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Rezension zu
Herbst

Die Sprache ist wie Mohnblumen...

Von: Kate Rapp
04.02.2021

Das neue Buch von Ali Smith Herbst, dem ersten Roman aus einem geplanten Jahreszeitenquartett, als Brexit-Roman zu bezeichnen wird diesem Werk nicht im Entferntesten gerecht. Ihr ist, meiner Meinung nach, ein wunderbar poetisches, melancholisches Buch über Freundschaft und Abschied (was der Brexit ja nun zugegebener Weise auch ist) gelungen, mit einigen bizarren, beinahe kafkaesken Elementen. Elisabeth Demand, 32 Jahre alt, besucht ihren alten Freund und ehemaligen Nachbarn Daniel in einem Altenpflegeheim und liest ihm, während er vor sich hindämmert, vor. Denn „Was liest du gerade“ war seit ihrer ersten Begegnung ihre persönliche, geradezu intime Form der Begrüßung. Daniel eröffnete der zwölfjährigen Elisabeth damals die Welt der Fantasie in Büchern und Kunst, poetische Beschreibungen und wundersame Wortspiele verzaubern nicht nur das Mädchen sondern auch mich als Leserin: „Das Wort Gymkhana, sagte Daniel, ist wunderbar, ein Wort, das ein Gewächs aus mehreren Sprachen ist. Wörter sind keine Gewächse, sagte Elisabeth. O doch. Wörter sind keine Pflanzen. Wörter sind ihrerseits Organismen, sagte Daniel. Oregano-ismen, sagte Elisabeth. Herbal und verbal, sagte Daniel. Sprache ist wie Mohnblumen….“ In diesem Roman mischen sich Rückblenden aus Elisabeths Kindheit mit Passagen aus der Innenwelt des schlafenden Daniel und Elisabeths aktuell neu belebter Beziehung zu ihrer Mutter. Dabei gelangen Bilder von Stränden mit tot angespülten Flüchtlingen in die Traumsequenzen, traumartige Bildbeschreibungen einer lange vergessenen Pop-Art-Künstlerin in die Rückblenden und bizarre bürokratische Alptraumszenarien in Elisabeths Realität. Ja, es wird auch die Brexit-Abstimmung, die aufgeheizt-missmutige Stimmung im Land, die Armut und Abschottung unterhaltsam aber distanziert thematisiert: „Heute sind die Nachrichten wie eine überdrehte Schafherde, die einen Steilhang hinabgetrieben wird. (…) Thomas Hardy auf Speed.“ Doch es ist Hoffnung zu verspüren, obwohl Orwells Schöne neue Welt, Balzacs Chagrinleder und Das eiserne Herz bemüht werden: Elisabeths Mutter sucht nach Kostbarkeiten in altem, verstaubtem Gerümpel und findet dabei die große Liebe. Und letztendlich schließt das Buch nicht mit dem befürchteten Tod Daniels, sondern mit seinem Erwachen und dem letzten Erblühen einer späten Rose. Ein wirklich wunderbares Buch! Ich freue mich schon sehr auf die nächsten Jahreszeiten.

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