Wie wichtig ist euch Musik, welche Rolle spielt Musik in eurem Leben?
Heutzutage dudelt Musik fast überall wo man ist. Die meisten Menschen hören Musik inflationär. Musik beim Einkaufen, Musik in Zahnarztpraxen, Musik im Hintergrund während der Arbeit, Musik aus Autos die in Wohnungen und Häuser dringt. Ich bin ehrlich, mich nervt diese Entwicklung, nicht selten fühle ich mich durch sie gestresst. Dabei ist Musik doch etwas Wunderbares, Faszinierendes. Genauso wie zwischenmenschliche Beziehungen. Daniel Barenboim versucht in seinem Buch „Klang ist Leben Die Macht der Musik“ Verbindungen zwischen der Musik und dem Leben aufzuspüren. Dabei richtet sich dieses Buch, wie er selber schreibt, an Musiker, Musikerinnen und an Nicht Musiker, Nicht Musikerinnen.
Zusammen mit Edward Said hat Daniel Barenboim das West-Eastern Divan Orchestra gegründet. Ein Orchester in welchem Palästinenser und Israelis, Christen, Juden und Muslime zusammen musizieren. Die Musik schafft die Möglichkeit eine gemeinsame Sprache zu finden und Daniel Barenboim zeigt auf, wie wichtig ein Zusammenspiel im Orchester ist, genauso wie im Leben. Wie wichtig es ist gehört zu werden, aber auch die anderen zu hören. Eine Fähigkeit die mehr und mehr verloren geht. Jeder hat seine Meinung. Die meisten leider ohne viel Wissen. Das Miteinander geht mehr und mehr verloren. Es ist oft nur noch ein Gegeneinander. Ein den anderen von seiner Meinung überzeugen wollen. Nicht anhören. Nicht Reflektieren. Sich nicht in die Lage eines anderen versetzen wollen oder können. Verständnis fehlt. Zuhören fehlt. Liebe fehlt. Orchester bedeutet Gemeinsamkeit, bedeutet den anderen Musikern, Musikerinnen zu hören, sich auch mal unterordnen, sich auf die anderen Musiker, Musikerinnen einlassen, das Tempo forcieren, Zurückhaltung. Vielleicht gäbe es viele zwischenmenschliche Probleme, gesellschaftliche Herausforderungen, politische Krisen und Kriege nicht, wenn die Menschen mehr in der Lage wären, sich auf die Argumente eines anderen einzulassen, wenn sie begreifen könnten, dass es oft nicht nur schwarz oder weiß gibt, wenn sie eine Möglichkeit für sich sehen könnten, dass sie an den Argumenten eines anderen wachsen könnten.
Für mich ist „Klang ist Leben Die Macht der Musik“ eine Offenbarung gewesen. Besonders in Zeiten wie diesen ist es Balsam für meine Seele, ein solches Buch lesen zu können. Ich habe viel Neues über Orchesterarbeit erfahren. Bin auf neue Gedankengänge geführt worden. Habe Verbindungen zwischen Musik und Leben erfahren, auf die ich ohne dieses Buch nicht gekommen wäre. Es ist ein kluges Buch, von einem Menschen geschrieben, der lebt und fühlt was und worüber er schreibt.
Daniel Barenboim sagte: „Musik ist etwas, das uns hilft, die Welt zu vergessen, und Musik ist etwas, wodurch wir die Welt verstehen können.“ In seinem Buch erzählt Daniel Barenboim auch über die Geschichte Israels und rotiert dabei, er zeigt auf, er erklärt, er weist hin, auf eine so einfühlsame Art und Weise wie ich selten zu diesem Thema jemanden habe reden hören oder schreiben sehen. Er verurteilt niemanden. Nimmt dabei immer wieder Bezug auf die Musik, auf die Orchesterarbeit und ich fand es faszinierend immer wieder zu erfahren, wie viele Parallelen zwischen Leben und Musik er aufzeigt, wie viele Konflikte vielleicht nicht entstehen würden, wenn die Menschen mehr zusammenspielen würden, wenn mehr Menschen in der Lage wären, die Position eines anderen zu verstehen. Wirklich zu verstehen. Nicht nur glauben verstanden zu haben.
Kultur verbindet, Kultur kann Menschen einander näher bringen, Kultur kann das Verständnis füreinander vergrößern und damit die Toleranz. Somit ist dieses Buch auch ein Hoch auf die Kultur. Ein Hoch auf die Menschlichkeit und auf das Miteinander. Zuhören. Verstehen. Sich selber vielleicht auch mal heraus nehmen.
Ich kann nicht sagen, ob es anhalten wird, aber seitdem ich dieses Buch gelesen haben, höre ich Musik anders, versuche mich intensiver auf sie einzulassen. Sie zu verstehen.
„Klang ist Leben Die Macht der Musik“ ist kein einfaches Buch und ich kann mir vorstellen, dass ein Musiker, eine Musikerin es nochmals ganz anders lesen und verstehen wird, als ein Nicht Musiker, Nicht Musikerin, die ich bin. Es ist, wie ich finde, ein auf jeder Ebene sehr wertvolles Buch, das besonders in diesen Zeiten den eigenen Horizont erweitern und sensibilisieren kann.
