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Rezension zu
Das geschwärzte Notizbuch

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Eine ambivalente Leseerfahrung

Von: diabokill
18.02.2020

Das geschwärzte Notizbuch ist kurz gesagt: ungewöhnlich. Wer einen unterhaltsamen belletristischen Roman erwartet, liegt hier falsch. Viel mehr handelt es sich um ein literarisches Experiment, das gefühlt mehr Wert auf die Textform als auf die Handlung legt. Ohne zu viel zu verraten, kann man sagen, dass die „Kapitel“ im Buch nach den unterschiedlichen Medien benannt sind, auf denen der Protagonist seine Geschichte erzählt. So kommen zu dem im Titel genannten Notizbuch noch andere Textformen wie „Kinoprogramm“ oder Notizzettel. Dadurch wartet jedes Kapitel mit einer anderen optischen Präsentation auf, die das jeweilige Medium nachahmt. Diese stilistische Entscheidung behält der Autor konsequent von der ersten bis zur letzten Seite bei, was die Unmittelbarkeit des geschriebenen gut zur Geltung bringt. Immerhin lesen wir hier die spontanen Notizen und unrevidierten Gedankengänge des Protagonisten. Dadurch wirkt der Text zwar authentisch, wird aber auch schnell anstrengend. Das mag Geschmackssache sein, aber obwohl ich die hartnäckige Detailtreue in der Textform literarisch zu würdigen weiß, habe ich mir nach spätestens 20 Seiten einen normalen Erzähltext gewünscht. Verstärkt wurde dieser Wunsch durch die vielen Wiederholungen, die eine solche Erzählform mit sich bringt. Manche Gedankengänge, die unser Protagonist besonders betonen will, werden Wort für Wort aufgeschlüsselt, grammatikalisch umgestellt und durch Stilmittel wie Chiasmen mit sich selbst in Gegensatz gestellt. So kommt es, dass man teilweise über eine halbe Seite hinweg immer wieder denselben einzeiligen Satz in den verschiedensten Variationen zu lesen bekommt. Auch gibt der Protagonist (für meinen Geschmack) zu viele persönliche Informationen, welche die Handlung nicht vorantreiben und man besser verschwiegen hätte. (Ab hier mild spoiler) zum Beispiel will ich nicht wissen, wann er wie oft und wie lange masturbiert, trotzdem wird man auf fast jeder zweiten Seite daran erinnert... ein für die Story und Charakterentwicklung vollkommen irrelevantes Detail, das lediglich dazu führt, dass mir das Lesen weniger Spaß macht. Allgemein wird keine Gelegenheit ausgelassen, sowohl Protagonisten als auch Antagonisten als egozentrische Unsympathen darzustellen, abgesehen davon fehlt beiden aber jegliche charakterliche Tiefe. Der Höhepunkt der Story geschieht schon nach der Hälfte, dann passiert jedoch einfach ein Schnitt und man muss sich 100 Seiten konfuse Nostalgie antun, bevor endlich alles in einem unspektakulären Halbsatz aufgelöst wird. Einerseits stellt diese Entscheidung einen mutigen Bruch mit klassischen Erzählkurven dar, andererseits wird dadurch das zweifellos vorhandene Spannungspotential nicht nur nicht ausgeschöpft, sondern geradezu absichtlich ignoriert. Ich könnte mich stundenlang über dieses Buch aufregen, weil es einfach so zwiespältig ist. Kurz zusammengefasst: + Mut, Konventionen zu brechen + interessante Textform + stilistische Konsequenz - verschenktes Potential in Story und Charakterentwicklung - too much information - stilistische Konsequenz Fazit: Man muss dieses Buch mit der richtigen Erwartung angehen. Als literarisches Experiment ist es zu empfehlen. Für reines Genusslesen ist es hingegen wenig bis gar nicht geeignet.

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