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Rezension zu
Die Spiegelstadt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Mein Liebesbrief an dieses perfekte Finale

Von: maaraavillosa
07.01.2017

Worum geht es? Die Zwölf – Wesen der Dunkelheit, Todfeinde der Menschen – sind vernichtet, ihre hundertjährige Schreckensherrschaft über die Welt ist vorüber. Nach und nach wagen sich die Überlebenden aus ihrer eng ummauerten Zuflucht, Hoffnung keimt auf. Auf den Ruinen der einstigen Zivilisation wollen sie eine neue, eine bessere Gesellschaft aufbauen: der älteste Traum der Menschheit. Doch in einer fernen, verlassenen Stadt lauert der Eine: Zero. Der Erste. Der Vater der Zwölf, der den Ursprung des Virus in sich trägt. Einst ein hochbegabter Wissenschaftler, der, seit er seine große Liebe verlor, nur noch von Rachedurst und Wut erfüllt ist. Sein Ziel ist es, die Menschheit endgültig auszulöschen. Seine Truppen sind bereit. Und der Zeitpunkt ist gekommen. Nur Amy vermag ihn jetzt noch aufzuhalten, das Mädchen aus dem Nirgendwo, die einzige Hoffnung der Menschheit. Und so treten sie und ihre Freunde an zum letzten großen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit ... (via Goldmann) Wie hat es mir gefallen? Vorab wie immer ein Spoiler-Hinweis: da es sich hierbei schon um den finalen Band der The Passage-Trilogie handelt, kann ich dir leider nicht garantieren, dass ich dir ein paar Einzelheiten aus Band Eins und Zwei vorwegnehme. Schau doch deshalb bei Interesse gerne bei meiner ersten Rezension zur Reihe vorbei :-) Mit Die Spiegelstadt endet die The Passage-Trilogie nun unweigerlich. Insgesamt verbringt ein Leser/eine Leserin gut 3000 Seiten mit dieser Geschichte, mich begleitete das große Finale mit seinen 990 Seiten zum Ende dieses Jahres insgesamt acht Wochen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich mich einfach nicht von der Geschichte trennen konnte und wollte. Ich bin so mit den Charakteren zusammen gewachsen, dass mir ein Abschied von dieser toll konstruierten Welt zunehmend schwerer fiel, denn Die Spiegelstadt gibt vor allem eins: Hoffnung, für all das Aussichtslose, was über Jahrtausende letztlich nur durch Menschenhand zugrunde gerichtet wurde. Aber auf Anfang. Der zweite Band Die Zwölf der The Passage-Trilogie endete mit einer epochalgleichenden Schlacht. Alicia, Greer, Peter, Amy und alle anderen glauben, die Zwölf, und mit ihnen die Virals, seien besiegt. Der Bann scheint gebrochen, nur ist der Erste, der Ursprung alldessen, Zero, nicht unter den Besiegten zu finden. Das Finale beginnt. Justin Cronin setzt für alle jene, die wirklich lange auf diesen dritten Band gewartet haben, nochmal eine rund neunseitige Zusammenfassung der Geschehnisse in den Prolog. In Protokollform, ein kleiner Hint auf das, was den Leser am Ende erwarten wird. Ich will nicht zu viel verraten, mich hat es aber aus den Socken gehauen! Auch für mich, die die Trilogie erst 2015 für sich entdeckt und auf Anhieb geliebt hat, war dieses Zusammentragen der Geschehnisse eine super Grundvorraussetzung, um einen Fuß in das Finale zu setzen. Nicht zuletzt, weil Justin Cronins Schreibsstil gewohnt gleich blieb und all die melodischen Ausuferungen und Metaphern einem Willkommen zurück-Gruß glichen. Rainer Schmidt hat hier erneut eine zu lobende Übersetzungsarbeit geleistet. Ich war sofort wieder