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SPECIAL zu Charlotte Link

"Ich will richtig gut unterhalten."

Sommer 1914
Noch träumt die 18jährige Felicia Degnelly von einem sorglosen und luxuriösen Leben und der großen Liebe. Die Aufenthalte in Lulinn, dem ostpreußischen Gut ihrer geliebten Großeltern nahe der Stadt Insterburg, nähren ihre Verbundenheit mit dem Land und ihrer Familie, die seit dreihundert Jahren auf diesem Grund und Boden ansässig ist.

In den Familiensommern auf Lulinn trifft sie Onkel Victor, Tante Gertrud und ihre Cousine Modeste, Onkel Leo, Tante Belle und deren Mann Julius von Bergstrom, Oberst der russischen Armee, mit Tochter Nicola, die aus Petersburg anreisen.

Sie verbringt Zeit mit ihren Brüdern Christian und Johannes und deren Freunden sowie den Jungen der benachbarten Güter, wie Benjamin und Albrecht Lavergne. Nicht zuletzt begegnet sie dort Maksim Marakov, Sohn eines Russen und einer Deutschen, der das Herz des ungezähmten Mädchens erobert.

Liebe kontra Revolution
Felicia, die ansonsten in Berlin ein mondänes Leben führt, ist ganz und gar für den attraktiven jungen Mann entflammt. Doch seit zwei Sommern ist eine zunehmende Fremdheit an die Seite ihrer vormals so innigen Verbundenheit getreten. Zwar übt sie nach wie vor eine tiefe Wirkung auf Maksim aus, dennoch spürt die elegante und lebenshungrige Felicia, dass ihre Liebe und ihrer beider Verbindung nicht sein vorrangiges Lebensideal sind.

"Seine Gedanken waren gefesselt von einer Idee, nicht von ihr. Er sagte nie, was andere Männer sagten, wenn sie mit ihr zusammen waren, etwa: "Du bist sehr hübsch!" Nein, von ihm kamen seltsame Worte wie Umsturz, Weltrevolution, Umverteilung des Eigentums, Enteignung der besitzenden Klasse."

Die grauen Augen der Frauen von Lulinn
Die Bewunderung, die sie zu empfangen begehrt, wird ihr durch einen Bekannten ihres Bruders Johannes zuteil. Alex Lombard, Sohn des vermögenden Textilfabrikanten Severin Lombard aus München, entdeckt ein von Onkel Leo gemaltes Portrait Felicias in ihrem Berliner Elternhaus und ist hingerissen von dem Mädchen.

Gebannt ist Lombard nicht allein von den immer wieder beschworenen grauen Augen der Frauen von Lulinn, er erkennt auch einen gewissen kalten Zug in Felicias Gesicht, der ihren tiefsten Charakter zu offenbaren scheint und Alex Lombard verrät: "Frauen wie sie ertragen es nicht, angebetet zu werden." Diese geradezu hellsichtige Wahrheit hindert ihn keinesfalls daran, sich in das Mädchen zu verlieben, dessen Bekanntschaft er noch gar nicht gemacht hat. Doch als sie sich begegnen, ist er klug genug, ihr seine tiefen Gefühle nicht allzu deutlich zu offenbaren …

Der Krieg beginnt
Als der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau in Sarajewo erschossen werden, gerät ganz Europa in den Strudel der Konflikte. Im August bricht der Erste Weltkrieg aus. Felicia, die den Ernst der Lage nicht überblickt, beginnt, das Leben auf Lulinn ebenso langweilig wie ungemütlich zu finden: "Jeder sprach nur noch über den Krieg."

Die Verwandten reisen ab, die Freunde melden sich zum Kriegsdienst und der Großvater liegt mit einem Herzleiden krank danieder. Nur sechzig Kilometer von der russischen Grenze entfernt, ist er ist zu krank das Gut zu verlassen. Trotz mahnender Worte ihrer Mutter und Großmutter, beharrt Felicia darauf, auf Lulinn zu bleiben. Und während im Obergeschoss ihr Großvater stirbt, wird das unerschrockene Mädchen zum ersten Mal mit russischen Soldaten konfrontiert, die in das Gutshaus eindringen und denen sie sich tapfer und wirkungsvoll entgegenstellt.

Die Großmutter reist mit ihrer Enkelin nach Königsberg, wo Felicia auch Maksim erneut begegnet. Er verhöhnt sie ob ihrer großbürgerlichen Ansprüche, doch hilft er ihr, einen Zug zu finden, der sie nach Berlin zu ihrer Familie bringt. Dort schließlich kommt es zu einem ersten Treffen mit Alex Lombard.

