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SPECIAL zu Oliver Hilmes

Die großen Ziele der Cosima Wagner

Rezension von Mathias Voigt

Oliver Hilmes besichtigt den Grünen Hügel

Zeitgemäß klingt es nicht, zu sagen, dass hinter jedem großen Mann eine große Frau steht. Vielleicht aber kann diese Aussage für die Frau gelten, über die Oliver Hilmes eine ausführliche Biografie von beinahe 500 Seiten vorgelegt hat.

Cosima Wagner, die zweite Ehefrau des Komponisten Richard Wagner, hatte kein einfaches Leben. Möglicherweise erklärt das einige ihrer Wesenszüge, die bisweilen ans Pathologische grenzten. Und sie war eine Frau mit großen Zielen - die allerdings nichts mit Selbstverwirklichung zu tun hatten, sondern ganz auf die Unterstützung ihres Mannes ausgerichtet waren und - nach dessen Tod - auf die Pflege seines Erbes. Untrennbar verbunden mit Cosima Wagners Namen ist denn auch ein besonderes Phänomen der Musikgeschichte: die Bayreuther Festspiele, die seit über 130 Jahren ein gesellschaftliches Ereignis darstellen und Namen und Musik Richard Wagners fortleben lassen. Das ist allerdings schon das Ende der Geschichte. Wie aber fing sie an?

Prolog
Cosima wird 1837 in Como geboren. Ihr Vater ist Franz Liszt. Cosima wächst - wie selbstverständlich - bei Pflegemüttern und der Mutter Liszts auf. Der gefeierte Konzertpianist hat keine Zeit, begleitet die Erziehung der Kinder aber immer wieder durch pädagogische Einlässe. So schickt er die Gouvernante seiner neuen Lebensgefährtin nach Paris, um Cosima und ihre Geschwister von ihr erziehen zu lassen, und untersagt den Kontakt zur Mutter. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr durchläuft Cosima ein, so Hilmes, furchterregendes Erziehungsprogramm. Aus jener Zeit herrührend diagnostiziert der Biograf eine "freudige Neigung zum Leiden, die mit demutvoller Opferbereitschaft in Verbindung mit Stolz und absoluter Selbstbeherrschung einherging". Diese Eigenschaften scheinen Cosima ihr Leben lang auszuzeichnen.

Liebe als (Selbst-)Aufgabe
Mit der Billigung ihres Vaters heiratet Cosima Hans von Bülow, den Sohn einer weiteren Ziehmutter. Mit dem exzentrischen und einflussreichen Dirigenten und Pianisten, dem sie wohl eher freundschaftlich als aus Liebe verbunden war, hat sie zwei Kinder. Durch ihn lernt Cosima den 24 Jahre älteren, damals bereits berühmten Richard Wagner kennen und gebiert ihm noch während der Ehe mit Bülow zwei Töchter und später den Sohn Siegfried. Wagner und Cosima heiraten und machen sich an ihre vielleicht wichtigste Lebensaufgabe: die Etablierung eigener Bühnenfestspiele, deren "Leitung natürlich mir gänzlich allein nur in die Hände gelegt werden darf", wie Richard Wagner dem bayerischen König selbstbewusst mitteilt. Cosima kümmert sich mit um die Finanzierung und die künstlerische Umsetzung. Nach dem Tod Wagners 1882, der nur zwei Festspielsaisons leiten kann, übernimmt Cosima die Führung und bringt das Familienunternehmen durch schwierige Zeiten. 1907 übergibt sie die Leitung an ihren Sohn Siegfried. 1930 verstirbt die "Herrin des Hügels" in Bayreuth.

"Ein Weib größeren Stils"
Die Biografie von Oliver Hilmes schildert eine Epoche und einige ihrer herausragendsten Protagonisten: den Kreis um Richard Wagner. Im Mittelpunkt steht eine Frau, deren Verhalten oft befremdlich wirkte: Da ist der Antisemitismus, den Cosima schon pflegt, bevor sie Wagner kannte. Gleichzeitig bleibt auf dem "Grünen Hügel" von Bayreuth (der deutsche Jude) Hermann Levi einer der wichtigsten Dirigenten - weil dies der Wille Wagners gewesen sei. Da ist die spätere konsequente Hinwendung des Wagnerschen Familienclans zum Nationalsozialismus. Seit 1923 ist Adolf Hitler regelmäßiger Gast der "Villa Wahnfried", und schon vorher prägen nationalistische Töne Publikationen wie die "Bayreuther Blätter".

Von Nietzsche sind die beinahe bewundernden Sätze überliefert: "Frau Cosima Wagner ist das einzige Weib größeren Stils, das ich kennengelernt habe, aber ich rechne es ihr an, dass sie Wagner verdorben hat." Gemeint ist damit, dass diese Frau selbst gestaltet hat, wenn auch sicherlich in der Unterordnung unter den "Meister", wie Wagner genannt wurde. Nach seinem Tod gelang es Cosima, selbst zur "Meisterin" zu werden. So zwiespältig Person und Taten sind, so spannend und ungewöhnlich ist das Leben dieser charismatischen Frau. "Herrin des Hügels" zeigt dies auf sehr facettenreiche Weise, auch weil der Autor Oliver Hilmes ganz neue Quellen für diese Biografie erschließen konnte.

Mathias Voigt
(Literaturtest, Berlin)