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SPECIAL zu Michail Schischkin

Offener Brief von Michail Schischkin

Book Expo America 2013

An die Föderale Agentur für Presse und Massenkommunikation und die Internationale
Abteilung der Stiftung «Präsidiales B.N. Jelzin Zentrum»


27.2. 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen für die Einladung, an den Veranstaltungen der offiziellen russischen Delegation auf der internationalen Buchmesse «BookExpo America 2013» vom 30. Mai bis 1. Juni dieses Jahres in New York teilzunehmen.

Mir ist klar, dass die Teilnahme an einer solchen Buchmesse sehr wichtig für einen Schriftsteller ist, da sie zur Verbreitung seiner Bücher in Amerika und anderen Ländern beiträgt. Sie bietet einmalige Möglichkeiten, Kontakte zu amerikanischen Verlegern und Lesern zu knüpfen, zumal der englischsprachige Buchmarkt für Autoren aus Ländern wie Russland nach wie vor praktisch unzugänglich ist. Dies gilt um so mehr, als sämtliche Kosten für Reise und Unterbringung in den
USA, Flug usw. (und das ist ein ordentlicher Betrag) von offizieller russischer Seite übernommen werden.

Nichtsdestotrotz lehne ich das Angebot ab. Und zwar nicht, weil «mein Terminkalender es nicht erlaubt», sondern aus ethischen Erwägungen. In der Vergangenheit habe ich mehrmals ähnliche Angebote angenommen, als Teilnehmer russischer Autorendelegationen internationale Buchmessen zu besuchen, aber die Situation hat sich im letzten Jahr verändert.

Jedes beliebige Land, das etwas auf sich hält, unterstützt durch verschiedene Stiftungen und Organisationen die Verbreitung der Werke seiner Schriftsteller im Ausland, fördert Übersetzungen, lädt ein zur Teilnahme an internationalen Buchmessen usw. In Norwegen ist zum Beispiel Norla dafür zuständig, in der Schweiz ist es Pro Helvetia. Selbstverständlich repräsentiert ein Schriftsteller, wenn er an einer offiziellen Delegation teilnimmt, nicht nur sich selbst und seine Bücher, sondern auch sein Land, seinen Staat.

Die politische Entwicklung Russlands, und besonders die Ereignisse des letzten Jahres, haben zu einer für seine Bürger und seine große Kultur absolut unannehmbaren und erniedrigenden Situation im Land geführt. Als Russe und als russischer Staatsbürger schäme ich mich ob der Ereignisse in meinem Land. Wenn ich als Teilnehmer einer offiziellen Delegation eine Buchmesse besuche und von den Möglichkeiten profitiere, die sich dadurch für mich als Autor eröffnen,
verpflichte ich mich gleichzeitig dazu, den Staat zu repräsentieren, dessen Politik ich als schädlich für das Land ansehe, ein offizielles System, das ich abstoßend finde.

Ein Land, in dem ein kriminelles, korruptes Regime die Macht ergriffen hat, in dem der Staat eine Verbrecherhierarchie ist, in dem sich Wahlen in eine Farce verwandelt haben, in dem die Gerichte den Machthabern dienen und nicht dem Gesetz, in dem es politische Gefangene gibt, in dem das Staatsfernsehen zur Hure gemacht wurde, in dem Usurpatoren stapelweise wahnsinnige Gesetze verabschieden, die die Gesellschaft ins Mittelalter zurückversetzen, ein solches Land kann nicht mein Russland sein. Ich kann und will nicht an einer offiziellen russischen Delegation teilnehmen, die dieses Russland repräsentiert.

Ich will und werde ein anderes, mein Russland vertreten, ein von den Usurpatoren befreites Land, ein Land, dessen Behörden nicht das Recht auf Korruption schützen, sondern die Rechte des Individuums, ein Land mit freien Medien, freien Wahlen und freien Menschen. Selbstverständlich ist das meine persönliche Entscheidung, die ich nicht mit den anderen nach New York eingeladenen Autoren abgestimmt habe – jeder Mensch ist frei, entsprechend seinen eigenen Vorstellungen von Ethik und Zweckmäßigkeit zu handeln.

Mit freundlichem Gruß
Michail Schischkin

Übersetzung ins Deutsche von Franziska Lüdtke, Faust-Kultur