Eine schicksalhafte Begegnung mit Alex Lombard
Der reiche Lombard führt Felicia zum Essen aus und verwöhnt sie mit Austern, Kaviar und Champagner. Der Luxus lässt sie den Krieg und die verhassten vaterländischen Strickkränzchen ihrer Mutter ein wenig vergessen. Außerdem bemerkt sie an Lombard eine gewisse Ähnlichkeit zu Maksim Marakow und lässt sich sogar in einen Nachtclub einladen, eine Premiere in ihrem jungen Leben.

Dort, in Berlins Halbwelt, in der alle versuchen ihre Gedanken an das Kriegsgeschehen hinter sich zu lassen, trifft sie Maksim wieder. Er ist in Begleitung einer hübschen Frau, einer Russin, die er Felicia vorstellt. Sie ist durch dieses unverhoffte Zusammentreffen ins Mark getroffen. Bereitwillig lässt sie sich auf Alex Lombards Savoir vivre ein und trinkt mit ihm Whiskey - und zwar mehr als ihr gut tut. Dieser nutzt zwar die Lage nicht für sich aus, doch macht er Felicia am nächsten Morgen einen Heiratsantrag und ihre gekränkte Seele - oder ist es nur ihre verletzte Eitelkeit? - lässt Felicia einwilligen.

Das Geld und die Liebe
Sie ehelicht Alex Lombard und kommt so zu Vermögen. Zwar spielt gegenseitiges Begehren eine Rolle, doch gibt es zwischen den frisch Vermählten weder Liebe noch Zärtlichkeit. Als Maksim bei ihnen auftaucht, um von ihr Geld zu erbitten, mit dem er nach Russland gehen will und Alex zufällig Zeuge wird, wie Felicia Maksim ihre Liebe offenbart, kühlt sich das Verhältnis der Eheleute noch weiter ab. Sie wendet sich an Alex Vater, den erfolgreichen Textilfabrikanten, mit dem sie das Interesse am Geldverdienen vereint.

Doch da ist auch noch Kassandra, Alex' jüngere Schwester, mit der Felicia eine langanhaltende aber durchaus wechselvolle Freundschaft eingeht. Für sie interessiert sich Tom Wolf, der Emporkömmling aus kleinen Verhältnissen, der mit seiner Textilfabrik in Konkurrenz zu den Lombards getreten ist. Wolf, der sich nichts sehnlicher wünscht, als von der gehobenen Münchener Gesellschaft akzeptiert zu werden, holt sich bei Kassandra ein ums andere Mal einen Korb.

Der Krieg dauert an, Felicias Ehe ist alles andere als glücklich und durch Alex Lombards Alkoholprobleme verschlechtert sich ihr Verhältnis mehr und mehr. Als sie überlegt, wie sie dieser Situation und ihrem Mann entkommen kann, greift Felicia zu drastischen Mitteln. Sie meldet sich freiwillig als Pflegekraft und zieht als Krankenschwester an die Ostfront.

Das Ende vom Lied?
Mit diesem Entschluss endet das erste Buch der "Sturmzeit". Es wartet nichts Gutes auf sie an der Front. Überhaupt erleidet die Familie zahlreiche Verluste. Felicias Vater stirbt, ihr Bruder Christian und sein Freund Jorias fallen bei Verdun, und ihr Onkel Leo wird als Deserteur erschossen.

Letztlich meldet sich auch Alex freiwillig zum Dienst an der Front. Als Felicia nach einer dramatischen Flucht vor der Russischen Revolution und vielen Wirren wieder bei ihrer Mutter in Berlin eintrifft, zieht sie ein Resumee des Krieges: "Das also ist das Ende vom Lied, dachte sie bitter, wir sitzen da und zählen unsere Toten."

Doch ihr Leben ist nicht vorbei, ganz im Gegenteil. Felicia ist schwanger von Maksim, den sie in Russland wieder getroffen hat. Zudem geht es darum, Lulinn zu erhalten. Und so macht sie, die Unbeugsame, schon wieder neue Pläne für ihre Familie, das Gut und für ihr eigenes
Leben …

Die Protagonistin

Sie ist dunkelhaarig, hat intensive graue Augen und schöne, gleichmäßige Gesichtszüge. Felicia Degnelly ist eine Frau, die Männerherzen höher schlagen lässt. Doch die klassischen Rollenbilder erfüllt sie nicht. Sie ist ein Mensch voller Leidenschaft, furcht- zuweilen sogar skrupellos, wenn es um ihre ureigensten Interessen geht. Ihre Stärke und ihre Unabhängigkeit machen sie zu einer Heldin par excellence.

