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Rezension zu
Fay

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Sumpf

Von: Constanze Matthes
19.06.2017

Die Südstaaten der USA haben ihr eigenes Gesicht – geprägt von ihrer besonderen Geschichte als Teil der US-amerikanischen Historie, geprägt von ihren Gegebenheiten aufgrund der speziellen geografischen Lage. Der amerikanische Autor Larry Brown hat den Süden seines Landes in das Zentrum seiner Werke gesetzt. Vielen wird er hierzulande kaum bekannt sein, denn erst mit der deutschen Übersetzung seines vierten Romans „Fay“ wird er wohl einem breiteren Publikum vertraut werden. Den möglichen Erfolg wird Brown jedoch nicht erleben können: Er starb 2004 mit gerade mal 53 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes. „Fay“ ist der Titel des Buches und zugleich der Name der Heldin. Das 17-jährige Mädchen verlässt von einen Tag auf den anderen ihre Familie, die Eltern und die beiden Geschwister. Nur mit zwei Dollars und einer Zigaretten-Schachtel in der Hosentasche und wenigen Kleidern im Rucksack. Ihr bisheriges Leben war alles andere als leicht: Schon als Kind wird sie aus der Schule genommen, um auf den Feldern bei der Ernte zu helfen. Eine harte Arbeit für ein kleines Mädchen. Einer ihrer Brüder wird bei einem Autounfall getötet, der andere gegen ein Auto eingetauscht. Der gewalttätige Vater versucht, sich an seiner Tochter zu vergehen. Abgründe tun sich auf, wenn sie sich an ihre Vergangenheit erinnert oder folgend all jenen ihre Geschichte erzählt, denen sie auf ihrer Tour gen Süden in Richtung Meer begegnet. Denn Biloxi, eine Stadt an der Küste, ist ihr ersehntes Ziel. Doch nicht jeder meint es gut mit ihr: Ein einstiger Soldat drangsaliert sie, später wird sie von einem Piloten vergewaltigt. Einer, der ihr zur Seite steht, aus Zuneigung, später aus Liebe, ist der Polizist Sam, der sie an der Straße aufgabelt und mit nach Hause nimmt. Zuerst als eine Art Tochterersatz, da er und seine Frau Amy vor einigen Jahren das gemeinsame Kind verloren hatten, später als junge Geliebte. Doch eine gemeinsame Zukunft soll es nicht geben. Fay wird nicht die Heldin einer modernen Aschenputtel-Version – so viel sei an dieser Stelle verraten. Denn Brown sorgt immer wieder für Überraschungen – für gute, in den meisten Fällen jedoch für tragische. Sam und Fay verlieren sich, denn das junge, unerfahrene wie bildhübsche Mädchen, dem die Männer reihenweise verfallen, von deren Frauen mit Argwohn beobachtet, muss nach einer schrecklichen Tat im Affekt erneut fliehen. Zwar erreicht sie die Küste, doch sie findet sich – wie die meisten Frauen im Roman – schließlich in einem Sumpf aus Gewalt, Alkohol und Drogen wieder – an der Seite von Aaron, der aufgrund seiner Kraft und Größe als Rausschmeißer in einer Bar arbeitet, die seinem Bruder, einem Zuhälter, gehört. Als Leser wünscht man sich ein gutes Ende für Fay, die einem trotz ihrer Schwächen ans Herz wächst. Denn allzu menschlich ist ihr Wesen, hofft sie doch nur auf ein friedliches wie beständiges Zuhause, vor allem dann, als sie bemerkt, dass sie schwanger ist. Obwohl sie eine schreckliche Kindheit erfahren hat, sehnt sie sich nach ihrer Familie, am Meer ihrer Träume später auch, Sam wiederzusehen, der sich auf die Suche nach ihr macht, inmitten eigener persönlicher Probleme, denn in einem Mordfall gerät er selbst in Verdacht. Während seiner Laufbahn als Polizist ist er regelmäßig Zeuge von menschlichen Tragödien: Er sieht die oftmals schrecklich zugerichteten Opfer von Verkehrsunfällen oder von Gewalt. So sind viele der Protagonisten des Romans von den Tiefen des Lebens und ihren Wunden gezeichnet. Brown zeichnet ein düsteres wie reales, ungeschöntes Bild, das oftmals schwer zu ertragen ist. In seinem Nachwort stellt Alf Mayer Autor und Werk vor. Brown, 1952 geboren, wurde das Schreiben nicht in die Wiege gelegt. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, der Vater war Kriegsveteran, Farmpächter und Trinker. Brown lernt als Marine in Vietnam das Grausame des Krieges selbst kennen, arbeitet später als Feuermann. 1982 erscheint seine erste Kurzgeschichte in einem Biker-Magazin. Zu einer Zeit, als sich schon die unveröffentlichten Manuskripte nahezu stapelten – Romane wie Kurzgeschichten. Einige seiner Werke fanden den Weg auf die Leinwand. Es war seine Mutter, die ihn in die Welt der Bücher hineingeführt hatte. Seine Heimat, das Umland nahe der Stadt Oxford (Mississippi), dort wo auch einst William Faulkner (1897 – 1962) lebte, findet sich auch in „Fay“ wieder. Die Beschreibungen von Land und Landschaft sowie dem dortigen Leben der einfachen Menschen, die weder berühmt noch reich sind, nehmen breiten Raum ein und bilden einen atmosphärischen Schauplatz des Geschehens. Brown ist ein großartiges spannendes Drama von düsterer Schönheit gelungen, so dass man nur hoffen kann, dass seine Werke in den kommenden Jahren hierzulande erscheinen und viel und oft gelesen werden.

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