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Rezension zu
Dr. Pops musikalische Sprechstunde

Meist ein Genuss

Von: Ingeborg Strauß
17.08.2021

In einem Parforceritt galoppiert der Musikologe und Radiomoderator M. H. Wyrwich durch poppige und pop-affine Musikwelten. Das thematische Sammelsurium von Evolution über Manipulation bis Sport (Kap. 1 bis 8) trieb mir tiefe Furchen ins Gesicht. Sie glätteten sich merklich in den folgenden 5 Kapiteln (kein Rechenfehler). Angehängt ist u.a. ein Mini-Glossar, das ich an 2 Stellen kritisch sehe: „Bei 120 dB kann es ohne Gehörschutz im Ohr wehtun“ und „op. … Bezeichnung für Kunstwerk einer Komponistin oder eines Komponisten“ (umfassender „künstlerisches, besonders musikalisches, literarisches, wissenschaftliches Werk“). Bei der Fülle der Informationen und Meinungen des Autors in wild zersplitterten Themen(brocken) müssen Details wie Splitter von Bomben erscheinen. Das ist unvermeidlich, soll doch der Testleser laut Verlagsvorgabe seine „persönliche Meinung“ widerspiegeln und damit bei der Entscheidung helfen, ob andere dieses Buch ebenfalls lesen wollen“. Nun denn. Manches kommt marktschreierisch daher. Kapitel 5 stimmt in Unter- und Unterunterüberschrift zur Überschrift „… baby one more time“ so ein: „Manipulation | Mit Britney Spears gegen Piraten und mit Bach gegen Obdachlose – wenn Musik zur Folter wird“. Wer auf Anhieb den Zusammenhang begreift, ist Pop-Insider. Wem ein Fragezeichen auf der Stirn steht, der konsultiere die bekannte InfoEinstiegsWebsite W…a. Diese Leser-Einteilung in solche und solche zieht sich durch das gesamte Buch. Aber Achtung, Dr. Pop hat die (hier positiv gemeinte) Gabe, mit auf dem Kopf stehenden Begriffen und Argumenten zu jonglieren. Das gilt auch für die Skizzen, etwa den Teufelsgruß vor einem Zitat von Kleist. Der Wissenschaftler schimmert immer mal wieder durch. Der Leser wird z.B. mit Informationen wie „»Coco Jambo« […] steht in cis-Moll; »Tears in Heaven« […] in A-Dur“ oder „aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. Es trägt den Namen »Hurritische Hymne Nummer 6«“ beglückt. Die gesamte Anlage des Buches ist Geschmackssache, doch sollte Dr. Pop, so selbstverliebt in seinen Sprachstil, nicht übertreiben. Mancher mag bei den Erläuterungen zum „Ohrwurm-Welthit“ „Guten Abend, gut‘ Nacht“ grinsen, für mich ist es ein Fauxpas: „»Näglein«, das altdeutsche Wort für Gewürznelken – diese waren an der Wiege angebracht, um Ungeziefer fernzuhalten. »Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.« Und wenn er nicht will? Das Kind muss beim Text an Ungeziefer denken, und wenn es Pech hat, überlebt es die Nacht nicht. Na dann, gut’ Nacht. […] Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Melodie noch viele Hundert Jahre überdauern wird. Vielleicht mag sie ja mal jemand zur Sicherheit auf einen Grabstein packen.“ Zu akzentuieren ist des Doktors Lust. Ein Stilmittel ist das Aufpicken irgendeines Etwas, seine Verabsolutierung und Normsetzung. Ein Beispiel: Sein Professor berichtete, „er habe noch Adorno in Frankfurt a. M. erlebt, […] wobei man Adorno in den Pausen zwischen den Vorlesungen beobachten konnte: Er habe am Flügel gesessen und die neusten Schlager-Hits aus dem Radio nachgespielt. Fröhlich vor sich hin summend. Er habe es geliebt.“ Kein Widerspruch, aber welche Bedeutung? Ich berichte ebenfalls aus Frankfurt: Adorno war in unser musikwissenschaftliches Seminar eingeladen worden. Am Ende wurde er gebeten, am Flügel eine eigene Komposition vorzutragen. Nach einer Zeit des Nachdenkens stimmte er mit gesenktem Kopf und brüchiger Altmännerstimme ein Lied an. Wir waren sehr beeindruckt. Dr. Pop kennt und respektiert Grenzen, mal spöttisch-direkt, mal implizit: „Aus meiner Sicht wäre der Einsatz von Justin Bieber allerdings ein Verstoß gegen die Genfer Konvention“ und „Rockplatten mit satanischen Botschaften“. Typen wie Marilyn Manson werden zu Recht nicht erwähnt. „Wenn man etwas aus dem Ärmel schütteln will, muss man vorher was reingetan haben.“ Dr. Pop hat. Darauf einen „UNSECO“ (Pos. 3513 statt UNESCO). Protest an den Verlag: Das Werk mit 4000 Schriftzeichen adäquat würdigen z:-(

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