"Du kannst dich nicht für eine Sache engagieren, sondern nur für dich selbst", schleudert Alex im Streit seiner Frau entgegen und blickt ihr damit tiefer ins Herz als ihr lieb ist. Geraume Zeit später wird Maksim ihr wütend eine ähnliche Einschätzung an den Kopf werfen: "Du bist egozentrisch und eigensüchtig, du kennst keine Ideale, du scherst dich einen Dreck um die Welt, und wenn du dich für etwas einsetzt, dann nur für deine Belange, aber das, meine Liebe, soviel muß ich zugeben, das tust du mit Eigensinn, Mut und vollkommen unabhängig von den Ansichten anderer."

Eine Gratwanderung zwischen Stärke und Starrsinn
Felicia Degnelly, die das Familiengut Lulinn im Hintergrund hat, erinnert nicht selten an die unbeugsame Scarlett O'Hara, die auf ewig mit dem Landsitz Tara verbunden ist. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass auch die Titel von Margaret Mitchells "Vom Winde verweht" und "Sturmzeit" Ähnlichkeit aufweisen. Auch die epische Breite, mit der mehr als eine Generation in den Blick genommen und mit dramatischen zeitgeschichtlichen Entwicklungen konfrontiert wird, ist beiden Werken gemein.

Wie bei Scarlett sind es zwei Männer, zwischen denen Felicia in ihrem Stolz und Eigensinn hin und her pendelt, ohne je ein tiefempfundenes und warmherziges Gefühl von Zugehörigkeit und echter Nähe zu empfinden. Auch Emily Brontës Klassiker "Sturmhöhe" ("Wuthering Heights") wartet mit einer vergleichbaren Heldin auf: Cathy Earnshaw, ebenfalls ein Musterbild einer leidenschaftlichen und willenstarken Frau.

Einladung zur Identifikation?
Die Kämpferinnen sind meist schön und stolz; sie erregen Aufmerksamkeit und Bewunderung. Liegt darin das Geheimnis, warum diese Heldinnen auch von den Frauen gemocht werden? Denn zur Identifikation eignen sie sich nur bedingt. Felicia erweist sich als kaltherzig und berechnend. Sie lügt, um ihre Ziele zu erreichen, benutzt andere Menschen - vorzugsweise ihre Ehemänner - als Mittel zum Zweck. Welche Frau wollte so charakterisiert werden und dafür auf wahrhaftige und tiefe Beziehungen verzichten?

Geliebt und gewöhnlich - oder ungewöhnlich und ungeliebt?
Auch den eigenen Kindern bringt Felicia wenig Gefühl entgegen und bleibt seltsam unbeteiligt. Karriere und Unabhängigkeit stehen für sie mehr im Vordergrund als ihr Nachwuchs. Felicia lebt alles andere als ein moralisch einwandfreies Leben. Ihre Motive wie auch ihre Handlungen bleiben ambivalent.

Die Genese dieses Frauentyps schrieb Charlotte Link in einem Interview ihrer Jugend zu: "Ich war wesentlich jünger als ich anfing. Und habe ein Frauenbild gezeichnet, das ich ungeheuer toll fand. Stark, unabhängig, entschlossen, Niederlagen einsteckend, immer weitermachend. Wenn man älter wird, bekommt man ein differenzierteres Frauenbild. Jetzt finde ich es auch sehr interessant über Frauen zu schreiben, die eine ganze Menge Schwächen haben."

Vielleicht speist sich also Felicias starkes Ego aus der jugendlichen Rebellion gegen gesellschaftliche Konventionen und die klassischen Erwartungen an das traditionelle Rollenbild der Frau. Mindestens sorgt ein solcher Charakter für dramatische Schubkraft und treibt die Handlung voran. Und vielleicht liegt die Faszination dieser starken Frauen vor allem im Kontrast zu dem, was von Frauen auch heute noch vielfach erwartet wird: Selbstaufopferung, Zurückhaltung, Nachgiebigkeit und Bescheidenheit. Felicia erlaubt den Traum von einem Handeln, das geltende Normen souverän missachtet - doch die Autorin, die diesen Traum gestaltet, lässt ihre Heldin einen hohen Preis dafür zahlen.

Hörprobe

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