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Rezension zu
Der Zug der Waisen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein unbekanntes Stück amerikanische Geschichte

Von: Martinas Buchwelten
27.03.2015

Dies ist ein fiktiver Roman, der jedoch einen wahren Kern hat: Mehr als Hunderttausend Kinder wurden in sogenannten Waisenzügen (Orphan Trains) vom Osten der USA in den Mittleren Westen gebracht, wo sie, wie einst Sklaven vorgeführt wurden, und zum Teil unter unmenschlichen Bedingungen leben mussten. Was als "Familiensuche" für Waisen dargestellt wurde, war meistens nur der Deckmantel für billige Arbeitskräfte und Grausamkeit gegenüber Kindern. In diesem Roman erfahren wir die Geschichte von Niamh (ausgesprochen Neev), einem irischen Mädchen, das erst vor kurzem mit ihren Eltern in New York angekommen ist. Aus ärmlichen Verhältnissen und voller Hoffnung sind sie in Amerika gelandet, um bald darauf bei einem Wohnungsbrand ums Leben zu kommen. Nur die neunjährige Niamh überlebt und wird von der Childrens Aid Society in einen der Waisenzüge gesteckt, die regelmäßig elternlose Kinder aus den Großstädten aufs Land bringt, wo sie an Famlien weitervermittelt werden. Während die ganz Kleinen und die großen starken Jungs schnell Familien finden, die sie aufnehmen oder als billige Arbeitskräfte ausnutzen, ist die Neunjährige und noch dazu rothaarige Niamh, entweder zu alt oder noch zu jung und zu schwach. Doch auch für Niamh, aus der "Dorothy" und später "Vivian" wird, gibt es einen Platz.... Im zweiten Handlungsstrang lernen wir die 17-jährige Molly kennen. Es ist das Jahr 2011 und Molly lebt in einer Pflegefamilie. Als sie beim Diebstahl eines Buches in der Bibliothek erwischt wird, wird sie vor die Wahl gestellt: Gefängnis und somit eine Vorstrafe oder Sozialarbeit. Ihr Freund verschafft ihr einen Job bei der 91jährigen Vivian, die alleine in einem großen Haus wohnt und Hilfe beim Entrümpeln ihres Dachbodens braucht. Molly und Vivian mögen sich auf Anhieb und die Siebzehnjährige fühlt sich in der Villa wohl. Doch bald wird ihr klar, dass Vivian gar nicht wirklich den Dachboden entrümpeln, sondern in Erinnungen schwelgen und vergangene Zeiten nochmals Revue passieren lassen will. Dabei erzählt Vivian Molly die Geschichte der kleinen Niamh und schon bald entsteht ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beiden, das der Beginn einer wundervollen Freundschaft wird..... Beide Handlungsstränge werde abwechselnd erzählt, wobei der Teil aus der Vergangenheit in der Ich-Form und der in der Gegenwart in der dritten Person erzählt wird. Die Autorin verknüpft geschickt Historie mit der Gegenwart und ermöglicht ein Teilhaben am Schicksal der beiden Protagonistinnen. Molly ist ein wirklich nettes Mädchen, dessen Vater nie in Erscheimung getreten ist, während die Mutter als Drogenabhängige zwischen Entzugsklinik und Gefängnis pendelt. So hatte Molly nie wirklich eine richtige Familie, außer diverse Pflegefamilien, die sie immer relativ rasch wieder verlassen musste. Bei Vivian fühlt sie sich das erste Mal so akzeptiert, wie sie ist und kommt auch endlich etwas aus sich heraus. Vivian hingegen durchlebt nochmal ihre Vergangenheit. Eine Zeit, die für das damalige kleine Mädchen alles andere als einfach war. Zuerst das fremde Land, danach der Verlust der Eltern und Geschwister und als "Höhepunkt" der Weg ins vollkommen Ungewisse.... Trotzdem ist dieser Roman in keiner Weise negativ, sondern es gibt auch humorvolle Passagen. Auch wird das Thema Freundschaft immer wieder angesprochen. Mich hat die Geschichte von Niamh sehr berührt. Das kleine Mädchen verliert alles und wird grausam behandelt bis sie endlich Menschen findet, die sich ihrer wirklich annehmen und sie fördern und lieben. Doch auch danach hat Niamh/Dorothy/Vivian ein schweres Leben. Entsetzt war ich auch von Gleichgültigkeit ihres Namens gegenüber. Einfach dem Kind einen neuen Namen zu verpassen aus allen möglichen Gründen, wo es doch schon alles verloren hat, finde ich unmenschlich. Der Schluss war mir dann doch zu viel "heile Welt" .....irgendwie typisch amerikanisch. Das passt irgendwie nicht zur Geschichte. Hätte die Autorin die letzten Seiten nicht mehr geschrieben, wäre das Buch einfach perfekt gewesen.....aber das ist auch Ansichtssache! Schreibstil: Christina Baker Kline hat sehr einfühlsam und präzise eine Geschichte stellvertretend für viele Kinder aus dieser Zeit geschrieben. Es wurde sehr gut recherchiert und die Autorin hat sich mit vielen Zeitzeugen unterhalten. Aus diesem ernsten Thema entstand keinesfalls eine langweilige Lektüre, sondern eine berührende Geschichte über ein sehr ereignisreiches Leben. Auch der Aspekt der Freundschaft zwischen der inzwischen 91-jährigen Vivian und der 17-jährigen Molly wird sehr gefühlvoll dargestellt. Es gibt auch einige sehr humorvolle Passagen. Im Anhang an die Geschichte gibt es noch einen kleinen bebilderten Teil...eine kurze Geschichte zu den Orphan Trains. Fazit: Eine sehr berührender Roman, der uns über ein dunkles und uns noch unbekanntes Stück amerikanischer Geschichte erzählt: Die Waisenzüge. Eine Geschichthe, die noch lange nachhallt und nachdenklich macht. Ein Roman über das Schicksal, Freundschaft und über Verlust. Absolut lesenswert!

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