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Rezension zu
Die Kosmetikerin

Columbian Noir

Von: DunklesSchaf
31.10.2019

So genau kann ich es nicht erklären, aber dieser Noir-Krimi hat mich sofort angezogen. Das Cover, der Titel, der Klappentext (abgesehen von dem wirklich fürchterlichen Satz „Maniküre. Massage. Mord.“ auf der Rückseite) – perfekt, dachte ich mir. Wobei ich vermute, dass männliche Leser hier eher selten zugreifen werden. Das allerdings wäre ein Fehler. Ja, Frauen sind die Protagonisten dieses Noirs, und ja, ein wenig Zeit verbringt man auch im Kosmetikstudio, denn dies ist nicht nur der Arbeitsplatz der Protagonistin Karen, sondern eben auch der Punkt, an dem die Handlungsstränge zusammenlaufen. Doch keine Sorge, dies ist nur der Rahmen des Buches. Vielmehr ist der Roman ein tiefer, verstörender Blick in die Großstadt Bogotá, bis in die Tiefen der Stadt leuchtet die Autorin und scheucht die Asseln auf, die da unter den Steinen lauern: Rassismus und Sexismus, Macht und Korruption, Drogen und Gewalt. Und so ist dieser Noir tief beeindruckend, wenn auch nicht einfach zu lesen. Die Grundhandlung ist schnell erklärt: Karen zieht nach Bogotá und nimmt einen Job als Kosmetikerin im “Haus der Schönheit” an, schickt das verdiente Geld an ihre Mutter, die sich um ihren kleinen Sohn kümmert. Ziel ist es, den Jungen nachzuholen, sobald genügend Geld vorhanden ist. Eines Tages kommt ein junges Mädchen zu Karen in die Behandlung, leicht beschwipst und mit dem Wunsch einer Intimrasur. Am nächsten Tag ist das Mädchen tot. Schnell wird es zum Selbstmord erklärt, doch deren Eltern glauben nicht daran und tauchen bei Karen auf, die eine der letzten war, die das Mädchen lebend gesehen hat. Der Fall um das ermordete junge Mädchen ist der Aufhänger und bildet den Rahmen, doch im Hintergrund spielen weitreichendere Verwicklungen eine Rolle. Es ist harter Tobak, den die Autorin hier präsentiert. Schonungslos berichtet sie von Vergewaltigung, Diebstahl, Prostitution, Drogenmissbrauch und setzt daneben die vorgegaukelte heile Welt des “Hauses der Schönheit”. Ein Ort, der eine Fassade bietet, der streng geregelt ist und Geheimnisse birgt. Hier ist alles hell, flauschig, eine Wohlfühlatmosphäre. Die hat es auch Claire angetan, die von Karen begeistert ist und eine ihrer Stammkundinnen wird. Eine Psychologin, die zur oberen Schicht gehört und sich die Behandlungen dort auch leisten kann. Karen hingegen legt jeden Groschen beiseite, leider nicht auf der Bank, was ihr noch zum Verhängnis werden wird. Neben Karen und Claire gibt es tatsächlich eine Vielzahl an weiteren Charakteren, die diesen Krimi bevölkern. Ich will sie gar nicht alle aufzählen, aber eine Besonderheit muss ich schon erwähnen. Die Autorin lässt ihre Charaktere sehr oft aus der Ich-Perspektive berichten. Das führt zu Verwirrung, da bei den Kapiteln manchmal nicht gleich klar ist, aus welcher Sicht nun berichtet wird. Zudem, natürlich nur, um den Leser noch ein wenig zu fordern, wechselt die Autorin auch in Kapiteln hin und wieder die Perspektive. Dies mag vielen Lesern zum Verhängnis werden, denn es ist nicht einfach in die Geschichte zu kommen und am Ball zu bleiben. Doch es lohnt sich, wenn man sich auf diese Herausforderung einlässt. Auch wenn sich nicht alle Kapitel um Karen drehen, wird ihre Geschichte erzählt. Nebenbei flicht die Autorin Stellen ein, die zeigen, dass selbst kleine Begebenheiten Karens Weg geprägt und vorbestimmt haben, aber auch längere Erinnerungstücke. Als Beispiel zu nennen, die permanente Aufgabe, ihr Haar zu glätten, denn indigene Frauen mit gekräuselten Haaren bekommen schlicht und einfach keinen Job. Eine Tortur für die Haare, ein deutliches Zeichen von rassistischer Benachteiligung. In Bogotá angekommen, sieht man einen winzigen Hoffnungsschimmer für Karen, doch dann nimmt das Unheil seinen Lauf. Geprägt von männlicher Gewalt, Sex, Prostitution, Drogen und Macht befindet sie sich auf einer Abwärtsspirale, welche durch das zufällige Treffen mit dem jungen Mädchen in Gang gesetzt wird. Im Übrigen völlig unverschuldet, dazu auserkoren den Sündenbock abzugeben und noch von einer wohlmeinenden guten Seele über den Abgrund geschubst. Oh, und wer hier ein Happy End erwartet… keine Chance! Es ist eines der depremierendsten Enden, die ich je gelesen habe. Und dabei so fürchterlich real. Man könnte meinen, dass das Leben hier nochmal zutritt, obwohl man schon am Boden liegt. Noir eben. Wer glückliche Enden will, liest dann bitte was anderes. Für mich hat sich die Lektüre gelohnt, der Krimi hat meine Erwartungen mehr als erfüllt. Es war ein wirklich guter Noir aus Kolumbien und aus der Feder einer Autorin – im Noir sind Frauen immer noch viel zu selten anzutreffen. Auch wenn ich zugeben muss, dass die vielen Ich-Perspektiven jetzt nicht hätten sein müssen und hier eine andere Struktur den Lesefluss maßgeblich hätte verbessern können. Aber auch hier gilt, Mainstream kann jeder, hier muss man eben ein wenig Konzentration mitbringen. Fazit: Ein richtig guter Noir aus Frauenhand, aus Frauenperspektive, aber sowas wie von kein “Frauenroman”. Sehr zu empfehlen, auch wenn ein wenig Konzentration nötig ist, um den Ich-Perspektiven der Charaktere zu folgen.

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