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Rezension zu
Die Insel der Tausend Leuchttürme

WERTHER CASTROP VON MYTHENMETZ AUF NORDERNEY

Von: Marc Otte
07.11.2023

Walter Moers hat es endlich wieder getan und Texte des zamonischen Wortakrobaten Hildegunst von Mythenmetz übersetzt und so seinen neunten Zamonienroman veröffentlicht. Mythenmetz, seines Zeichens Lindwurm, Verfasser und Protagonist der Romane „Stadt der träumenden Bücher“ und „Labyrinth der träumenden Bücher“ leidet seit seinen Abenteuern in den Katakomben Buchhaims im erstgenannten Roman an einem psychosomatischen Atemleiden und reist für eine Behandlung auf die Insel „Eydernorn“, die für ihre 111 Leuchttürme berühmt ist. Auf mehr als 600 Seiten lassen Mythenmetz bzw. Moers das wahnwitzige Bild einer Insel entstehen, die voll ist von skurrilen Gestalten, seltsamen Sitten und Gebräuchen sowie atemberaubenden Naturspektakeln. Mythenmetz Aufenthalt auf der Insel wird bereits zu Beginn des Romans unfreiwillig auf unbestimmte Zeit verlängert und so hat er genug Zeit für seine Besuche des dortigen Lungensanatoriums, die Erforschung der hiesigen Fauna und Flora sowie die Erkundung der Leuchttürme und seiner Besitzer*innen. So ganz nebenbei entdeckt von Mythenmetz seine Liebe für die Zucht der amphibischem Hummdudel, sein Talent für den Regionalsport des Kraakenfiekens und seine Allergie gegen das eydernorner Meerwasser, das eigentlich heilende Kräfte haben soll. Lange mussten die Zamonienfans auf den nächsten Roman über den Lindwurm warten und dann ist es nicht einmal die sehnlich erhoffte Fortsetzung der Buchhaimreihe, sondern ein Reisebericht, der zwischen dem ersten und zweiten Band der Trilogie angesiedelt zu sein scheint. Hat man diese Enttäuschung erstmal überwunden, wartet Moers‘ Roman allerdings mit den üblichen Stärken der autoreigenen Fantasie und seines Humors auf. Moers lässt von Mythenmetz in den ihm üblichen Ausschweifungen als humboldtartige Figur einen Akt literarischer und grafischer Kartographie der Insel, die nicht nur dem Namen nach auf Norderney anspielt. Wer Moers kennt, der weiß, dass derlei Verweise System haben und wirft er auch in diesem Roman ein dichtes Referenznetz aus. So besteht der gesamte Roman aus Briefen von von Mythenmetz an Hachmed Ben Kibitzer, der bereits aus anderen Texten von Moers bekannt ist. Die Antworten Kibitzers sind nicht Teil des Romans und so lässt sich „Die Insel der träumenden Bücher“ nicht nur in die lange Tradition der Briefromane einordnen, sondern am ehesten in die Nähe von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ stellen, deren Autor sein zamonisches Pendant in der Figur hat Ohjann Golgo van Fonthewegs findet. Wie auch Goethes tragischer Held beweist von Mythenmetz in seinen Briefen ein gewisses Maß an Naturfühligkeit. Aber nicht nur Goethe, sondern auch Thomas Mann findet seinen Weg ins moers’sche Universum, denn wie bereits Hans Castrop im „Zauberberg“ so dehnt sich auch der Sanatoriumsaufenthalt der zamonischen Echse um ein Vielfaches. Diese und viele weitere Zitate und Bezugnahmen sind einerseits unterhaltsamer Ausdruck von Moers‘ Kenntnissen der Literaturgeschichte, taugen ihm jedoch auch immer wieder zum Kommentar und zur Einordnung dieser Literatur, etwa wenn er dem eitlen und sich selbst überschätzenden sowie geltungssüchtigen Lungenarzt Tefrint de Bong ein Gedicht Gottfried Benns (merkt ihr was?) in den Mund legt. Wer nun befürchtet, 600 Seiten Insellangeweile über sich ergehen lassen zu müssen, der kennt Moers nicht, denn wie auch bereits in „Rumo“ oder „Stadt der träumenden Bücher“ lässt er auch hier seinen Protagonisten in einen epischen Kampf zwischen Gut und Böser stolpern, in der er selbst natürlich eine zentrale Rolle spielt. „Die Insel der tausend Leuchttürme“ ist also ein typischer Roman des Autors der „13 ½ Leben des Käptn Blaubär“ und er könnte, was die überbordende und explosive Einfallslust von Moers betrifft, locker mit seinen besten mithalten. Leider entfaltet sich diese Geschichte und der Spannungsbogen dieses Briefromans analog zur Stimmung eines Inselspaziergangs bei bestem Wetter nur sehr, sehr langsam. Dass dieser Roman weitaus weniger plotgetrieben ist, wie z.B. mein Lieblingsroman aus Zamonien „Rumo“, liegt sicher auch an den literaturgeschichtlichen Vorbildern, die Moers sich gesucht hat, was mich aber nur begrenzt tröstet und sicher auch anders machbar gewesen wäre, da das infernalische Finale der Geschichte, dann etwas überhastet daherkommt, auch wenn dessen einzelne Versatzstücke rückblickend von langer Hand über die gesamten 600 Seiten hinweg vorbereitet wurden. Alles in allem: Klug wie immer, unterhaltsam ebenso, aber schwächer als manch anderer Zamonienroman. Es bleibt zu hoffen, dass das aktuelle Releasedatum zum nächsten Buchhaim-Roman im Netz (10.10.24) der Wahrheit entspricht. Vielen Dank an @penguinbücher und @team.bloggerportal für das Rezensionsexemplar.

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