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Rezension zu
Der Metropolist

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Unterhaltsam, aber sehr oberflächlich – Der Metropolist von Seth Fried

Von: Sören
25.07.2019

Man gehe nicht mit falschen Erwartungen an dieses Buch heran: Der Metropolist setzt nicht dazu an, große gesellschaftliche Fragen zu beantworten bzw. auch nur ernsthaft aufzuwerfen. Dass hier eine der wichtigsten Fragen der menschlichen Zukunft, „Sind KIs eine Hilfe für die Menschheit – oder ihre größte Bedrohung?“ behandelt werde, ist eine reine Erfindung des Klappenstextes. Der Metropolist von Seth Fried ist ein leichter Unterhaltungsroman, und leistet dahingehend sicherlich was es soll: Lesern ein zwei Tage lang das zu viel an freier Zeit kürzer machen. Der werbespruch „Pulp Fiction meets Science Fiction“ trifft es schon besser, wobei der SciFi Teil alles andere als ernsthaft wissenschaftsnah ist – das aber wohl auch nicht will. So oder so scheint mir die Gelegenheit zu günstig, um es zu verpassen, an zwei Beispielen aus dem Text einmal etwas deutlicher herauszuarbeiten, worin sich ein Stück Unterhaltungsliteratur von einem Werk mit größerem Anspruch unterscheidet: Text lebt von plakativen Behauptungen Im Fall von Der Metropolist wäre da einerseits die Darstellung des Protagonisten und Icherzählers Henry. Der ist, wenn man der Erzählung glauben möchte, ein pedantischer Beamter (Stadtplaner) und kann überhaupt nicht gut mit Menschen umgehen. Und er ist, wie er zwei bis dreimal selbst offen erklärt, bei seinen Mitarbeitern ziemlich unbeliebt. Bekommt das irgendeine tiefere Bedeutung im Verlauf der Handlung? Wird das überhaupt erfahrbar gemacht? Keineswegs. Das einzige „menschliche“ Wesen, mit dem Henry länger soziale Kontakte pflegt, ist die saufende, prügelnde, Witze reißende KI OWEN, bzw. dessen holographische Projektion. Und die beiden kommen nach kurzen Startschwierigkeiten richtig gut miteinander aus, obwohl OWEN nun wirklich keine typische, viel mehr eine all zu menschliche, KI ist. Des weiteren zeigt Henry in Verhören und Konfrontationen Social Skills im Tricksen, Schmeicheln, Täuschen, die nur knapp unter dem Niveau eines typischen James Bond liegen, und schafft es rasch, sich sogar den Respekt großer Gegner zu gewinnen. Nein, ich kann hier wirklich keinen Typen sehen, der im Büro eine grauen Maus und unbeliebt ist. Und die bürokratische Pedanterie, das geradezu verliebt Sein in Regeln? Praktisch von Anfang an brechen OWEN und Henry im Kampf gegen eine Gruppe, die sich Stadtplanung anders vorstellt, weniger gentrifizierend, um einen zeitgenössischen Modebegriff zu benutzen, alle nur denkbaren Gesetze. Nun könnte man sagen: Das ist im Sinne eines Kampfes für das Gesetz an sich, praktisch ein pragmatisches sich über das Einzelne hinwegsetzen, um das Allgemeine Ganze zu retten. Übertreten der Gesetze im Kampf für DAS GESETZ. But come on! Der Typ wurde uns als spießer-Bürokrat vorgestellt, nicht als Hegelianer. Und eigentlich würde der Roman mit einem Polizisten, Privatdetektiv oder ähnlichem genauso gut funktionieren. Die Stadtplanersache wirkt auf den ersten Blick wichtig, weil es um Stadtplanung geht, aber die Handlung ist eigentlich ein generisches Verbrechens/Aufstandsbekämpfungsding. Wo bleibt die Gesellschaft, wo der Mensch, um den es gehen soll? Im Zentrum der Handlung steht die Frage: Wie wollen wir leben? Es kämpft, nur leicht verkürzt, eine amerikanische Version des bürokratischen chinesischen Modells des gelenkten Kapitalismus gegen eine postmodern gentrifizierungskritische Variante. Und hier kommt dann die zweite große Schwäche ins Spiel, will man Der Metropolist als Gesellschaftsroman ernstnehmen. Das Buch liefert dem Leser eigentlich überhaupt keine Möglichkeit, sich selbst in dem Konflikt zu positionieren. Ob die herrschende Stadtplanung wirklich die Armen und Schwachen nachhaltig ausschließt und für die Massen in Metropolis ein schreckliches Leben produziert, oder ob es sich nicht doch eher um etwas handelt, das, wie Henry denkt, zumindest auf dem Weg zum irdischen Paradies ist, lässt sich aus dem Buch einfach nicht erschließen. Vorsicht: Es geht hier nicht darum, dass der Roman eine Antwort geben soll oder dass er keine gäbe, indem er zum Schluss kursorisch sagt, wer Recht hatte. Das tut er. Henry reflektiert zum schluss ganz klar und denkt uns vor, was wir über das Buch zu denken haben. Aber was Der Metropolist fehlt ist jede Grundlage eines eigenen, freien Blicks. Nie bekommen wir Lebenssituationen der tatsächlichen Bevölkerung der 35- Millionen-Stadt mitgeteilt, geschweige denn gezeigt, nichts erfahren wir über die tatsächliche soziale Zusammensetzung, wer von Entwicklungen profitiert, wer leidet. Wer sagt, dass sei von einem 300 Seiten Thriller auch tatsächlich ein wenig zu viel verlangt, der lese etwa Oliver Plaschkas Der Kristallpalast. Dort gelingt es, glaubhafte Bilder aus dem Großstadtleben mit wilden Actionsequenzen zu verschmelzen. Oder höre sich die gekürzte Kassettenversion von Die 27. Stadt an. Selbst (bzw. besonders!) in diesen knapp 6 Stunden gelingt es Jonathan Franzen, rund um eine ähnliche Problemstellung ein hochspannendes Gefüge einer Stadt und ihrer sozialen Verwerfungen zu zeichnen, auch wenn man sich vielleicht etwas mehr konzentrieren muss, nicht ganz so locker durch die Seiten fliegen kann wie im Falle von Der Metropolist. Unterhaltsam ist der Roman wie gesagt trotzdem. Gerade, weil er so leicht ist, dass man ihn zwischen Terminen, in der Mittagspause oder auch noch nach einem anstrengen Tag gemütlich herunter lesen kann. Zwar ist keine Idee wirklich neu, und Bender aus Futurama bleibt gegenüber Owen die weitaus amüsantere saufende künstliche Intelligenz, aber als Zwischendurchlektür taugt Der Metropolist alle Mal.

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