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Veronika Peters

Veronika Peters: Interviews und Videos mit der Autorin - Goldmann Verlag

Video: Veronika Peters liest aus "Die Liebe in Grenzen"

„Mich beschäftigt, wie es Menschen ergeht, die 'aus der Norm' fallen“

Interview mit Veronika Peters zu „Die Liebe in Grenzen“

Ihr neuer Roman DIE LIEBE IN GRENZEN dreht sich um Katia Werner, eine rebellische junge Frau, die sich nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin ziellos durchs Leben treiben lässt. Eher aus Pflichtgefühl ihrem Vater gegenüber als auf eigenen Wunsch bewirbt sie sich auf eine Stelle als Betreuerin in einem psychiatrischen Sanatorium in der hessischen Provinz – und gelangt so an einen außergewöhnlichen Ort: die Goldbachmühle. Was hat Sie zu diesem Ort inspiriert?

Seit ich vor vielen Jahren eine Zeit lang mit psychisch kranken Jugendlichen gearbeitet habe, beschäftigt mich die Frage, wie es Menschen ergeht, die aufgrund verschiedener Auffälligkeiten schon in jungen Jahren „aus der Norm“ und somit aus den gesellschaftlichen Kontexten fallen, obwohl sie vielleicht gar nicht unbedingt in eine stationäre Behandlung gehört hätten. Solche Fälle gibt es ja. Mit der Goldbachmühle habe ich einen Ort erfunden, wo jungen Erwachsenen mit Psychiatrie-Erfahrung die Chance geboten werden soll, wieder in ein selbstbestimmtes Leben zu finden, eine Art Sprungbrett in die Normalität. Im Grunde habe ich eine Einrichtung konzipiert, in der ich selbst gerne einmal gearbeitet hätte. Diesen „Luxus“ kann man sich als Romanautorin ja erlauben.


In DIE LIEBE IN GRENZEN erzählen Sie die Vorgeschichte zu Ihrem letzten Roman „Das Meer in Gold und Grau“. Dabei steht Katia Werner wieder im Zentrum der Handlung. Was hat Sie an ihr so fasziniert, dass Sie sie erneut zur Protagonistin wählten?

Katia ist einerseits rebellisch und unkonventionell, andererseits ist sie aber auch verwundbar, unsicher und verzweifelt auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Manchmal nervt sie mich mit ihrer vermeintlichen Unreife, manchmal rührt sie mich an, wenn sie ihre Verletzlichkeit hinter einer Fassade aus sperrigem Widerwillen gegen ihre eigene Emotionalität zu verbergen sucht. Mit dieser in ihr wohnenden Spannung ist sie mir nahe, aber sie gibt mir auch immer neue Rätsel auf – vielleicht sind das einige der Gründe, warum sie mich so nachhaltig beschäftigt, ich frage mich das selbst oft. Als ich mit dem Schreiben von „Das Meer in Gold und Grau“ fertig war, ist etwas Merkwürdiges passiert: Die Ich-Erzählerinnenstimme, die ich eigentlich zwischen die Deckel des gedruckten Buchs entlassen wollte, machte einfach weiter, sie war immer noch da, präsenter denn je, und sie hatte noch eine spannende Geschichte in petto, mit der sie mich in Atem hielt. Ich ließ sie also weiter erzählen...


Beide Romane spielen an weltentrückten Schauplätzen. Sowohl die Goldbachmühle als auch das Strandhotel Palau in „Das Meer in Gold und Grau“ sind gleichermaßen abgelegen und beherbergen Menschen, für die in der Gesellschaft kein Platz ist: Alte und psychisch Kranke. Was zieht Katia in diese Gemeinschaften von Außenseitern?

Vielleicht spielt die Tatsache eine Rolle, dass sie sich selbst auch oft als außen stehend empfindet, als eine, die nicht in die gängigen Schemata passt oder passen will, die in sich selbst immer wieder eine Fremdheit spürt, der sie keinen Namen zu geben in der Lage ist: eine Unruhe und Unbehaustheit, die sie schmerzt, aber auch offen macht für die Versehrtheiten anderer. So sehr sie sich auch gelegentlich scheinbar ziellos durchs Leben treiben lässt, wenn sie auf etwas stößt, von dem sie denkt, dass sie sich dafür einsetzen sollte, tut sie das mit all der in ihr schlummernden Leidenschaft. Katia interessiert sich für Menschen und deren Geschichten, aber eben weniger für glorreiche Erfolgsmeldungen. Die findet sie eher langweilig.


