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Rezension zu
GIER - Wie weit würdest du gehen?

Ein rasanter Science-Thriller über Wachstum, Katastrophe, Gier, Kooperation, Verlierer und Gewinner

Von: Wordworld
29.03.2019

Wenn Fiction zur Realität wird macht Marc Elsberg ein Bestseller daraus. So war es zumindest immer mit seinen Romanen wie zum Beispiel "Blackout", "Zero" oder "Helix". Auch hier hat der Autor wieder ein brandaktuelles Thema in einem rasanten Science-Thriller über Wachstum und Katerstrophe, Gier und Kooperation, Verlierer und Gewinner geschrieben. Zwar geht die Geschichte etwas in eine andere Richtung als ich das erwartet hätte aber dennoch konnte mich der Thriller überzeugen. Das Cover ist in seiner Gestaltung recht aufgeregt mit dem aufgewühlten, schäumenden Meer im Hintergrund, das durch die weißen Gischteinsprengsel sehr dynamisch wirkt. Die roten Lettern des Titels stechen deutlich ins Auge und mit dem beladenen Containerschiff, welches das "I" bildet, ist sind die groben Grundthemen "Konsum", "Wirtschaft" und "Nachhaltigkeit" angerissen. Da sich die Handlung hier aber eher auf das Setting Berlin beschränkt und Mathematik und Wirtschaftstheorien in den Vordergrund treten, hätte ich mir aber doch ein etwas anderes Motiv gewünscht. Sehr passend sind jedoch die sieben Unterteilungen in Großkapitel, welche mit Symbolen und Zitaten verziert sind, welche an Stammbäume oder Baumdiagramme erinnern sowie die Zeichnungen und Diagramme, welche das Verständnis der dargestellten Theorien deutlich verbessern. Die Gestaltung wird dann durch das Lesebändchen in der passenden Farbe zum Titel noch abgerundet. Insgesamt also eine stimmige Gestaltung, die sich aber noch ein bisschen mehr auf das Thema hätte konzentrieren können. Da Marc Elsberg in typischer Weise die personale Erzählperspektive von Absatz zu Absatz zwischen den Protagonisten wechseln lässt, ist von Beginn an klar, dass Jan Wutte Recht hat und hinter dem Mord an Thompson und Cantor etwas Größeres steckt. Wer genau der Auftraggeber des Mordkommandos ist und was dessen Motive sind bleibt jedoch lange unklar und so widmen wir uns mit den Protagonisten der rätselhaften Jagd nach der Wahrheit. Dabei erschafft Elsberg diesmal kein globales Weltuntergangsszenario und zieht seine Handlungsstränge nicht über die ganze Welt sondern beschränkt sich auf den Schauort Berlin. Dabei liest sich die Handlung um das Gerüst wie ein typischer Agenten-Actionfilm. Endlose Verfolgungsjagden, bewaffnete Agenten, brenzlige Straßenschießereien, geheimnisvolle Notizen, plötzliche Entführungen und eine große Verschwörung - auch wenn all diese Elemente weder besonders neu noch wirklich außergewöhnlich sind, bringen sie viel Tempo in die Geschichte und bilden einen Gegenpart zum eher theoretischen, verkopften Herz der Geschichte. An manchen Stellen übertreibt Elsberg vielleicht ein wenig wenn Jan und Fitzroy aus Hotelfenstern auf Dächer klettern, bei einer Gruppe Hausbesetzern Unterschlupf suchen, gegen Profikiller kämpfen und sich selbst in Hochsicherheitsgebiete einschleusen und es scheint als wäre der Autor aus Angst, viele Leser durch die vielen Theorien nicht abzuholen, über das Ziel hinausgeschossen. Ein weiterer interessanter Aspekt mit dem der Autor die Geschichte auskleidet und ihr eine besondere Atmosphäre verleiht ist das düstere, chaotische, apokalyptisch anmutende Setting einer Stadt im Ausnahmezustand. Mit seinem Bild um eine politische Konferenz und Demonstrationen zu einer aufkeimenden neuen Wirtschafts- und Finanzkrise bildet er meiner Meinung nach die aktuellen Denkmuster der