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Rezension zu
»Mich hat Auschwitz nie verlassen«

Die letzten Auschwitz-Überlebenden berichten

Von: Kim F
05.10.2015

In „Mich hat Auschwitz nie verlassen“ haben Susanne Beyer und Martin Doerry gemeinsam mit anderen Spiegel-Mitarbeitern einige der letzten noch lebenden Häftlinge von Auschwitz nach ihren Erlebnissen mit Nazideutschland und im Lager befragt, um noch einmal möglichst viele Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen, die Auschwitz überlebt haben. Viele waren in den Jahren nach ihrer Rettung durch sowjetische, britische oder US-amerikanische Soldaten nicht imstande, über die Gräueltaten, die ihnen angetan wurden, zu sprechen, oder fanden kein Gehör für ihre Erinnerungen, die nun in diesem Band zusammengetragen wurden. Das Buch beginnt mit einer kurzen Einführung, die knapp die Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz skizziert und die Gespräche mit ehemaligen Häftlingen durch die Spiegel-Mitarbeiter erläutert, die mit elf Frauen und neun Männern nach der Methode der Oral History geführt wurden. Daraufhin folgen die 19 Darstellungen der Auschwitzüberlebenden (ein Ehepaar wurde zusammen interviewt), die in einem zusammenhängenden Text von ihren Erfahrungen erzählen, nicht in Interviewform. Sie berichten von ihrem Leben vor der Deportation in Konzentrationslager, schildern die verschiedenen Lager, die sie vor oder auch nach Auschwitz durchlaufen mussten, von ihrem KZ-Alltag, ihrem Kampf ums nackte Überleben in einem Umfeld bestehend aus Gewalt, Hass, Willkür, Hunger, katastrophalen hygienischen Verhältnissen, stetigen Erniedrigungen, Tod und schließlich von ihrem Überleben und ihrem Leben nach Auschwitz. Viele Erlebnisse wiederholen sich in den meisten Portraits wie etwa der vorherige Aufenthalt in Theresienstadt, die tagelange Reise nach Auschwitz im völlig überfüllten Viehwaggon, die bereits für viele den Tod bedeutete, die sofortige Selektion an der Rampe nach Ankunft in Auschwitz, bei der Alte, Kranke, Kinder direkt in die Gaskammern geschickt wurden, die menschenunwürdigen Zustände im Lager, die Gewalt und die Erniedrigungen durch SS-Männer, der Hunger, die Zwangsarbeit, das Wissen um Gaskammern und Krematorien, die der einzige Weg aus dem Lager zu sein schienen, zum Kriegsende die Todesmärsche, aber auch die vielen kleinen Zufälle, die zum Überleben der Häftlinge beitrugen, oftmals schlichtes Glück, wie auch Fähigkeiten wie das Spielen von Instrumenten, die einzelnen den Zugang zu besseren Verpflegungs- und Unterkunftsmöglichkeiten bereiteten, was entscheidend beim Überleben half. Dies sind sicherlich alles bekannte Aspekte, die im Schulunterricht häufig vorkamen oder wenn man sich privat viel mit dem Holocaust beschäftigt hat, nicht wirklich Neues sind, doch jede individuelle Geschichte, die man hier zu lesen bekommt, berührt trotzdem ungemein, da sie besser verdeutlichen, was Millionen von Menschen während des Holocaust durchleben mussten, als dies sachliche Texte mit ihren vielen Zahlenrechnungen, wie viele Juden etwa durch Hitlerdeutschland ermordet wurden, können. Man liest keine abstrakten Zahlen, sondern sieht tatsächliche Menschen, denen diese Gräueltaten angetan wurden, vor sich, unterstützt durch die hochwertigen Fotos, die von den Überlebenden gemacht wurden und die ihren Darstellungen beigefügt sind. Beyer und Doerry ist somit ein enorm wichtiges Werk gegen das Vergessen gelungen, das wie viele andere sicherstellen soll, dass die Gräueltaten der Nationalsozialisten nicht vergessen werden, auch wenn keine Zeitzeugen mehr da sind, die uns daran erinnern können. Es fesselt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite, rührte mich oftmals zu Tränen, obwohl ich mich seit meiner Jugend immer viel mit dem Holocaust beschäftigt habe und nicht wirklich Neues erfahren konnte, doch diese schrecklichen Erlebnisse, die Menschen wie du und ich durchstehen mussten, machen mich noch immer fassungslos. Wie Menschen zu so etwas fähig sind, kann ich bis heute nicht verstehen. Gleichzeitig ist das Buch ein Zeugnis des menschlichen Überlebenswillens, der sich in vielen Portraits zeigte und der angesichts der schrecklichen Erfahrungen der Häftlinge wirklich bewundernswert ist. Niemanden von ihnen hat Auschwitz wieder losgelassen, viele sind bis heute traumatisiert, werden von Alpträumen geplagt, doch die meisten haben sich auch nicht unterkriegen lassen, haben weitergemacht und noch schöne Momente in ihrem Leben erlebt. Im Anhang des Buches werden die befragten Überlebenden noch einmal kurz vorgestellt, wie auch die beteiligten Spiegel-Mitarbeiter und Fotografen. Außerdem weist er Literaturhinweise zu Berichten der im Buch interviewten Häftlinge über ihre Erfahrungen während des Holocausts auf sowie zu Sekundärliteratur über die befragten Überlebenden. Fazit Eine ganz wichtige Zusammenstellung von Zeitzeugenberichten über ihre Zeit in Auschwitz, die vielleicht zum letzten Mal von ihren schrecklichen Erlebnissen berichten konnten. Sie berührt viel stärker als etwa Überblickswerke über den Holocaust, da die individuellen Schicksale in den Vordergrund gestellt werden, die einen fassungslos zurücklassen ob der Fähigkeit der Menschheit zu solchen Gräueltaten. Somit leistet dieser Band einen enorm wichtigen Beitrag zum Kampf gegen das Vergessen und Verdrängen des Holocausts, so dass ich jedem die Lektüre noch wärmstens empfehlen kann. Damit so etwas Schreckliches in Deutschland und hoffentlich auch auf der Welt nie wieder geschehen kann!

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