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Rezension zu
Kleine große Schritte

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein gut gemeintes Buch mit grausamer Übersetzung

Von: Elif
18.11.2017

Meine Meinung Jodi Picoult ist eine Autorin, die den meisten ein Begriff sein dürfte. Jodi Picoult ist außerdem eine weiße Autorin, die sich einem sehr schwierigen Thema angenommen hat: Rassismus. Das ist schon mal etwas, was ich prinzipiell kritisieren würde: Dass sie als Nicht-Betroffene darüber schreibt und den Platz im Verlag einer potentiellen Autorin wegnimmt, die aus eigener Erfahrung darüber schreiben könnte und ohnehin durch ihre Hautfarbe schwierigere Voraussetzungen hat, ein Buch zu veröffentlichen. Warum also tut Picoult das, obwohl sie weiß, dass es strukturellen Rassismus gibt? Ich hätte mir gewünscht, das Nachwort des Buches wäre am Anfang gewesen. Dort erklärt Picoult, dass das Buch vor allem für diejenigen ist, kein Problem damit haben, einen Skinhead rassistisch zu nennen, den eigenen Rassismus aber nicht erkennen – und dass sie selbst so jemand war/ist. Also schreibt sie für Leute wie sie – weiße Leute. Ich glaube, die durchschnittliche Picoult-Leserin wird wohl auch eine weiße, mittelständische, westliche Frau sein, weshalb sie ihre Zielgruppe sicher erreicht. Und ich habe wenig daran auszusetzen, dass die Autorin da, wo sie Einfluss hat, etwas bewirken möchte. Ihren Einfluss nutzt sie allerdings auf eine eher plakative Art. Ich habe schon ewig kein Buch mehr von der Autorin gelesen, ich weiß nicht, ob sie immer so schreibt (à la Fitzek und Hoover), aber die Situation um eine Schwarze Krankenschwester, einen weißen Nazi und eine weiße Anwältin war schon sehr dazu verdonnert, das Bewusstsein mit einer Brechstange zu wecken. Vieles las sich eher wie eine Aneinanderreihung an (anti-)rassistischem Knowhow und als hätte Picoult einfach alles unterbringen wollen, was sie gelernt und gelesen hat, damit es auch ja die letzte Person versteht. An einer Stelle fragt die 4-jährige Tochter der Anwältin den 17-jährigen Sohn der Angeklagten, ob seine Kette bedeute, dass er ein Sklave sei. Solche und ähnliche Situationen wirkten für mich einfach zu konstruiert, um als Geschichte und Roman zu funktionieren. Auch handelten einige Charaktere manchmal sehr unstimmig zu dem, wie sie sonst dargestellt wurden. Was ich im Nachhinein ebenfalls unglücklich finde, ist, dass die Anwältig eine Art White Saviour wird – hat mich ein bisschen an To Kill A Mockingbird erinnert, das auch antirassistisch sein will, es aber nicht schafft. Zugegeben, Picoult gelingt es besser als Lee. Es werden auf nahezu jeder Seite Themen angesprochen wie Mikroaggressionen, Alltagsrassismus, Colourism und was alles dazu zählt. Zum Beispiel auch der Satz der Anwältin, sie sähe keine Farben. Der_die Leser_in wird an die Hand genommen und durch dieses riesige Feld geführt, das Rassismus ist. Bei Menschen, die sonst mit dem Thema nicht viele Berührungspunkte haben, kann das sicher erkenntnisreich sein. Wenn allerdings schon ein bestimmtes Wissen vorhanden ist, ist das Buch kein Muss. Womit ich auch schon beim nächsten Punkt wäre: Schwarzen Menschen und PoC würde ich das Buch und insbesondere die deutsche Übersetzung (dazu gleich mehr) nicht unbedingt empfehlen. Es ist, wenn auch authentisch, doch sehr krass, dass in den Kapiteln des Nazis ganz oft das N-Wort und andere gewaltvolle Worte auftauchen. Da müsst ihr abwägen, ob ihr das lesen möchtet. Nun zur deutschen Übersetzung. Der C. Bertelsmann-Verlag hat es leider geschafft, ein antirassistisch gemeintes Buch durch die Übersetzung rassistischer zu machen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass das Lektorat sprachsensibler und rassismuskritischer gewesen wäre und hoffe, dass da vielleicht noch Änderungen vorgenommen werden, denn: „People/Person of Colour“ bedeutet übersetzt nicht „Farbige“. Im Gegenteil. „Farbige ist ein rassistisches, vom Kolonialismus geprägtes Wort, das eine Fremdbezeichnung von Weißen war/ist. Das Äquivalent ist „coloured“. „People of Colour“ hingegen ist eine Selbstbezeichnung. Ich weiß, dass es davon keine gute deutsche Übersetzung gibt. Aber es kann keine Lösung sein, stattdessen durchgängig ein deutsches rassistisches Wort zu verwenden. Zum Nachlesen empfehle ich da diese und diese Seite. Ähnlich verhält es sich mit dem Wort „Race“, das – augenscheinlich richtig - mit „Rasse“ übersetzt wurde und ebenfalls oft vorkam. Nicht ungewöhnlich, weil „Race“ im englischen Sprachraum sehr gängig ist, der deutsche Diskurs ist jedoch ein anderer, da wir aufgrund der deutschen Geschichte eine größere Vorbelastung haben. Deshalb kann und sollte „Rasse“ nicht unkritisch verbreitet werden. Dazu empfehle ich diesen Link. Vielleicht kann man das beim Übersetzen lösen, indem man das Wort in Anführungszeichen setzt oder ein „sog.“ Davorsetzt – ich habe keine Ideallösung im Ärmel, werdet einfach kreativ, aber bitte reproduziert keinen Rassismus, insbesondere nicht in Antirassismus beabsichtigenden Büchern. Fazit Dieses Buch war mächtig. Nicht nur von der Seitenzahl her. Picoult hat sich etwas Großes vorgenommen und es größtenteils auch gemeistert, unter ihrem Vermittlungsdrang litt allerdingt die Geschichte selbst. Ich glaube, ihrer eigenen Absicht, der Zielgruppe, zu der sie selbst gehört, etwas beizubringen, um die Welt ein bisschen besser zu machen, wird sie gerecht werden können. Wer allerdings bewusst ein Buch über Rassismus sucht und nicht einfach einen neuen Picoult-Roman, sollte trotzdem lieber Schwarze Autor_innen oder Autor_innen of Colour unterstützen. Für den Roman selbst würde ich 3 Sterne vergeben, für die Übersetzung gibt es allerdings noch einen Punkt Abzug, sodass es von mir 2 von 5 Sternen gibt.

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