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Rezension zu
Herrschaft der Dinge

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Dem Konsum auf den Grund gehen

Von: Buchzeilen
28.02.2018

Dies ist eines jener Bücher, bei denen man nach der Lektüre ein wenig stolz auf sich ist, bis zum Ende drangeblieben zu sein. Dieses Bollwerk an Fakten, Statistiken und Beispielen verlangt dem Leser viel Aufmerksamkeit, Genauigkeit, Zeit und anhaltende Neugier ab. Aus diesem Grund würde ich behaupten, dass es auf ein spezifisches Publikum abzielt und nicht für jeden Leser geeignet ist. Ein Interesse an historischen Ausführungen, Zahlen sowie Denkern und Philosophen sollte vorhanden sein. Die Intention des Buches beschreibt der Autor folgendermaßen: "In der Fülle der Detailerkenntnisse offenbart sich eine heillose Fragmentierung des Wissens. Man sieht gleichsam den Wald vor lauter Bäumen nicht. Im vorliegenden Buch wird versucht, die zerstreuten Einzelteile zusammenzufügen und die Lücken zu füllen, um ein Gesamtbild zu erhalten. Anstatt nur die Ursprünge oder den heutigen Überfluss zu fokussieren, strebe ich an, die Entwicklung vom 15. Jahrhundert bis heute nachzuvollziehen." (S. 31) Trentmann beschreibt im ersten Teil des Buches die Entwicklung des Konsums und den dazugehörigen Aspekten anhand einer Fülle von konkreten Beispielen und Ländern auf der ganzen Welt. Dieser Weitblick gemischt mit einer gleichzeitigen Tiefe bei bestimmten Themenfeldern gehört zu den Stärken des Buches. In diesem Teil integriert er immer wieder Stellungnahmen bedeutender Theoretiker (Marx, Decartes, Rousseau, Weber) und weniger bekannter Persönlichkeiten. An manchen stellen waren mir die Beschreibungen und Beispiele zur Erklärung eines einzigen Phänomens zu zahlreich, beispielsweise die lange Abhandlung über Wasserzähler, Gas und Strom. Für ein Studienbuch wäre dies angemessen, aber weniger für den interessierten Durchschnittsleser. Im zweiten Teil betrachtet der Autor Phänomene der Gegenwart wie Abfall oder Fair Trade und stellt sie in einen historischen Kontext. Der Autor richtet seinen Blick auf die verschiedenen Akteure sowie auf die negativen und positiven Konsequenzen des Konsums. Die historische, philosophische und empirische Tiefe ist beeindrucken. Besonders gelungen und interessant waren meiner Ansicht nach die Erläuterungen zum Thema Luxusgesetze, Eigenheim, Fair Trade und Wegwerfgesellschaft. Gleichzeitig ist es in Anbetracht des enormen Umfangs und des wenig detaillierten Inhaltsverzeichnisses schwierig, bestimmte Informationen im Nachhinein wiederzufinden. Eine bessere Strukturierung würde das Buch auch lange nach der Lektüre leichter nutzbar machen, ohne wieder von vorne lesen zu müssen. Dem Autor gelingt es, Zusammenhänge verschiedenster Art darzustellen, wie z.B. die Wechselwirkung zwischen Konsum und Phänomenen wie Freizeit, Ressourcenverbrauch, Demokratie, oder auch die Geschlechterrollen. Dabei trifft er einen neutralen Ton und begründet gewisse Einschätzungen sachlich und ausgewogen, denn er ist Anhänger eines "historischen Realismus" (S. 915). Trotzdem scheut es Trentmann nicht, moralische Fragen im Zusammenhang mit Konsum zu stellen, z.B. ob der ethische Konsum zielführend ist. Er erfasst die Probleme und Herausforderungen des Konsums in Bezug auf den Einzelnen sehr genau. "Im wirklichen Leben sind die Menschen nicht daran gewöhnt, täglich neue Konsumentscheidungen zu fällen. All das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In den Fairtrade-Kampagnen wird die individuelle Auswahlmöglichkeit als der beste Weg zum ethischen Konsum bezeichnet. Aber ethische Erwägungen sind, wie auch die Preisempfindlichkeit, nur ein Teil dessen, was im Kopf eines Konsumenten vorgeht. Um sich einen neuen, ethischen Lebensstil aneignen zu können, müssten Menschen auch tief verwurzelte Gewohnheiten ändern."(S. 763) Im Epilog reflektiert der Autor auf kritische Weise diverse Denk- und Handlungsansätze zum Umgang mit dem Konsum und seinen Folgen. Dabei entwickelt er keine Schritt-für-Schritt-Anleitung sondern nimmt in seinen Überlegungen vielmehr einen größeren gesellschaftlichen und politischen Blickwinkel ein. Letztendlich zeigt das Buch deutlich: Egal welche Fortschritte hinsichtlich der Dematerialisierung, Technologie und politischen Verordnungen bzw. Beschränkungen erzielt wurden, es kommt allenfalls zu einer Verlagerung des Konsums, wenn sich der Einzelne nicht mit Verzicht auseinandersetzt. Dennoch nimmt Trentmann der Politik und Öffentlichkeit nicht die Verantwortung ab. Eine Empfehlung für alle, die dem Konsum historisch tief auf den Grund gehen wollen!

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