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Rezension zu
Die neuen zehn Gebote

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die gewandelte Religion

Von: Inas Bücherkiste
10.06.2016

Es geht in Die neuen zehn Gebote von Andreas Lehmann nicht um Theologie in Reinform, wie der Titel vermuten lässt. Vielmehr wird ein Blick auf das geworfen, was der Autor als "Ersatzreligionen" bezeichnet: Geld, egozentrische Selbstverwirklichung, die übertriebene Fokussierung auf das eigene Kind, Veganismus, die Bio-Welle und einige andere mehr. Lehmann hat jeder dieser Ersatzreligionen ein eigenes Kapitel, das er als Gebot bezeichnet, gewidmet. Andreas Lehmann liefert einige Zahlen, die in den letzten Jahren wiederholt in der Presse aufgetaucht sind, wenn es um die immer geringeren Kirchensteuereinnahmen und die damit zusammenhängenden Einsparungen ging, die die beiden christlichen Kirchen daraufhin veranlasst haben: Seit mehr als 25 Jahren hat die Evangelische Kirche in Deutschland einen durchschnittlichen Mitgliederschwund von 0,7 % pro Jahr, die Katholische Kirche von 0,5 %. Am Karfreitag, einem der höchsten christlichen Feiertage, finden gerade einmal 4 % der Kirchensteuer zahlenden Protestanten den Weg in einen Gottesdienst. Zwar werden bei vielen Menschen bestimmte Traditionen wie die Taufe der eigenen Kinder oder die kirchliche Hochzeit weiterhin eingehalten, aber dies geschieht nicht mehr aus in erster Linie religiösen Gründen. Die Kirche wird als unmodern und verstaubt empfunden. Andreas Lehmann hat die zehn Gebote, die von vielen Menschen, die in einer durch christliche Werte geprägten Gesellschaft aufgewachsen sind, nur noch bruchstückhaft aufgesagt werden können, umformuliert. So wird z. B. aus dem ersten Gebot "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir." das vom Autor angepasste Gebot "Ich bin Ich, mein Gott. Ich brauche niemanden neben mir.". Hier stellt er den heutigen Hang zur Selbstbezogenheit in den Mittelpunkt: Immer und überall werden Selfies gemacht und in den sozialen Netzwerken gepostet, Zeitschriften drucken Schlagzeilen auf ihre Titelseiten, in denen mindestens ein Mal das Wort "ich" vorkommt und die Wichtigkeit mit wenigstens einem Ausrufezeichen untermauert wird. Trotz - oder wegen? - dieser Ich-Bezogenheit steigt die Zahl der psychischen Erkrankungen stetig an. Doch auch den Starkult sieht Lehmann als eine Ersatzreligion an. Die Massenmedien blasen das Image von Prominenten so weit auf, dass sie den Status von Helden erreichen. Dystopien wie "Die Tribute von Panem" bedienen die Weltuntergangsängste und spiegeln sich in der Realität in Nachrichten wider, die die Furcht vor dem nahen Ende anfachen: Von BSE über Euro-Krise oder Terrorgefahr ist gewissermaßen für jeden etwas dabei. Das Buch ist locker und flüssig geschrieben und greift die "Götter" unserer Zeit auf humorvolle Art und Weise auf. Die schleichende Abkehr von der (christlichen) Kirche in Verbindung mit zahlreichen Kirchenaustritten ist für sich genommen keine Neuigkeit. Doch sich darüber Gedanken zu machen, ob der Mensch ein grundsätzliches Bedürfnis nach Spiritualität und Religion hat und wie er dies ohne Gott und seine irdischen Institutionen ausfüllt, fand ich grundsätzlich sehr interessant. Allerdings ist Die neuen zehn Gebote so sehr darauf ausgerichtet, unterhaltsam zu sein, dass es mir an Tiefe fehlte. Die von Andreas Lehmann angeschnittenen Themen und die Darstellung der "Ersatzgötter" lösen zwar zunächst fast immer spontane Zustimmung aus, aber in vielen Kapiteln schweifen seine Gedanken ab und verlieren sich an Nebenschauplätzen. Sein elftes Gebot, das Nachwort, schließt sich diesem Trend an: Die Hälfte der letzten knapp vier Seiten beschäftigt sich damit, dass ein Buch ein Nachwort braucht, das gern mit einer frohen Botschaft verknüpft sein darf. Na dann.

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