Gesellschaft gut ab und bleibt mit der Beschreibung einer Situation ähnlich derer in 2008 nahe genug an der Realität um uns die Gefahr deutlich zu machen. Obwohl durch das Setting, die Demonstranten und auch durch die negative Darstellung der Investmentbanker und Staatschefs immer wieder klare politische Kritik mitschwingt, bleiben die Themen Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Politik dennoch mehr im Hintergrund als erwartet. Im Zentrum der Geschichte liegt natürlich die neuartige Rechenart, die Cantor und Thompson auf dem Gipfel als Lösung präsentieren wollten und deren grobe Züge sich Fitzroy und Jan durch Notizen, Karteikarten und viel Hilfe erarbeiten. Durch die Erklärung der komplexen Mathematik mit einer Metapher und konkreten Beispielen, sind die Theorien durchaus laienkompatibel vermittelt, man sollte dennoch eine grundlegende Affinität zu Zahlen mitbringen, damit man nicht von den Zahlenspielen und Grundlagentheorien gelangweilt wird. Die gründlichen Recherchen und das viele Engagement das der Entwicklung der "Bauernfabel" und der erklärenden Zeichnungen zugrunde liegt, kann ich einfach nur bewundern und mir wurde sowohl die Brisanz als auch die Rechnung hinter der Formel verständlich erklärt. Besonders spannend daran finde ich, dass die Theorie auf den wissenschaftlichen Arbeiten des London Mathematical Laboratory aufbauen und deshalb sowohl mathematisch fundiert als auch hochaktuell ist. Wer jetzt aber glaubt, dass mit dieser neuen Denkart alle Probleme unserer Gesellschaft gelöst werden können, ist auf der falschen Fährte. Vielmehr gibt die Geschichte den mathematischen Beweis für das, was den meisten Menschen ohnehin schon längst klar ist: Durch Kooperation und Teilen kann mehr Wachstum und somit mehr Wohlstand für alle erreicht werden als durch Wettbewerb. Das gibt einen Anreiz, ein wenig umzudenken und die Hoffnung, dass sich etwas ändern kann, wenn genügend Menschen verstehen, dass es so nicht weitergehen kann und auch nicht muss. Was mich jedoch immer wieder aufs Neue an Elsbergs Thrillern stört sind zum Einen seine recht oberflächlich charakterisierten Protagonisten und zum anderen sein abgehackter Stil. Natürlich ist mir klar, dass man auf 448 Seiten und etlichen Perspektivenwechsel keine hochkomplexen, mehrdimensionalen Charakter-Kunstwerke erwarten kann. Dass man aber leider nur sehr wenig über Jan, Fitzroy, Maja und Jeanne erfährt, macht es mir schwerer, ihre Gefahr wirklich nachzuempfinden. Dennoch denke ich, dass der Autor mit einem unterbezahlten Krankenpfleger, einem britischen Profispieler aus gutem Hause, einer schönen, ehrgeizigen Karrierefrau, einer engagierten, starrköpfigen Polizistin, einem ganzen Set aus Profikillern, einigen kommunistischen Demonstranten und einer liebenswürdigen, bodenständigen Omi mal wieder einen spannenden Protagonisten-Mix geschaffen hat, der den Leser abwechslungsreich durch die Geschichte führt. Mit seinen kurzen Sätzen und teilweise seltsamen Formulierungen zu Beginn wollte der Autor wohl für Tempo sorgen, brachte bei mir aber leider eher ein Stirnrunzeln hervor. Gegen Ende nach einem spannenden Showdown, einer mitreißenden Rede und mit einem offenen Ausblick bleibt somit ein recht gemischter Eindruck übrig, der insgesamt aber doch auf einen spannenden, gelungenen Thriller verweist. Fazit: Ein rasanter Science-Thriller über Wachstum und Katastrophe, Gier und Kooperation, Verlierer und Gewinner. Zwar mit anderen thematischen Schwerpunkten und Handlungsrahmen aber dennoch intelligent, mitreißend, brisant und relevant!

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