*+* Ein Fall wird auf links gedreht *+*
Von:
Irve liest
03.09.2015
Liebe Lesefreunde,
könnt ihr euch das vorstellen? Ein Mann wird erschossen, relativ zügig wird seine Ehefrau des Mordes überführt. Monate später wird ein Verfahren wegen Formfehler, beziehungsweise Fehlverhaltens des ermittelnden Inspektors angestrebt. Und was kommt dabei heraus? Die Ehefrau konnte es nicht gewesen sein, mehr noch, der Tathergang konnte gar nicht wie angenommen abgelaufen sein.
Ich war baff! Wie schlampig war denn da ermittelt worden? Nach und nach begriff ich, wo der Hase lang lief – aber nur, was den oberflächlichen Ermittler betraf. Der Rest war….unglaublich interessant! Wie tief da gestochert wurde, wie der Tathergang Stückchen für Stückchen rekonstruiert wurde, und immer wieder dieselbe Schlussfolgerung gezogen werden musste: Der Mord an Carl Spalter konnte niemals so abgelaufen sein wie angenommen. Jedes Steinchen wurde umgedreht und sehr oft lag darunter ein Zettel mit der Aufschrift „schlampig recherchiert“ oder „wurde unter den Tisch fallen gelassen“.
Je undurchsichtiger der Fall wurde, umso mehr hing sich Dave Gurney, genialer Mordermittler im frühen Ruhestand rein. Zunächst war er skeptisch, als sein früherer „Kollege“ Jack Hardwick, mit dem ihn eine Art Hassliebe verbindet, ihm versuchte, diesen Leckerbissen an Fehlurteil schmackhaft zu machen. Einmal im Fall drin, war Dave allerdings kaum zu stoppen und ich war begeistert über seine Wadenbeißer-Art der Ermittlungen. Er ließ nicht locker, spürte jede Unstimmigkeit auf und ruhte nicht, bis auch das letzte Puzzleteil an der richtigen Stelle lag.
Nach einem groß aufgezogenen Showdown begreift Dave, wie „einfach“ doch die Lösung war. Und ich gebe zu, sehr scharfsinnige Leser können durchaus selbst auf den wahren Tathergang kommen. Aber selbst wenn, der Thriller hatte mehr zu bieten als diese für mich überraschende Richtigstellung des Falls. Der Weg ist ebenfalls das Ziel – und diesen Weg mochte ich sehr. Neben der sehr gründlichen, unbeirrbaren und oft wagemutigen Arbeit des Ruheständlers gefielen mir auch sehr die privaten Einschübe. Sie waren vom Umfang sehr angemessen und brachten einerseits etwas Ruhe in den Ermittlungsweg und die teilweisen sehr spannenden, weil gefährlichen Stationen des Teams. Andererseits hatten die Beziehungen der beiden Ermittler zu ihren Frauen immer wieder einen Bezug zum Fall, was mich an diesen Stellen alles aus einem anderen Blickwinkel betrachten ließ.
Die Protagonisten erstreckten sich von warmherzig und besorgt bis hin zu raubeinig und abgebrüht. Jeder besaß eine gewisse charakterliche Tiefe, ebenfalls viele Ecken und Kanten und wirkte auf mich glaubwürdig, sowohl als Individuum als auch als Mitglied dieser thrillerigen Gesellschaft.
Der Schreibstil ist flüssig und überwiegend ruhig, wodurch sich das Buch sehr gut lesen ließ – wenn mir auch die Sprache an einigen Stellen etwas zu derb war.
„Die Unbarmherzigkeit des Augenblicks“ war mein erster Verdon, weshalb ich keine Vergleiche zu den anderne Titelnd es Autors ziehen kann. Mir hat dieser Thriller ganz gut gefallen, vor allem die akribische Ermittlungsarbeit hat mich begeistert, ebenso das für mich überraschende Ende.
Inhalt
Carl Spalter will gerade die Grabrede für seine Mutter halten, als er vor den Augen der Trauergäste eine Kugel in den Kopf bekommt. Als Täterin wird kurz darauf seine eigene Ehefrau verurteilt. Es gibt nur einen Haken: Der tödliche Schuss wurde offenbar aus einer unmöglichen Position ausgeführt. Dave Gurney, genialer Mordermittler im Ruhestand, rollt den Fall neu auf – und kommt dabei einem Killer auf die Spur, der sich das Unmögliche zur Spezialität gemacht hat.
Buch
„Die Unbarmherzigkeit des Augenblicks“ von John Verdon ist im April 2015 unter der ISBN-Nr. 978-3-453-41830-1 im Heyne Verlag als Taschenbuch erschienen. Der Thriller enthält 576 Seiten und ist auch als eBook erhältlich.
Autor
John Verdon wurde in New York City als Sohn irischer Einwanderer geboren. Er studierte Journalismus, bevor er als Werbetexter und später als Geschäftsführer einer großen Agentur tätig war. Mit 53 Jahren kehrte er der Werbung den Rücken und widmete sich dem Design von Kirschholzmöbeln. Mit seiner Frau Naomi lebt er in in der Gegend von New York.
Quelle: Randomhouse