Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Gutes Debüt mit kleinen Schwachstellen

Von: Buechernische
09.07.2015

Paula Hawkins Debüt wurde in den letzten Wochen in den höchsten Tönen gelobt. Von „Nr. 1 Bestseller aus England und den USA!“ bis „…einer der Top-Thriller des Jahres“ raste der Hype wie ein ungebremster TGV durch die Netzwelt. Keine Sorge, ich werde mich mit Zugmetaphern in dieser Rezension zurückhalten. Ob das Buch den hohen Erwartungen, die es im Vorfeld geschürt hat, gerecht werden kann? Ist der Hype gerechtfertigt? Gleich vorweg: In den meisten Fällen gehe ich solch überschwänglich beworbenen Büchern erst einmal aus Prinzip aus dem Weg. Zuletzt konnte ich dem fabelhaften Thriller »Die Falle« von Melanie Raabe nicht widerstehen, dessen Rechte bereits vor Erscheinen ins englischsprachige Ausland verkauft wurden und ebenso vielstimmig gelobt wurde – zurecht übrigens. Nachdem ich nun für eine ganze Weile nicht mehr zu Büchern aus dem Spannungsgenre gegriffen habe, war Paula Hawkins Debüt»Girl on the Train« schon das zweite Werk innerhalb kürzester Zeit, auf das ich durch den Lovelybooks Lesetag aufmerksam wurde. Ein Buch innerhalb eines Tages lesen? Das sollte machbar sein. Schlussendlich schaffte ich an besagtem Tag etwa die Hälfte des Debüts und beendete es schließlich in den darauffolgenden zwei Wochen. Die vergleichsweise lange Lesezeit war jedoch nicht etwa dem Buch selbst, sondern vielmehr meiner mangelnden Zeit in Kombination mit herrlich sonnigem Sommerwetter geschuldet. Der erste Blick auf das Cover deutet die ständige Bewegung des Zuges an, die Bewegungsunschärfe im Textbild unterstützt diesen Eindruck. Das Titelbild ist schlicht, passt jedoch sehr gut zum Inhalt des Buches. Den Untertitel allerdings hätte man sich getrost sparen können, zumal er noch nicht einmal passt. Warum immer dieser Drang zur Untertitelung? Ich verstehe das nach wie vor nicht. Aber nun gut. Bereits auf dem Cover wird dem Buch sein Genre zugeordnet: Roman. Während im Socialmedia oft vom Psychothriller gesprochen wurde, würde ich Hawkings Werk eher als Psychokrimi oder –drama einordnen. Für einen Thriller ist das Erzähltempo einfach zu langsam, als Roman würde ich »Girl on the Train« wiederum aufgrund der zahlreichen Spannungselemente nun auch nicht unbedingt bezeichnen. Die Autorin hat einen interessanten Schreibstil aus der Ich-Perspektive, der mich, wie ich ehrlich zugeben muss, doch sehr fasziniert und immer intensiver zwischen die Seiten gezogen hat. Hawkins weiß, wie man die stetige Neugier des Lesers auf das, was noch kommen mag, schüren muss. Das hat sie wirklich drauf, baut sie ihr verschachteltes Verwirrspiel nur sehr gemächlich auf. Erst nach einer rund 50-80 Seiten umfassenden Einführung und gleichzeitigen Demontage der Hauptfigur steigt die Spannungskurve zunehmend an und du hast als Leser das Gefühl, das Buch nicht mehr zur Seite legen zu können. Ich musste weiterlesen, Seite um Seite, neugierig und geradezu hungrig auf die zu erwartenden Geschehnisse. Egal wie müde die Augen sein mochten, der Fahrtwind des Buches zog mich wie ein Sog unbarmherzig mit sich. »Girl on the Train« ist ein packendes Verwirrspiel, voller subtiler Spannungsmomente, die mich immer tiefer in das Geflecht aus umnebeltem Alkoholzustand und klaren Momenten zog. Was ist nun Einbildung, was Realität? Was ist geschehen, wer hat seine Finger im Spiel? Mir fiel es doch recht schwer, das voneinander zu differenzieren – die Autorin hat also in diesem Punkt alles richtig gemacht. Außergewöhnliche Hauptfigur Ungewöhnlich ist auch die Protagonistin des Buches. Der Handlungsstrang baut auf Rachel auf, einer gebrochenen, dem Alkohol verfallenen und frisch geschiedenen Hauptfigur, die bei einer Freundin in der Wohnung untergekommen ist und sowohl sich selbst als auch ihrer Umwelt eine vermeintlich heile Welt vorgaukelt. Sie ist keine typische Heldin, charakterlich eher schwach, unberechenbar und zwischendurch schon beinahe etwas zu wehleidig. Rachel ist auf den insgesamt 448 Seiten vor allem damit beschäftigt, gegen sich selbst, ihre Gedächtnislücken und den ständigen Drang nach Hochprozentigem zu kämpfen. Manches Mal sorgte ihr Verhalten für Augenrollen meinerseits, hätte ich der Frau doch nur zu gerne mehrmals kräftig in den Hintern getreten. Ein Kritikpunkt, der den Lesespaß leider ebenfalls etwas dämpfte. Nichtsdestotrotz hat die Autorin wohl genau das bezweckt. Sie schuf mit Rachel einen realistisch wirkenden Charakter, deren Alkoholproblem überhaupt erst das entscheidende Element in diesem geschickt verknoteten Handlungsstrang darstellt. Die Erzählperspektive aus Sicht der Protagonistin im Wechsel mit zwei weiteren, für die Geschichte elementar wichtigen Figuren, sorgt dabei für kontinuierlich aufgebaute Spannung. Im Prinzip versinkt die Hauptfigur erst einmal im wirbelnden Strudel blasser Erinnerungsfetzen, welche sie nicht zuordnen kann. Im Laufe der Geschichte wird Teilchen für Teilchen des Puzzles langsam zusammengesetzt, der eine oder andere verwirrende Richtungswechsel eingeschlagen, bis die Auflösung schließlich Licht ins Dunkel der Geschehnisse bringt – allerdings ein Finale, das mir angesichts der vorher so kunstvoll verstrickten Handlungsstränge etwas zu banal erschien und daher schlussendlich für eine gewisse Ernüchterung sorgte. Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Mein Fazit: Ein durchaus spannendes Psychospielchen aus der Perspektive einer gebrochenen Hauptfigur, welche mich jedoch zeitweise leider so nervte, dass der Lesespaß ein wenig abhanden kam. Dennoch gelang es der Debütautorin, mich an ihr Werk zu fesseln, wenngleich man von der finalen Auflösung nicht zuviel erwarten sollte. Wer wie ich selten zu einem Thriller, aber zwischendurch gerne zu einem spannenden Roman oder Psychokrimi mit verschiedenen ineinander verzweigten Handlungssträngen greift, der ist mit »Girl on the Train« ganz gut beraten. Thrillerfans werden eher weniger auf ihre Kosten kommen. Wer sich dessen bewusst ist, wird mit diesem Buch einige unterhaltsame Lesestunden erleben können. Um die Frage von vorhin noch einmal aufzugreifen, ob »Girl on the Train« dem Hype gerecht wird: Nein. Alles in allem eine empfehlenswerte Lektüre für zwischendurch, der ich aufgrund der Kritikpunkte noch gute 3,5 Leseherzen vergebe, doch als Highlight möchte ich dieses Debüt nicht bezeichnen.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.