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Rezension zu
Die drei Sonnen

Zwei Welten

Von: Constanze Matthes
08.01.2017

Haben sie nun vier Augen, sechs Beine oder ein dichtes braunes Fell? Kommen sie in Frieden oder mit kriegerischen Absichten? Viele Fragen, Unsicherheiten und sicherlich eine große Furcht sind mit jenen Gedanken verbunden, wie außerirdisches Leben, eine intelligente Zivilisation in den Weiten des Alles, wohl aussehen mag und welche Ziele sie verfolgt. Welche Auswirkungen dieses Aufeinandertreffen für die Menschheit hat, fern ab der Frage nach Krieg oder Frieden, wird indes bisher nur wenig diskutiert. Der chinesische Schriftsteller Cixin Liu meint, dass diese Begegnung die größte Herausforderung wäre, wohl noch bedeutenderer als der aktuelle Klimawandel. Jenen zwei Welten widmet er sich in seiner Trisolaris-Trilogie, deren erster Teil mit dem Titel „Die drei Sonnen“ nun in deutscher Übersetzung erschienen ist. In China ist das Werk zu einem Bestseller geworden, der scheidende US-Präsident Barack Obama und auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg empfehlen das Buch, das mit dem renommierten Hugo-Award als erster chinesischer Science-Fiction-Roman überhaupt ausgezeichnet wurde. Doch was macht ihn so erfolgreich und unterscheidet ihn von anderen Romanen dieses Genres, das viel mehr Aufmerksamkeit erhalten sollte, weil es über uns Menschen als Teil des Universums und unsere Zukunft weit mehr nachdenken lässt als andere Literatur. In „Die drei Sonnen“ reist der Leser nach China und zugleich in die ferne Trisolaris-Welt. Auf dem Planeten, umgeben von drei Sonnen und damit auch deren unermesslichen Kräften ausgesetzt, herrschen sowohl chaotische als auch stabile Zeitalter, in denen Zivilisationen wegen übermäßiger Gluthitze oder arktischer Kälte sowie Dunkelheit dem Untergang geweiht waren oder sich dank ausgeglichener Verhältnisse entwickeln konnten. Die Wissenschaftlerin Ye Wenije fängt eines Tages in der Militärstation Rotes Ufer, in der inneren Mongolei nahe des Hinggan-Gebirges gelegen, Radiowellen auf. Ye war die Tochter eines bekannten Physikers, der während der Kulturrevolution Ende der 70er Jahre getötet wurde. Sie selbst galt als sogenannte Konterrevolutionärin. Um einer Haftstrafe zu entgehen, entschied sie sich, lebenslang auf der Station zu bleiben und dort zu arbeiten. Als hochgeheimes militärisches Projekt sollten in erster Linie nicht die Feinde Chinas ausspioniert, sondern nach außerirdischer Intelligenz gesucht werden. Dass Ye eine Nachricht von Trisolaris erhielt, sie sogar mit der anderen Welt dank der Sonne als Verstärker in Kontakt stand und eine Raumflotte bereits auf dem Weg zur Erde ist, war lange nicht bekannt. Erst mehrere Jahrzehnte später wird dieses einmalige Ereignis zur Gewissheit. Die Kulturrevolution, die unzähligen Menschen den Tod gebracht hat, ist ferne Vergangenheit, als einige renommierte Wissenschaftler Selbstmord begehen, darunter auch Yes Tochter, ein Nobelpreisträger sogar getötet wird. Der Leser lernt in dieser unruhigen Zeit den Physiker Wang Miao kennen, dessen Forschungsgebiet die Herstellung von Nano-Material ist. Er wird zu einer Konferenz , an der nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Vertreter von Polizei und Militär teilnehmen, eingeladen. Sein Auftrag wird es schließlich sein, die Hintergründe zu den merkwürdigen Vorkommnissen zu sammeln, damit die Menschheit die künftige Eroberung