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Rezension zu
Die verbotene Zeit

Deutsche Geschichte zum Nachfühlen

Von: Frau Goethe
14.04.2015

1975 hat Carla Whiteman in London einen Unfall. Die Folge davon ist eine Amnesie. Sie kann sich an die Ereignisse der letzten Monate nicht mehr erinnern. Der jungen Frau fällt es schwer, ihrem Umfeld bedingungslos zu vertrauen. Zu viele Dinge passen nicht zueinander. Ihr Ehmann Tom scheint etwas vor ihr zu verbergen. Ebenso ihr Vater sagt ihr nicht die ganze Wahrheit. Die Mutter ist in Cornwall in einem Heim für psychisch Kranke untergebracht. Sie hatte das Verschwinden ihrer älteren Tochter Anastasia offenbar nie ganz verwunden. Lediglich durch David, einem Journalisten, erhält Carla Hinweise, mit welchen Themen sie sich bis zu ihrem Unfall beschäftigt hat. Je mehr sie forscht, desto mehr breitet sich eine unglaubliche Familiengeschichte vor ihr aus, die ihre Anfänge in der Weimarer Republik in Berlin hat. Der zweite Handlungsstrang beginnt 1922. Dora und ihre Mutter leben im Haus einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie in Berlin. Deren Tochter Edith ist seit frühester Kindheit Doras beste Freundin. Ihr Leben scheint relativ sorglos zu verlaufen. Ediths Vater versucht sich aus den Wirren der Politik weitgehend herauszuhalten. Als die seinerzeit häufig wechselnden Regierungen durch die Nationalsozialisten abgelöst wurden, hoffte man im Hause Theußenberg auf ein schnelles Ende dieser Zeit. 1934 lernen die beiden Frauen ihre späteren Ehemänner kennen. Dora plant ein gemeinsames Leben mit dem Steuerberater und ehemaligen Olympioniken Paul und Edith bekommt von dem adeligen Maximilian einen Heiratsantrag. Die Geschichte des Zweiten Weltkriegs wird nun aus der Perspektive der beiden Frauen erzählt. Beide halten sich aus den Machenschaften der braunen Partei heraus und werden doch so davon beeinflusst. Sie stehen den Veränderungen ohnmächtig gegenüber. Befreundete Juden bekommen plötzlich Auflagen und dürfen sich nicht mehr frei bewegen. Es entsteht ein immer größer werdender Druck von der Partei, die immer brutaler gegenüber den Schwächeren vorgeht. Immer wieder zeigt Dora allerdings Zivilcourage und verhilft dadurch eben diesen Juden zu einer Möglichkeit zur Flucht. Auch Edith bekommt durch ihren Freund Jules Einblick in die Leiden der jüdischen Familien. Sie schließt sich einer Widerstandsbewegung an. Nun ist natürlich Vorsicht geboten, dass sie nicht von anderen entdeckt wird und als Volksverräterin bestraft wird. Edith wird seit jeher von Heinrich verehrt. Dieser junge Mann schließt sich schon früh der Partei an und erfährt im Verlauf der Geschichte einen verheerenden Gesinnungswandel. So brutal wie sich diese Figur verhalten darf, verdeutlicht sie gleichzeitig, wie fremdbestimmt und vor allem hörig das Militär damals agierte. Die latent vorhandene Wut über die Ungerechtigkeit des Versailler Vertrags schwillt an und entlädt sich im Umgang mit dem vermeintlichen Feind im eigenen Land. Nur wenige schafften es, sich nicht gänzlich unterdrücken zu lassen und fanden Möglichkeiten, auch anderen zu helfen. Dabei stand immer die Gefahr des eigenen Todes im Hintergrund. Beim Leser breitet sich das Entsetzen über diese Grausamkeiten aus, ohne dass es explizit benannt werden muss. Claire Winter beweist auch in ihrem zweiten Roman, dass sie spannende Familiengeschichten auf zwei Zeitebenen verteilen kann und dabei den Spannungsbogen über die gesamte Seitenzahl ziehen kann. Die geschichtlich gut recherchierte Kulisse bietet den Figuren ein plausibles Handeln. Die Charaktere erhalten dabei reichlich Facetten, sodass sie immer wieder überraschen können, aber sich selber auch treu bleiben. Schnell stellen sich ein paar Fragen, die die Neugier des Lesers wecken. Man möchte einfach wissen, wie sich die Geschichte entwickelt hat, wenn man das Heute kennt und die Anfänge als Rückblick kurz vorgestellt bekommen hat. Der Schreibstil kommt dabei ohne große Paukenschläge aus. Der Ablauf wirkt eher wie ein Fluss, der stetig schneller strömt und unaufhaltsam in einen Strudel mündet. Genau so soll es sein und erhält von mir auch volle Punktzahl.

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