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Rezension zu
Adas Fest

Erinnerungswege

Von: Dagmar
05.07.2023

Wie soll man verarbeiten, dass sich das ganze Leben, das eigene und das der Familienmitglieder, als ein anderes entpuppt, als man geglaubt hatte? Katrin Burseg zeichnet ein interessantes Panorama einer Künstlerfamilie, die durch einen Angriff von einer einstmals nahestehenden Person in ihren Grundfesten erschüttert und dazu gezwungen wird, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Jedes Familienmitglied tut das auf seine je eigene Art. Es gibt zwar eine gemeinsame Vergangenheit, aber die Betroffenheit ist sehr unterschiedlich. Das ist Katrin Burseg sehr gut gelungen: man versucht sich einer gemeinsamen Geschichte zu versichern und stellt fest, dass jeder Standpunkt innerhalb des Familiengefüges sehr unterschiedliche Wege der Erinnerung zeichnet. Mit den Erinnerungsfetzen tauchen Bilder auf, aber auch Lücken. Der schmerzhafte Prozess, dessen es bedarf, um die Versatzstücke neu zu ordnen, bringt das Leben der Töchter des Künstlers Leo Kwant und der Fotografin Ada Kwant an den Rand des Ertragbaren. "Du verfolgst die MeToo-Debatte doch auch: Die Zeiten haben sich geändert. Das, was vor vierzig Jahren vielleicht noch ein misslungener Flirt war, gilt heute als sexuelle Belästigung. Es tut mir leid, aber diese Sache hat das Zeug, Papas Ruf irreparable zu beschädigen." S.123 Ein Leben mit sexueller Freizügigkeit muss nun wirklich nicht bedeuten, dass man mit möglichen Missbrauchsvorwürfen unsensibel umgeht. Darüber bin ich gestolpert: obwohl es zu diesem Thema einen Vorwurf und andere Abgründe in der Erzählung gibt, wird an der Stelle des Vorwurfs nicht ernsthaft darauf eingegangen, was es möglicherweise für die betroffene Person bedeutet haben könnte. Lediglich der Ruf und ansonsten sehr nüchterne Reaktionen stehen im Raum. Doch es wird etwas in Gang gebracht. Ein Prozess kommt ins Rollen. Wie man von einer Zwiebel Schicht für Schicht abtragen kann, so entblättert sich diese Familiengeschichte ganz allmählich, Stück für Stück und bleibt überraschend bis zum Schluss. "Der muntere Zampano war nur eine Maske gewesen, hinter der sich das verlassene Kind verbarg. Und diese schwärende Wunde hatte auch der Erfolg nicht heilen können. Im Gegenteil. Denn mit dem Ruhm und dem Geld, das quasi über Nacht auf Leo einprasselte, wuchs in ihm die Angst, alles wieder zu verlieren. Jene Urangst von Verlust, die ihm Elaines Verschwinden und der Krieg eingepflanzt hatten, wurde zu seinem Dämon." S. 216 Entsetzliches kommt ans Licht, aber die Chance, eine mit der Vergangenheit ausgesöhnte Neugestaltung zu wagen, wird von den Familienmitgliedern mit all ihren Herausforderungen angenommen. Und es löst sich am Ende ein Knoten aus Verstrickungen und als Leser*in wünscht man sich geradezu, dass tatsächlich mehr reelle Leute dazu in der Lage wären, so mit ihren Brüchen umzugehen. Das ganze Buch hindurch kommen immer wieder neue, überraschende Wichtigkeiten ans Licht. Ein spannendes Buch! Allein der Anlass für das letzte Fest am Meer - der Meeresanstieg durch den Klimawandel - hätte nach meinem Geschmack mehr Raum einnehmen können. Die Metaphorik ist unglaublich gut umgesetzt: zugunsten eines neuen Dammes müssen alte Dämme eingerissen werden. Ist es nicht immer so? Damit ein unverstellter Blick auf bisher verborgene Wahrheiten nicht zu schmerzhaft wird, müssen neue, andere Dämme errichtet werden. "Liebe war eine Naturgewalt. Ob die Kinder das je begreifen würden?" S. 378 Mein erstes Buch, das ich von Katrin Burseg gelesen habe, ich bin jetzt schon gespannt auf weitere Lektüre.

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