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Rezension zu
Monte Verità

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Der Traum des guten Lebens

Von: Fräulein Julia
19.01.2018

Sie waren die Hippies der Jahrhundertwende: Um 1900 entstand in Ascona die Gemeinschaft auf dem Monte Veritá. Stefan Bollmann erzählt ihre Geschichte. Aus der Gesellschaft aussteigen – sofern das überhaupt möglich ist – und an einem idyllischen Ort eine neue Gemeinschaft mit eigenen Regeln gründen: Dieser Traum hat sich nicht erst während der Blütezeit der Hippies Ende der 1960er in den Köpfen andersdenkender Menschen festgesetzt. Was noch heute in kleineren Landkommunen besteht, geht bis auf das Jahr 1900 zurück. Als das neue Jahrhundert begann, wurden bei so manchem die Zweifel laut. Soll das unser Lebensentwurf sein? Der rasante Fortschritt von Industrialisierung und Technik, die verqualmten Städte, der Lärm auf den Straßen, die Armut, die fehlende Verbindung zur Natur? Eine kleine Gruppe entschied sich dagegen, sich weiter diesem Geziehe und Gezerre auszusetzen und wanderte gemeinsam nach Ascona. Ida Hoffmann und ihre Schwester Jenny, Henri Oedekoven, Karl und Gusto Gräser und Lotte Hattemer fanden dort einen Berg, den sie als ideal für ihr Vorhaben betrachteten: Ein Leben mit und in der Natur, ohne Korsett und spitze Schuhe, Monokel und Vatermörder – nur Luft, Licht und Liebe in schnörkellosen Holzhütten und mit rein veganer Kost und „Sonnenlichtnahrung“. Immer mehr alternativ gesinnte Menschen bekamen Wind von den Aussteigern und machten sich ihrerseits auf den Weg zum Monte Veritá – dem „Berg der Wahrheit“, wie ihn die neuen Siedler getauft hatten. Hermann Hesse holte sich beim Nacktbaden einen Sonnenbrand am ganzen Körper, und Erich Mühsam suchte sich Gleichgesinnte für seine anarchistischen Anliegen (eine Leichtigkeit, war doch das gesamte Unternehmen in gewisser Weise Anarchismus pur). Karl Gräser und Jenny Hoffmann, zwei der Gründer, versuchen außerhalb des entstandenen Sanatoriums eine völlig autonome Lebensweise in der Natur zu etablieren und scheitern letztendlich an ihren eigenen Ansprüchen. Stefan Bollmann hat für dieses Buch sicherlich eine längere Recherche-Zeit benötigt, denn: die Gemeinschaft auf dem Monte Veritá war über die Landesgrenzen, ja sogar bis in die USA bekannt und entfachte immer wieder die Sehnsucht von Menschen, die mit den starren Regeln des Kaiserreichs nicht zurecht kamen. Diese weit verzweigten Beziehungen unter einen Hut zu bekommen, war sicherlich nicht leicht – und führt im Falle dieses Buches auch dazu, dass man in etlichen kleinen Kapiteln leider immer nur einen kurzen Einblick in die verschiedenen Lebensgeschichten bekommt. Wie ging es denn mit Gusto Gräser weiter? Und welche Rolle spielte Gustav Nagel, der „Naturmensch und Wanderprediger“? Als Leser möchte man gelegentlich kapitulieren vor der schieren Flut an auftauchenden Namen und behält letztendlich nur das Wesentliche im Kopf: Ida, Henri, Ascona, Berg, nackt sein, keine Tiere essen, Lichthütten und Sonnenbad. Was im Klappentext als „mitreißendes Panorama“ beschrieben wird, ist eher ein – dadurch aber nicht weniger ansprechendes – sachlich zusammengestelltes Konglomerat aus Informationen rund um den Monte Veritá und seine rätselhaften Bewohner. Als Einstieg in die Thematik ist das eine schöne Sache – von hier aus können die privaten Recherchen dann tiefer führen.

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