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Rezension zu
Mind Control

Meisterhafte Erzählkunst mit tragischem Bezug zur Realität

Von: WolfgangB
10.10.2016

Mit dem abschließenden Teil seiner Trilogie um den Privatermittler und ehemaligen Polizisten Bill Hodges vollzieht Stephen King erneut einen Wechsel in der Grundstimmung. Handelt es sich bei "Mr. Mercedes" noch um einen ebenso bodenständigen wie biederen Kriminalroman, trägt "Finderlohn" schon nur mehr das Gewand eines Krimis, in dem sich eine Hommage an die Literatur verbirgt. Mit "Mind Control" bewegt sich King nun wieder in Richtung jenes Genres, in dem er seinen Ruhm erlangt hat, nämlich Schauergeschichten mit übernatürlichen Elementen. Die thematische Einordnung in die Reihe erfolgt auch hier wieder über einen klassischen Krimi-Plot als Ausgangssituation. Als zündender Funke dient dabei eine Idee, wie sie origineller kaum sein könnte: Ein soeben aus dem Koma erwachter (und in seiner Bewegungsfreiheit noch sehr eingeschränkter) Serienmörder entdeckt die Fähigkeit, über eine Game Boy-artige Spielkonsole in den Geist anderer Menschen einzudringen und diese zu steuern. Indem King einen banalen Alltagsgegenstand als Quelle des Schreckes nutzt, spielt er subtil auf mehrere menschliche Urängste an. Zunächst ist es die Angst, die Kontrolle über die eigene Schöpfung zu verlieren, zum Sklaven der Technik zu werden. Als nächstes ist es jene vor dem Verlust der eigenen Identität. Nicht mehr Herr im eigenen Körper zu sein, Stück für Stück die intimsten Erinnerungen zu verlieren, das zelebriert der Mörder hier mit seinen Opfern. Außerdem mag man die Karikatur eines Suchtverhaltens erkennen, wenn Menschen ganz und gar einem Videospiel verfallen. Wenn auch die Idee dem Bereich des Phantastischen entspringt, so relativiert der Autor diesen Eindruck geschickt, indem er die Geschichte durch zahlreiche beiläufig eingeflochtene Elemente in den Kontext der Zeit ihrer Entstehung einbettet, sie immer wieder erdet. Beispielsweise lesen jugendliche Figuren Romane wie "Divergent" oder "Mockingjay" und benutzen E-Reader der Marken "Kindle" und "Nook". Von technikaffinen Geistern wurde der Notizblock längst schon vom iPad ersetzt, zur Illustration einer schreckenserregenden Vorstellung wird der von Tolkien ersonnene Drache Smaug beschworen, und scherzhaft wird mit der aus Star Wars stammenden Anrede "Padawan" einer Figur mangelnde Erfahrung attestiert. Schließlich hält der Autor mit "Uns bleibt immer noch Paris" ein Zitat aus einem nicht mehr ganz aktuellen Film bereit ... Ein (literarisches) Werk ist stets in den Kontext der Zeit eingebettet, sowohl der Zeit seiner Entstehung als auch der Zeit seiner Rezeption. So werden wohl jene Werke, die Generationen überdauern, von jeder auf ihre eigene Weise interpretiert, wird das Licht einer jeden Epoche andere Facetten eines Werkes zutage treten lassen. Daher wird die Rezeption sowohl vom Erfahrungshorizont des Rezipienten als auch vom medialen Kontext beeinflußt. Im aktuellen Fall fällt das Erscheinen von Stephen Kings neuem Roman in unmittelbare zeitliche Nähe eines aufsehenerregenden Prozesses am Straflandesgericht der steirischen Hauptstadt Graz. Dabei wurde über einen Mann zu Gericht gesessen, der im Juni 2015 in einer belebten Einkaufsstraße mit einem Geländewagen zahlreiche Menschen verletzt und getötet hat. In "Mind Control" steht nun jene Figur wieder im Mittelpunkt der Geschichte, die im ersten Teil der Trilogie, "Mr Mercedes", mit einem Wagen der titelgebenden Marke in eine Menge wartender Personen gerast war. Durch die Berichterstattung über den tatsächlichen Prozeß gewinnt also der Roman auf tragische Weise an Aktualität und wird seiner tröstlichen Illusion des Fiktionalen beraubt. Stephen King zu lesen ist ein Genuß. Stephen King zu lauschen ein noch viel größerer - vor allem dann, wenn es David Nathan ist, der vorliest. Den vielfach ausgzeichneten Synchronsprecher für seine King-Interpretation zu loben ist inzwischen ähnlich originell wie Sean Connery zum besten Bond-Darsteller zu küren. Nichtsdestotrotz, der Dank eines weiteren Hörers für kurzweilige Stunden soll ihm nicht vorenthalten werden. Persönliches Fazit Stephen King schließt einen sich über drei Romane spannenden Bogen und beweist, wie souverän er das spielerische Tänzeln zwischen den Subgenres beherrscht. Einen bitteren Beigeschmack erhält die Geschichte durch den aktuellen lokal-medialen Kontext.

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