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Rezension zu
Mit Axt, Charme und Melone - Jimm Juree 3

Eine schräge Sippe bläst zum Angriff

Von: Bettina Schnerr
20.04.2015

Jimm Juree bekommt in ihrem verschlafenen Nest endlich wieder eine Herausforderung, die ihr schmeckt: Für die Dorfgazette Chumphon News darf sei einen Starautoren interviewen: Coral Coralbank, Preisträger, Millionenseller - und er wohnt noch dazu gleich um die Ecke. Der Job läuft nicht ganz so glatt, wie erhofft. Der Hausherr macht Avancen, die Haushälterin warnt vor ihm und der Chefredakteur wollte kein tolles Interview, sondern eine schlagzeilenträchtige, dreckige Boulevardstory. Vielleicht ist die verschwundene Ehefrau ein Anknüpfungspunkt? Jureee muss nochmal ran, zu einem Autoren, der die Avancen verschärft. Außerdem wird Juree von Schwester Da im Krankenhaus gebeten, sich nach der Ärztin Dr. Somluk umzusehen. Diese kehrte von einer Konferenz nicht zurück. Ist es Senilität, erfindet sie Verschwörungstheorien? Juree jedenfalls macht sich auf den Weg zum Konferenzzentrum und merkt, dass die Ärztin keine besonders angenehme Tagung hatte. Schwester Da hatte mit ihren Sorgen nicht ganz Unrecht. Bei den Recherchen zu diesem Fall hilft Jimms Schwester Sissi, ein Hackergenie, das regelmäßig Mails an Clint Eastwood schreibt, Kontenstände magisch füttert und selbst das Computerherz Schweizer Banken kennen gelernt hat. Wie Sissi ihre illegalen Unternehmungen absolviert, will in der Familie keiner allzu genau wissen. Für die ersten Schmunzler sorgt der Krimi schon auf den ersten Seiten. Juree verdient ihre Brötchen als "Sprachdoktor" und merzt schlimme Tipp- und Übersetzungsfehler ins Englische aus. Abgesehen von den Beispielen, die Juree selber gibt, ist jedes Kapitel mit einem Übersetzungsböller überschrieben, wie zum Beispiel der Werbung für eine Seife, die "10 Jahre älter macht, als Sie aussehen" (in einem anderen Buch publizierte Cotterill Verhörer, die beim Karaoke für schräge Texte sorgen). Seinen britischen Humor hat er ohnehin behalten, denn dieses Mal nimmt er sich selber aufs Korn. Der Starautor Conrad Coralbank teilt sich mit Cotterill nicht nur die Initialen. Coralbank schreibt Kriminalromane, die in Laos spielen und macht sich bei der Chumphon News damit keine Freunde: "Laos -und ich möchte hier keineswegs rassistisch klingen- ist garantiert das langweiligste Land der Welt. Ich war mehrmals auf Recherche da, und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Uhren dort langsamer gehen. [...] Jeder Schritt fühlt sich an, als wate man durch hüfthohes Reisporridge." Abseits des Englischen lautern ernstere Probleme, wenn man genauer hinschaut. Das Hauptaugenmerk der Polizei liege darauf, Reichtum anzuhäufen, statt Unheil abzuwenden und die Polizisten hätten den "IQ eines Schwamms". Im Revier von Pak Nam wurden aus Sicherheitsgründen seit 9/11 keine Pakete mehr geöffnet. Alle stauben im Lager ein, egal, was drin sein könnte. Aber Juree weiß inzwischen, mit überbordender Bequemlichkeit umzugehen und der Beamte ist reichlich dankbar, dass er Arbeit abgenommen bekommt. Cotterill schreibt nur auf den ersten Blick einen witzigen Krimi. In jedem Band rückt er konsequent ein kritisches Thema ins Rampenlicht. Waren es in den ersten beiden Bänden die Situation der Birmanen im Land und feudalistische Gesellschaftsstrukturen mit Selbstbedienungscharakter, so ist es in diesem Band der Umgang internationaler Lebensmittelkonzerne in den ärmeren Ländern dieser Welt. Der Plot hängt konkret an einem Schweizer Konzern, der mit aggressiver Werbung und viel Geld den Absatz von Babymilchpulver vorantreiben will und in Dr. Somluk einen engagierten Gegner gefunden hat. Einen echten Skandal dazu gab es in den 1970ern tatsächlich, nachdem durch irreführendes Marketing, falsche Rahmenbedingungen vor Ort und zu wenig Aufklärung zahlreiche Säuglinge starben. Beruhigt hat sich der Markt um Babymilchpulver sicher nicht; 2013 strafte China mehrere Konzerne wegen Preisabsprachen ab, darunter auch den, auf den Cotterill anspielt (und der inzwischen versucht, Babymilchpulver hochpreisig wie Kaffeekapseln zu vermarkten). Die Juree-Serie liefert griffigeren Krimistoff für Cotterill-Fans, denen Dr. Sir zu geisterlastig ist, die aber auf Humor und Landeskunde nicht verzichten mögen. Dass auch ernste Themen mit Witzen garniert werden, ist eine ganz typischen Sache, wie Cotterill einmal in einem Interview schilderte: "Die Menschen dort überspielen ihre Unannehmlichkeiten durch Humor," um besser damit umgehen zu können. Insofern vielleicht auch etwas, das man sich abgucken kann. Vielleicht ahnt der eine oder andere Leser, wie die Fälle ausgehen werden. Vielleicht ist es dem einen oder anderen nicht spannend oder rasant genug. Aber ich glaube, Cotterill geht es auch nicht um einen Wettbewerb mit den großen Namen und Pageturnern. Cotterill will in das Land einladen, Augen öffnen für Schönheit und Missstände gleichermaßen und so passen die Fälle für Jimm Juree auch einfach in den Rahmen und wollen gar nicht mehr sein als das: Kriminalfälle an einem verschlafenen Strand in Thailand.

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