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Rezension zu
Verschwörung

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Trotz kleinerer Schönheitsfehler ein insgesamt geglückter Neustart der Reihe

Von: Büchermonster
08.09.2015

Es ist vielleicht DIE Literatur-Sensation des Jahres: Acht Jahre nach der Veröffentlichung des dritten und vermeintlich letzten Bandes der weltweit unglaublich erfolgreichen Millennium-Reihe und fast elf Jahre nach dem Tod des Autors Stieg Larsson ist mit „Verschwörung“ nun ein neuer Roman der Thrillerserie um den Journalisten Mikael Blomkvist und die Hackerin Lisbeth Salander erschienen. Dennoch dürfte das Buch bei eingefleischten Larsson-Fans wohl für gemischte Gefühle sorgen, zeigt sich mit David Lagercrantz doch nun ein neuer Autor für die Geschichte verantwortlich – und wenn man Medienberichten und Verlagsinformationen Glauben schenken darf, hat dieser beim Schreibprozess den unveröffentlichten Manuskripten Larssons gar nicht mal so viel Beachtung geschenkt wie man vielleicht erwarten dürfte. Zwar ist der nächste Millionen-Bestseller alleine aufgrund des riesigen Hypes um das Salander/Blomkvist-Comeback schon vorprogrammiert, die Gefahr eines möglichen Scheiterns des neuen Millennium-Autors scheint aber zugleich beängstigend groß. Doch fangen wir ganz vorne an: Selbst bei einer bemüht objektiven Betrachtung komme ich nicht umhin, den Anfang von „Verschwörung“ als ein wenig holprig zu bezeichnen. Die Handlung springt zunächst recht wild zwischen den USA und Schweden hin und her und so richtiges „Millennium-Feeling“ will sich erst einmal nicht einstellen. Das liegt zum einen daran, dass der Schreibstil von Lagercrantz erkennbar anders ist als der – zwar nicht unbedingt brillante, aber doch sehr markante – Stil Stieg Larssons, vor allem aber daran, dass von den Helden der Reihe zunächst wenig zu lesen ist: Dass Lisbeth Salander immer erst ein wenig spät zur Party erscheint, ist man von der ursprünglichen Trilogie zwar gewohnt, allerdings macht sich auch Mikael Blomkvist im ersten Teil des Buches ein wenig rar und tritt vorrangig eher indirekt durch die ihm gegenüber sehr negative Berichterstattung in den schwedischen Medien in Erscheinung. Denn vom hervorragenden Ruf des früheren Star-Journalisten ist nach einigen mauen Jahren ohne aufsehenerregende Reportage nicht mehr viel geblieben und so werden in der Presse bereits schon wenig schmeichelhafte „Nachrufe“ auf Mikael zelebriert. Auch der anscheinende Aufhänger der Story selbst, die immer intensivere Überwachung der Weltbevölkerung durch den amerikanischen Nachrichtendienst NSA, wirkt zunächst ein wenig gezwungen, bringt aber zumindest unbestreitbar eine große aktuelle Brisanz mit sich und ist von Lagercrantz daher vielleicht doch gar nicht so ungeschickt gewählt. Nach der ein wenig ernüchternden Anfangsphase nimmt die Geschichte dann aber deutlich an Fahrt auf und es zeigt sich auch bereits früh die Handschrift des neuen Autors: David Lagercrantz scheint sich nicht allzu lange mit der Vergangenheit der Reihe aufhalten zu wollen und hält die Rückblicke und eine damit verbundene Auffrischung der damaligen Ereignisse und Zusammenhänge bewusst simpel. Als Fan der Reihe ist man hier schnell geneigt, dem Autor eine etwas nachlässige Recherche vorzuwerfen und ihm zu unterstellen, es sich mit dem Anschluss an die Vorgängerbände sehr einfach machen zu wollen, das hat für Neulinge aber zumindest den Vorteil eines recht problemlosen Einstiegs in diesen vierten Band. Stattdessen setzt Lagercrantz klar auf eine deutlich straffere Story, was schon bei der Erzählzeit beginnt: Während