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Rezension zu
Zeit der Schuld

Zeit der Schuld – Indien aus verschiedenen Perspektiven

Von: thursdaynext
01.05.2023

ine Ziege befreit sich, frisst verbotenerweise im Beet des Nachbarn und ein kleiner Junge wird verkauft um diese Schuld zu tilgen. So beginnt Deepti Kapoors Roman, wirft einen, sachlich erzählt, und daher umso brutaler hinein in diese Geschichte um Schuld und Wiedergutmachung. Kapoors Indienbild ist ein sehr spezielles obwohl es mich ein wenig an Arhundati Roy erinnert. Nur ohne jeglichen Charme, ohne die abmildernde Wirkung der kleinen zauberhaften Nebensächlichkeiten die Roy in ihre Romane einwebt. Kapoor knallt einem die harte Wahrheit ins Gesicht, oder im Falle des Hörbuches auf die Ohren. Es ist kein Postkartenindien mit bunten Farben, exotischen Gerüchen und lächelnden Menschen. Als verwöhnte Westeuropäerin lauscht man der Geschichte erschrocken und entsetzt, versucht sie in Kontext zu bringen mit der eigenen Vorstellung von diesem zauberhaften, und aus unserer Sicht auch brutalem Land und siehe da, es fällt leider erschreckend leicht. Es sind spannende, widersprüchliche Charaktere die den Roman bevölkern. Beginnend mit Ajay, der als kleiner Junge, der niedrigsten Kaste entstammend, verkauft wird und dem es gegen alle Widrigkeiten gelingt seine Lebensumstände zu verbessern. Dann ist da noch Needa, Akademikertochter und Journalistin aus gutsituiertem Haus die auf Sunny den hedonistischen, die Schönheit liebenden Sohn eines kriminellen, steinreichen Emporkömmlings trifft. Er wirft mit Geld um sich, bezaubert seine AnhängerInnen, sammelt Kunst und ist doch im Inneren hohl und leer. Denn auch sein Weg ist vorgezeichnet. Er soll zu dem skrupellosen Sohn und Erben werden, den sein Vater sich wünscht. Ihrer aller Leben sind miteinander verwunden. Und es ist extrem spannend ihre Entwicklung zu verfolgen, diesen Geschichten zu lauschen auch dank des Sprechers, der diesen großartigen Roman mit der angemessenen emotionalen Distanz erzählt. Diese Spannung bleibt bis zum Ende erhalten, einerseits dank der wechselnden Zeiten und auch durch die wechselnden Erzählperspektiven, wobei es der Autorin gelingt, sowohl nüchtern zu berichten und dennoch einen Sog zu erzeugen der einen bis zum Ende dieses Romans nicht mehr loslässt. Indien ist brutal, die Demokratie wackelig, Koruption beherrscht alles und dazwischen versuchen sich die Menschen im Überleben. Welche Auswirkungen ein solches Staatswesen auf Menschen hat lässt sich hier sehr intensiv nachfühlen. Den Zynismus, die Gier und die Gefühllosigkeit der herrschenden Klasse anderen gegenüber, die absolute Verantwortungslosigkeit des Handelns dieser Menschen, die nur dem eigenen Wohlergehen dienen, so direkt, stringent und spannend erzählt wie Depti Kapoor das in ihrem zweiten Roman familienumspannend auf den Punkt bringt, das ist außergewöhnlich. Kapoor hat mir wieder einmal in Erinnerung gerufen, was für ein Glück ich habe als Frau in einer liberalen westlichen Demokratie geboren zu sein. Aber die Fragilität unseres Sozialwesens ist mir ebenso deutlich bewusst. Vielleicht sollten wir unsere hart erworbenen demokratischen und sozialen Errungenschaften mehr wertschätzen und verteidigen. Auch das kann man aus Deepti Kapoors Roman herauslesen.

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