im postapokylptischen Kerrville, Texas. Mit mir weitaus erwachsenere Charaktere, als noch in Die Zwölf. Die Menschen organisieren sich, viele (vor allem politische) Strukturen sind den heutigen, jetzigen sehr ähnlich. Peter ist nun Präsident, Sara geht ihrer Rolle als Ärztin nach, neue Kinder und somit neue Hoffnung sind bereits unterwegs. Mir gefällt vor allem die Idee, mehrere Generationen hinweg zu beobachten. Wie entwickeln sie sich, wohin entwickeln sie sich und unter welchen Umständen? Werden aus ihnen gute oder schlechte Menschen? Was bleibt der Menschheit überhaupt wenn Nichts mehr ist und was lohnt, zu bewahren und wieder aufzubauen? Viele kritisieren bei Justin Cronins Büchern, dass sie so anmutig religiös erscheinen, manche Kapitel wie Bibeleinträge verfasst sind. Für mich macht es gerade den Unterschied zu anderen postapokalyptischen (Jugend-)Büchern: der Mensch glaubt, ob er will oder nicht. Wir schicken tagtäglich Stoßgebete gen Irgendwohin. In uns allen steckt etwas, das hofft, bangt und einfach glaubt. Das ist gar nicht von irgendeiner Religion abhängig, der Mensch kann einfach nicht anders. Kerrville platzte aus allen Nähten. (...) Dieses Konzept war nicht mehr zu halten gewesen, als die Menschen aus Iowa gekommen waren. Die Lebensmittel waren knapp geworden, es hatte einen Run auf Benzin und Medikamente und Probleme mit dem Abwasser gegeben - all die Probleme, die daher rührten dass zu viele Menschen auf zu kleinem Raum zusammengepfercht waren, und Ressentiments gab es auf beiden Seiten mehr als genug.(...) S. 40 Der Mensch glaubt und er hält fest an Dingen, Erinnerungen, Ritualen. So auch in Die Spiegelstadt. Ich finde es ganz großartig, dass sich Cronin am Motiv Geschichte wiederholt sich bedient hat, vor allem Menschheitsgeschichte. Es geht nunmal nicht ohne jemanden, der eine Gemeinschaft an die Hand nimmt und mit ihnen und für sie Entscheidungen trifft, es geht nicht ohne Gelehrte, die Kenntnisse aus der Vergangenheit an eine Gemeinschaft weitergeben, es geht nicht ohne die Heiler und Bauern, es geht nicht ohne die Konstrukeure, die daran pfeilen mehr Lebensraum zu schaffen. Von daher war es für mich nur plausibel, dass Cronin eine Welt baut, die schon über hundert Mal so begonnen hat und dass es immer wieder mit derselben Systematik einhergeht - etwas was wir definitiv aus der Vergangenheit gelernt haben und bis heute zu schätzen wissen (würden wir dies nicht, würden wir es anders machen). Und auch das Motiv des Entdeckers war für mich auch wieder so ein Schlüsselerlebnis beim Lesen selbst. Die Menschen wollen weiterziehen und erkunden, was auf dem Rest der Welt noch ist. Und dafür braucht es Mittel, die neu erfunden werden müssen. Alles, was ich liebte, war mir genommen, und das, was ich nicht liebte, außerdem: mein menschliches Leben. (S. 161) Ich könnte ewig so weiter machen, diese 990 Seiten geben so viel zum Schwärmen her. Aber lasst uns auf die Charaktere eingehen. Ganz besonders einen: Zero. Der "Bösewicht" und "Feind", der er eigentlich nie sein wollte. Cronin erzählt auf über 150 Seiten (das Großkapitel "Der Liebende") wie Fanning aka Zero eigentlich zu Zero geworden ist, aus Zeros Perspektive. Bereits auf der Lesung in Dortmund im vergangenen November erzählte Cronin, dass nur Zero alleine seine Geschichte erzählen kann und dass er sie so erzählen sollte, dass