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Rezension zu
Nachtjagd

Ambitionierte Grundidee, die in der Umsetzung aber zu selten überzeugt

Von: Büchermonster
18.06.2023

In seiner norwegischen Heimat ist Jan-Erik Fjell längst ein renommierter und prämierter Bestsellerautor, im deutschen Sprachraum ist dessen Reihe um den Osloer Kriminalkommissar Anton Brekke jedoch noch weitestgehend unbekannt. Das ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass von der mittlerweile schon neun Bände umfassenden Serie gerade einmal die ersten beiden in deutscher Übersetzung erschienen sind – und das offenbar mit eher mäßigem Erfolg, denn seit dem Jahr 2013 hat es kein weiterer Roman des Autors hierzulande in die Verkaufsregale geschafft. **In Norwegen längst Bestsellerautor – jetzt auch (endlich) in Deutschland?** Nun hat sich jedoch der Goldmann Verlag die Rechte am sechsten Buch der Serie gesichert und wagt mit “Nachtjagd” einen neuen Versuch, Jan-Erik Fjell auch in Deutschland zu etablieren. Um aus der Masse an skandinavischen Kriminalromanen und Thrillern hervorzustechen hilft dabei sicherlich die ungewöhnliche Ausgangssituation des Romans, denn “Nachtjagd” bietet auf den ersten Blick gleich drei Geschichten in einer. **Ein Thriller, drei grundverschiedene Geschichten** Am gewöhnlichsten der drei vorrangigen Handlungsstränge ist dabei sicherlich jener um Fjells Protagonisten Anton Brekke, der sich gleich mit zwei äußerst unangenehmen Problemen herumschlagen muss. Zum einen plagt ihn eine überaus schmerzhafte Entzündung im Intimbereich, noch herausfordernder dürften für ihn jedoch die Ermittlungen im Fall einer ermordeten jungen Frau sein. Denn als wenn der Mord an sich noch nicht schlimm genug wäre, so scheint dieser auch noch auf das Konto von Norwegens meist gefürchteten Verbrecher zu gehen – nämlich auf das von Serienmörder Stig Hellum, dem vor einiger Zeit die Flucht aus dem Gefängnis gelungen ist. **Wie passt der amerikanische Todeskandidat in die Norwegen-Handlung?** So weit, so wenig überraschend für einen Norwegen-Thriller. Auch die Episode auf einem Schiff der Hurtigruten-Kreuzfahrtflotte, wo sich ein mysteriöser Reisender und eine Mitarbeiterin näher kommen, fügt sich passend in das Setting ein, auch wenn ein inhaltlicher Zusammenhang zu den Brekke-Ermittlungen lange nicht erkennbar ist. Neugierig macht dann aber vor allem die Geschichte um den Amerikaner Nathan Sudlow, der in Texas in der Todeszelle sitzt und in wenigen Stunden seine Hinrichtung als verurteilter Mörder erwartet. Auch die Tatsache, dass dieser Handlungsstrang mehr als eine Dekade vor den aktuellen Geschehnissen stattfindet, sorgt zu Beginn für ein großes Fragezeichen. **Auf der Suche nach dem großen Zusammenhang** Kreativität kann man Jan-Erik Fjell also kaum absprechen, doch leider funktioniert dessen Konstrukt nicht so, wie es sich der Autor sicherlich erhofft hat. Zwar sind die jeweiligen Erzählebenen für sich genommen durchaus interessant und spannend erzählt, allerdings liegen diese inhaltlich und teilweise auch zeitlich so weit auseinander, dass man häufig das Gefühl hat, man würde drei verschiedene Bücher parallel lesen, die offenbar überhaupt nichts miteinander zu tun haben. **Eine Hauptfigur, die eigentlich keiner braucht** Dabei fällt zudem ausgerechnet die Haupthandlung um Protagonist Anton Brekke und dessen neuen Kollegen Magnus Torp qualitativ deutlich ab. Zum einen gibt es in der ersten Buchhälfte kaum erkennbare Polizeiarbeit und die Ermittlungen werden meist sehr willkürlich vorangetrieben, zum anderen präsentieren sich die Charaktere hier als weitestgehend völlig farblos und austauschbar. So ist das Interessanteste an Anton Brekke leider auch schon dessen geschwollener Hodensack – abgesehen davon fällt der Kommissar nämlich oft nur durch sein missgünstiges Verhalten und ein etwas rückständiges Frauenbild auf. Überhaupt spielt das weibliche Geschlecht in diesem Roman nur zwei Rollen – die des Opfers und die des optisch schmückenden Beiwerks. **Überambitionierter Thriller mit versöhnlichem Schlussdrittel** Im Schlussdrittel legt “Nachtjagd” aber dann doch noch einmal merklich zu und führt die anfangs weit auseinander liegenden Handlungsstränge letztlich doch noch zu einem zumeist stimmigen Gesamtbild zusammen. Zwar ist die Auflösung insgesamt schon arg weit hergeholt, bietet dadurch aber auch einen wirkungsvollen Überraschungseffekt und ist trotz aller Unwahrscheinlichkeit immerhin handwerklich schlüssig konstruiert. Beim spannenden Finale dürfen dann auch Anton Brekke und Magnus Torp ihre Fähigkeiten endlich ein wenig unter Beweis stellen und deuten so doch noch ihr mögliches Potenzial an. Das alles reicht zwar nicht mehr, um “Nachtjagd” in die qualitativ obere Riege der skandinavischen Spannungsromane zu befördern, sorgt aber wenigstens für einen versöhnlichen Abschluss.

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