Eine Gemeinschaft von „Sonderlingen“, die in Abgeschiedenheit zusammenleben: Worin besteht für Sie der Reiz dieser Erzählsituation?

Mich haben immer sehr viel mehr die Figuren mit Brüchen und Eigenheiten interessiert, als die „Lichtgestalten“, da geht es mir ein wenig wie Katia. Eine Erzählsituation, wo die verschiedensten Charaktere in einer Art Mikrokosmos aufeinandertreffen, ist für mich immer eine besondere Herausforderung: Was machen diese Menschen jetzt miteinander, welche Prozesse werden in Gang gesetzt, wie entwickeln sich die Figuren, wie reifen oder scheitern sie in Auseinandersetzungen oder Annäherungen? Gelegentlich überraschen mich die Figuren dann beim Schreiben, indem sie sich verselbständigen und eine Eigendynamik entwickeln, mit der ich so gar nicht gerechnet hätte. Das sind seltene und kostbare Momente, in denen all die Kämpfe, die das Schreiben eines Romans auch mit sich bringt, vergessen sind.


In der Goldbachmühle lebt Konrad, ein junger Mann, der innerhalb der Gruppe eine Sonderrolle einnimmt und mit Katia ein Verwirrspiel treibt. Von Anfang an fühlen
sich beide zueinander hingezogen und schon nach kurzer Zeit entwickelt sich eine verbotene leidenschaftliche Liebe zwischen ihnen. Doch Katia, die vermeintliche Rebellin, stößt in dieser Beziehung schnell an ihre eigenen Grenzen. Können Sie etwas mehr darüber erzählen, was Katia durch Konrad über sich selbst erfährt?


Eigentlich ist das eine Frage, der es im Roman nachzuspüren gilt, schon der Titel legt da für die LeserInnen eine Spur: „Die Liebe in Grenzen“, was soll das denn sein? Ist Liebe nicht grenzenlos oder eben gar nicht? Mit Konrad und ihrer Liebe zu ihm wird Katia viele von außen gesetzte Grenzen überschreiten, aber es werden ganz andere, innere und für sie selbst überraschende Grenzen sein, an denen sie sich stoßen und mit denen sie zu kämpfen haben wird. Konrad erschüttert Katias Selbstbild gründlich und nachhaltig: Er gibt ihr immer wieder aufs Neue Rätsel auf: Über ihn, über sie und über das, was Liebe sein oder vielleicht auch nicht sein kann.


In Ihrem Bestseller „Was in zwei Koffer passt“ haben Sie den Lebensabschnitt geschildert, den Sie als Nonne in einem Kloster verbrachten. Mit dem „Strandhotel Palau“ und der „Goldbachmühle“ beschreiben Sie auch in Ihren Romanen um Katia Werner Lebensformen, die ihren Bewohnern eine Rückzugsmöglichkeit bieten und an klösterliche Gemeinschaften erinnern. Wie dringend brauchen wir in unserer Gesellschaft solche Schutzräume?

Ich würde diese für mich doch auch sehr unterschiedlichen Romanschauplätze gar nicht als Schutzräume bezeichnen, keinen von ihnen. Das Kloster, das ich kennengelernt habe, hätte diesen Begriff sicher von sich gewiesen: Die spirituelle Suche der Nonnen bietet keinen Schutz, im Gegenteil, sie ist mit höchsten Ansprüchen verbunden und alles andere als erholsam, wenn ich das in aller Kürze mal so formulieren darf. Auch die alte Ruth, Chefin des „Strandhotel Palau“ hätte das Wort „Schutzraum“ nur für ihre Gäste gelten lassen, nicht für die sich redlich abmühende Belegschaft derer, die das „Palau“ am Laufen halten müssen. Und die Goldbachmühle schließlich bietet nur insofern Schutz für ihre Bewohner, als dass sie sie möglichst bald unabhängig von unterstützenden Maßnahmen machen möchte. Gemeinsam haben diese Schauplätze vielleicht, dass sich dort jeweils Menschen einander zumuten und der Aufgabe stellen, gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, bei dem es um mehr geht als um Gewinnmaximierung oder möglichst großen Profit. Das allerdings könnte unserer Gesellschaft vielleicht wirklich gut tun.


Das Interview führte Elke Kreil © Goldmann Verlag