der Leser mit ihm dahinschmilzt. Cronin wollte mit der Figur Zero einen Rhetoriker par excellence erschaffen und das ist ihm sowas von gelungen - diese 150 Seiten erzählt aus Zeros Sicht waren mir mit Abstand die Liebsten! Meine Sympathienskala für Fanning schoss durch die Decke, dieser Charakter hat mich emotional wirklich mitgenommen, selbst wenn er Grauenhaftes getan hat. An dieser Stelle sei auch noch vermerkt, dass ich die Länge und Ausdauer dieser Trilogie auch genau aus diesem Grund zu schätzen weiß. Charaktere können bis zu ihrer Vollendung ausgeschöpft werden und mit jedem Wort, Satz und mit jeder Seite reifen. Ich habe mich jedenfalls auf allen 3000 Seiten nie über ausgiebige Beschreibungen geärgert oder gar gelangweilt. Für mich war es viel mehr, wie einem Maler dabei über die Schulter zu schauen, wie er ein Kunstwerk erschafft. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag und mit nur einem Stein erbaut. Punkt. Gleichsam bekommt der Leser hier nun im dritten Band endlich einen Gesamtüberblick darüber, wie die Zerstörung der Welt überhaupt zustande kam. In den vorangegangenen Büchern wurde vieles ja immer nur angedeutet. Nun endlich kommt die Auflösung, und ja, auch diese passt einfach! Sie ist auch gar nicht so realitätsfremd, wie ich angenommen hatte, eigentlich sogar ziemlich realistisch, mal abgesehen von den Vampiren (die übrigens nicht glitzern!). (...) eine weitere Ruinenstadt in einer Welt voller Ruinen (...) S. 711 Und als Fanning oder dann eben nur noch Zero die letzten Worte sprach, nimmt der Epos also seinen großen Lauf. Den Leser erwartet vor allem nochmal ein großer Showdown, in dem es um Alles und Nichts geht, die Geschichte rollt nochmal alles an Dynamik auf, was sie in sich trägt. Atemlos, aber doch mit bedacht (ich wollte nicht loslassen) las ich diese Zeilen. Cronin scheut auch hier nicht, liebgewonnene Charaktere sterben zu lassen. Nur sie nicht: Bevor sie das Mädchen Von Nirgendwo wurde - das Mädchen, das plötzlich auftauchte, Die Erste Und Letzte Und Einzige, die tausend Jahre lebte -, war sie nur ein kleines Mädchen aus Iowa und hieß Amy. Amy Bellafonte. (Der Übergang - S. 11) Justin Cronin gab dem Leser bereits auf der ersten Seite des ersten Teils Der Übergang dieser Trilogie ein Versprechen, welches er mit Bravur eingehalten hat, deshalb ist das an dieser Stelle auch kein Spoiler per se. Denn es kommt vor allen Dingen auf das Wie an und das hat mich restlos davon überzeugt, dass Cronin ein grandioser Geschichtenerzähler ist, der sein Handwerk versteht! Für mich ist The Passage insgesamt absolut perfekt geendet. Ich hätte mir kein besseres Ende für diesen Epos wünschen können, und Justin Cronin verdient verdammt viel Applaus dafür, dass er so einen krassen roten Faden durch 3000 Seiten Buch laufen hat lassen, und alles nur weil seine Tochter sich mal eine spannende Geschichte vor zehn Jahren von ihm gewünscht hat. Es ist sehr schade, dass die Trilogie noch nicht so bekannt ist, wie es ihr zustünde, andererseits freue ich mich über diesen kleinen Geheimtipp in den Massen der 08/15-Literatur. Für mich gibt es jedenfalls nichts Vergleichbares und ich werde in Zukunft sehr sehr kritisch mit all jenen sein, die an Justin Cronin und seinen Übergang anknüpfen wollen. 5 gigantische Sterne und noch viel weiter!

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