abdriftet. Sie scheinen auf den ersten Blick nichts gemein zu haben, doch letztlich ergänzen sie sich perfekt, denn der eine bietet dem anderen genau das, was diesem im Leben fehlt. Hier hat der Topf definitiv seinen Deckel gefunden und das spürt der Leser auf jeder Seite. Trotz ihrer knapp bemessenen Zeit miteinander haben sich die Gefühle der beiden natürlich und langsam entwickelt. Das macht ihre Beziehung unglaublich realistisch und einfach wunderschön. Doch Spychalskis Roman bietet mehr als eine authentische Liebesgeschichte. Auch die Liebe zu Berlin und seinen Bewohnern quillt hier aus jeder Seite. Die Autorin führt uns an Orte, die nicht unbedingt im Reiseführer stehen und auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches an sich zu haben scheinen. Doch ihre Worte locken das Besondere aus Dingen, die viele als alltäglich bezeichnen würden. Durch die vielen Kulturen und unterschiedlichen Lebensstandard, die in einer Großstadt aufeinandertreffen, wirkt sie wie eine kleine Version der Welt. Urig trifft hier auf modern. Das Heimische auf das Fremdartige. Spychalski hat es definitiv geschafft, mich als Stadtkind dazu zu bringen, mein Zuhause mit neuen Augen zu betrachten. Das Aufregende im Rhythmus der Straßen zu suchen. Genauso wie es Kim für Jacob vorgesehen hat, dessen Abneigung seiner Umgebung gegenüber ich genauso gut nachvollziehen kann wie Kims Begeisterung für die Stadt. Generell konnte ich mich sehr gut in beide Charaktere hineinversetzen. Als Kim z.B. eine Gruppe von älteren Frauen sieht, die zusammen Nordic-Walking machen, meinte sie, dass sie später ebenfalls zu einer solchen Gruppe gehören und auch noch im Alter voller Energie durch das Leben gehen will. Damit spricht sie mir direkt aus dem Herzen. Ich meine, wer möchte keine dieser toughen Großmütter sein? :D Aber auch Jacobs Zweifel darüber, wer er ist und wo er steht oder irgendwann im Leben stehen möchte kann ich absolut nachvollziehen. Seinen Drang, die Welt zu erkunden und dabei sich selbst zu finden. Die Charakterportraitierung ist der Autorin wirklich gelungen. Ich gebe jedoch zu, dass es auch ein paar kleine Mankos in der Geschichte für mich gab. Zum einen hab ich den beiden Protagonisten ihr Alter nicht immer abgekauft. Oft kamen sie mir eher wie 14- und nicht wie zwei Volljährige vor. Das lag zum einen an der sehr jugendlich gehaltenen Sprache, oft aber auch an so mancher gedankenloser Handlung. Ab hier evtl. ein paar Spoiler, Vorsicht! Ich hab mir echt das Buch gegen die Stirn geschlagen, als Kim auf der einen Party einfach so aus einem fremden (!!) Glas trinkt, das irgendwo rumsteht. Es gibt blöde Aktionen und es gibt BLÖDE Aktionen. Ne, Mädel, einfach ne. Zum anderen fand ich ein paar Aussagen von Kim extrem nervig. Jacob ist besorgt wegen ihrer Verletzung, fragt, ob sie vielleicht Fieber hat und sie reißt den Witz „Ich bekomme gleich Fieber von deiner ganzen Fragerei“ (S. 135) etc. Ja, haha ... nicht. Das ist lächerlich kindisch. Das mag jetzt hier in der Rezension nicht ganz so tragisch rüberkommen, aber beim Lesen fand ich diesen Abschnitt total störend. Hinzu lässt sie Jacob einmal absichtlich schmoren und auf sich warten, um ... ja, warum eigentlich? Um sich interessanter zu machen? In dieser Zeit trifft sie auf einen anderen Typen, den sie interessant findet und Jacob scheint vergessen. Doch halt, dann fällt ihr der arme Tropf wieder ein und schon gibt es nur noch ihn in ihren Gedanken. Zh. Und am Ende vom Buch behauptet sie, dass es „echt offensichtlich“ (S. 192) wäre, dass Jacob ein Fan von Nick Cave ist und Jacob kommt es nicht in den Sinn zu fragen, warum. Ich hingegen habe mich das sehr wohl gefragt. Warum zur Hölle ist das offensichtlich? Woran soll man das erkennen? Hä? Spoiler-Ende. Das waren aber wirklich die einzigen Dinge, die mich gestört haben und das auch nur kurzfristig. So ist und bleibt Bevor die Nacht geht ein wundervolles Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte, der das Besondere an Berlin, der Liebe und schicksalshaften Begegnungen sehen möchte. Oh, und dank der Autorin weiß ich nun auch, wofür es keine Bezeichnung zu geben scheint, so z.B. das ... Ding (jap, Kim, ich wüsste auch nicht, wie ich es anders nennen sollte) zwischen Nase und Mund. Wirklich erstaunlich, dass ich mir da vorher nie Gedanken drüber gemacht habe. *g*

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