abwehren kann. Wang lernt dadurch nicht nur Ye kennen, die mittlerweile Anführerin einer Erde-Trisolaris-Bewegung, einer Art Parallel-Gesellschaft mit verschiedenen Untergruppen, ist und die Ankunft der Außerirdischen fördert und vorbereitet. Er wird Teil eines aufwendigen Computer-Spiels, in der die Geschichte der Trisolaris-Welt erzählt wird. Eine Parallel-Handlung entsteht jedes Mal, wenn Wang Helm und Simulator-Anzug überstreift und Teil dieser Welt wird. Dort wird er nicht nur Zeuge der verheerenden, sonnengemachten Katastrophen, er lernt auch die verschiedenen Zivilisationsstufen kennen, die in Tausenden von Jahren entstanden und vergangen sind. Einige dieser Stufen ähneln der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit. Über dieses noch immer spannende Thema der Begegnung zwischen Menschheit und außerirdischer Intelligenz hinaus ist der Roman reich gefüllt mit wissenschaftlichen Kenntnissen – von der Physik bis zur Astronomie. Selbst Natur und Umweltschutz spielen eine wichtige Rolle, vertritt Ye, eine recht zwiespältige Heldin, die über Leichen geht, doch eine besondere Auffassung, die erst das Motiv ihrer Kontaktaufnahme gibt: Die Menschheit zerstört die Erde und damit sich selbst in einer enormen Geschwindigkeit und einem bedrohlichen Ausmaß, an das nicht einmal das Artensterben in der Kreidezeit herankommt. Man könnte meinen, Cixin Liu, der vor seiner Schriftsteller-Karriere als Ingenieur tätig war, hat das ebenfalls preisgekrönte Sachbuch „Das sechste Sterben“ der US-Amerikanerin Elizabeth Kolbert (Suhrkamp) gelesen, das eben diese tragische und gefährliche Entwicklung aufs Eindrücklichste beschreibt. Während die Sprache in „Die drei Sonnen“ eher wenige Ansprüche stellt, mit seinem ausgeklügelten Spannungsaufbau und bildgewaltigen Szenen sich als Pageturner erweist, verlangt allerdings der Inhalt so einiges ab. Wer jedoch der Wissenschaft mit Neugierde und Interesse begegnet, wird an diesem Band seine wahre Freude haben und sehr viel lernen können. Das Themenspektrum reicht von Astro-Physik, über die Errungenschaften bekannter großer Köpfe wie Albert Einstein und John von Neumann, einem der Väter der Informatik, bis hin zu den Möglichkeiten und Gefahren der Nano-Technologie und der Erforschung der Elementarteilchen sowie fachspezifischen Fragen zur Singularität, Mehrdimensionalität und des Drei-Körper-Problems. Gegen Kenntnislücken gibt es am Ende des Buches neben einem Nachwort des Autors und Hinweisen zur Übersetzung aus dem Chinesischen hilfreiche Erklärungen. Darüber hinaus hält der Band als weiteren Service ein Personenregister vor. Für alteingesessene Science-Fiction-Fans ist der Roman schlichtweg ein Muss, für all jene, die bisher mit dem Genre wenig vertraut sind, ein anspruchsvoller Einstieg allerdings mit extremer Suchttendenz. Der zweite Teil der Trilogie ist in Planung und soll im Juni kommenden Jahres mit dem Titel „Der dunkle Wald“ erscheinen. Ein eindrucksvolles Plädoyer für das Lesen von Science-Fiction-Literatur gibt Cixin Liu in seinem Nachwort: „Die Geschichten der Wissenschaft sind im Vergleich zu denen der Literatur weit überwältigender, prachtvoller, vertrackter, tiefgründiger, spannender, seltsamer, erschreckender, geheimnisvoller und sogar gefühlvoller. (…) Science-Fiction ist eine Literatur, die der ganzen Menschheit gehört. In ihr geht es um Ereignisse, die die ganze Menschheit angehen.“

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