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Rezension zu
Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen

Ein fulminantes Familienepos zwischen Sizilien und München

Von: Buch_zeit
14.04.2022

„Mein Urgroßvater Barnaba Carbonaro, Sohn eines Priesters und einer Wunderheilerin, hat vierundzwanzig Kinder gezeugt, einen Menschen getötet und ein Mandarinenimperium gegründet. Ein kleiner Mann mit rastlosen Augen, Analphabet, aber mit einem exzellenten Gedächtnis für Zahlen und ausstehende Gefälligkeiten. Ein Mann mit einer Glückshaut, er bedauert nichts, als er nach langer Abwesenheit wieder nach München zurückkehrt.“ So startet Mario Giordanos fulminates Familienepos „Terra di Sicilia - Die Rückkehr des Patriarchen“, das ein farbenprächtiges Panorama der Weltgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom ebenso archaischen wie arkadischen Sizilien bis nach München aufspannt. Der Roman hat 544 Seiten und erschien am 14. März 2022. Vielen lieben Dank @goldmann_verlag und @bloggerportal für das kostenlose Rezensionsexemplar! Barnaba Carbonaro wächst Ende des 19. Jahrhunderts in ärmlichsten Verhältnissen im archaischen Sizilien auf. Vom bettelarmen Zitruspflücker und Aktmodell in Taormina arbeitet Barnaba sich mit Beharrlichkeit, Gewitzheit und Mut zum Dandy in Catania und Palermo empor und schließlich sogar zum geachteten Händler für Zitrusfrüchte auf dem Münchner Großmarkt. Den Kopf voller Träume von Reichtum und einer Familiendynastie sehnt er sich nach dem großen Glück. Vierundzwanzig Kinder zeugt er, von denen nur die wenigstens überleben, er verdient ein Vermögen und verliert es wieder. Auf atemberaubende Triumphe folgen bodenlose Niederlagen, Neuanfänge und Abschiede. Wir begleiten sein Leben und das seiner Familie von 1890 bis in die 1960er Jahre, von Sizilien nach München und nebenbei läuft die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seinen Errungenschaften und Schrecken an uns vorbei. Am Ende seines Lebens schaut der Patriarch auf sein Leben zurück, denn „Leben werden gelebt, um erzählt zu werden“. Mario Giordano hat einen grandiosen historischen Roman geschrieben, der zum Träumen einlädt - sinnlich, opulent und vielschichtig. Ein Fest für die Sinne und ein sprachlicher Hochgenuss! Ein absolutes Lesehighlight! Barocke Opulenz und Sinnlichkeit prägen die farbenprächtigen Schilderungen, die komplett ohne Kitsch auskommen. Taormina, Catania und Palermo hat man sofort vor Augen, den im Hintergrund rauchenden Etna, die Zitronengärten und prächtigen Paläste, man fühlt beinahe die brennende Sonne auf der Haut, sieht das funkelnde Meer, atmet den Duft Siziliens. Aber auch München wird plastisch greifbar, von den Armensiedlungen, dem Großmarkt bis ins aufstrebende Nachkriegsmünchen. Unglaublich atmosphärisch taucht man in die Welt des Banaba Carbonaro ein. Allein schon die Beschreibung seines ersten Cannolo oder seines ersten Fruchtsafts lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen und man schmeckt diese kulinarischen Köstlichkeiten förmlich! Die entsetzliche Armut und die Entbehrungen der einfachen Leute im archaischen Sizilien des ausgehenden 19. Jahrhundert werden greifbar, die unendliche Schinderei auf den Zitrusplantagen, die Krankheiten und Grausamkeiten. Ein Land von paradiesischer überbordender Fülle und Schönheit, aber auch tiefen Abgründen, so fruchtbar und zugleich furchtbar wie der Etna. Die Moderne, das 20. Jahrhundert mit seinen Errungenschaften ist unendlich weit weg für die einfachen Leute. Der Kontrast zwischen der bitteren Armut und dem mythischen Arkadien, dass die deutsche und vor allem auch europäische Bohème und später auch das Bürgertum in Sizilien sucht, ist eklatant. So bedienen die mythischen Aktfotografien des Barons Wilhelm von Gloeden das Wunschbild der Deutschen, während seine Modelle ums bloße Überleben kämpfen. Sizilien erscheint wie eine Fata Morgana, aus Schönheit, Magie und Untergang. Schließlich spielen die „kindlichen Götter“, die Macht des Schicksals, mit Barnaba, der sein Arkadien in München findet, seinen Erfolg dort macht. Barnaba ist getrieben von unstillbarer Sehnsucht, Spielball des Schicksals, mal Odysseus, mal der wütende geblendete Zyklop, mal Betrüger, dann wieder der Betrogene. Sein Leben und die Geschichte seiner Familie eine permanente Gewinn- und Verlustrechnung. Gewitzt und zielstrebig ringt er den Göttern Anerkennung und das große Glück ab. Immer wider schlägt er dem Schicksal ein Schnippchen, während atemlos in unfassbarem Tempo das 20. Jahrhundert mit seinen Errungenschaften und Abgründen vorbei zieht, die Familiengeschichte mal mehr, mal weniger tangiert. Geprägt wird er durch die starke Frauen in seinem Leben. Seine wunderheilende Mutter Pancrazia, die unvergleichliche Rosaria, seine Ehefrau Pina, die Zauberin Zia Melina, seine Kirke, und die deutsche Helene. Mario Giordano schreibt gerade am zweiten Teil aus der Perspektive der Frauen der Familie! Man merkt in jedem Detail, wie viel Liebe und intensive Recherche in diesen Roman geflossen sind, der ein sinnliches, farbenfrohes und imposantes Bilderbuch aufspannt. Und auch die Toten, die nicht gehen können, die „patruneddi di casa“ sitzen wie selbstverständlich mit am Tisch, ohne das man sich über diese traurigen Hausgeister wundert. Doch wie sollte es an einem so uralten und magischen Ort wie Sizilien auch anders sein. „Terra di Sicilia“ ist ein mitreißender und magischer Roman, der einen mit kunstvoller Prosa und wundervollen Bildern in seinen Sog zieht. Vielschichtige Charaktere, unerwartete Wendungen und eine spannende Geschichte haben diesen von der Familiengeschichte des Autors inspirierten Roman zu einem absoluten Lesegenuss gemacht! Klare fünf Sterne von mir und eine große Leseempfehlung für alle, die einen Schmöker zum Träumen suchen. Ich bereue fast, ihn schon fertig gelesen zu haben und warte sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Als Überbrückung könnte Mario Giordanos humorvolle Reihe um „Tante Poldi“ dienen.

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