sich die ersten drei Bände alle über mehrere Monate hinweg hinzogen, spielt sich die Handlung von „Verschwörung“ innerhalb nur weniger Tage ab. Zudem gibt es diesmal einen unübersehbar höheren Actionanteil der Story, was gerade Lisbeth Salander zu der ein oder anderen halsbrecherischen Aktion zwingt. Darüber könnte man sich als Hardcore-Fan nun aufregen und auf den doch klar erkennbaren Bruch zur Original-Trilogie hinweisen, allerdings sollte man sich vielleicht aber auch die Frage stellen, was einem lieber ist: ein Autor, der auf Biegen und Brechen den Stil Stieg Larssons zu kopieren versucht und dabei möglicherweise kläglich scheitert, oder jemand, der wie Lagercrantz dem Buch eben seinen eigenen Stempel aufdrückt. Wer aber deshalb immer noch große Bedenken hat, den kann ich zumindest in weiten Teilen beruhigen: Trotz aller Action-Einlagen, der durch die Straffung häufig eher geradlinig gehaltenen Storyline und einiger kleinerer, für Fans aber unübersehbarer Stilbrüche (so darf Lisbeth Salander in „Verschwörung“ zum Beispiel nur ein einziges Mal zum berühmten „Kalle fucking Blomkvist“, einem ihrer unverkennbaren Markenzeichen, ausholen…) kommt aber spätestens in der zweiten Buchhälfte dennoch ganz klar das anfangs vermisste „Millennium-Feeling“ auf, zumal auch viele alte Bekannte wie Kommissar Bublanski, dessen Kollegen Sonja Modig und Hans Faste oder auch Lisbeths „Hacker Republic“ und ihr ehemaliger Betreuer Holger Palmgren wieder mit von der Partie sind. Zudem kann die Geschichte im Schlussdrittel mit einer ziemlich genialen Wendung aufwarten, die entweder noch von Stieg Larsson von langer Hand geplant war oder aber ein wahrer Geniestreich seines Nachfolgers ist. Wie fällt nun also das abschließende Urteil über den neuen Millennium-Band aus? Betrachtet man „Verschwörung“ als eigenständigen Roman, so muss man einfach konstatieren, dass David Lagercrantz hier ein wirklich packender, trotz der mehr als 600 Seiten auch nahezu jederzeit kurzweiliger und gerade in der zweiten Hälfte auch clever konstruierter Thriller gelungen ist, der wirklich kaum Wünsche offen lässt – sieht man vom vielleicht inzwischen etwas ausgelutschten „Autistisches Kind wird Zeuge eines Verbrechens“-Thema ab. Ordnet man das Werk in den Gesamtzusammenhang der Reihe ein, wird es schon etwas schwieriger: Wer auf eine 1:1-Fortführung der Serie gehofft hat, wird (erwartungsgemäß) enttäuscht, denn der Stil eines Autors lässt sich eben nun einmal nicht ohne weiteres kopieren und man muss David Lagercrantz auch zugute halten, dass er es gar nicht erst versucht, sondern früh seinen eigenen Stil durchsetzt – auch wenn das eben auf Kosten des ein oder anderen von Millennium-Fans geliebten Markenzeichens geht. Diese Kleinigkeiten sind aber zu verschmerzen, weil die Grundpfeiler nach wie vor stimmen: Lisbeth Salander ist immer noch die gewohnt schlagfertige und trotz aller Widerstände unkaputtbare „Kick-Ass“-Heldin und Mikael Blomkvist trotz denkbar schlechter Vorzeichen letztlich immer noch der begnadete Journalist mit unerschütterlichen Prinzipien. Wenn man sich grundsätzlich mit der „Modernisierung“ der Reihe anfreunden kann, wird man trotz aller Skepsis nicht umhin kommen, das mit einer hohen Gefahr des Scheiterns verbundene Experiment David Lagercrantz alles in allem als gelungen zu bezeichnen. „Verschwörung“ ist spannend, unterhaltsam, clever und aktuell und entgegen alle Widrigkeiten ein über weite Strecken geglückter Neustart der „Millennium“-Reihe – man darf nicht zuletzt aufgrund der Auflösung der Geschichte auf weitere Bände gespannt sein.

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