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Gregor Sander

Lenin auf Schalke

Roman

(5)
Taschenbuch
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Auf der Suche nach dem Osten im Westen - Gregor Sander in Gelsenkirchen

Seit dreißig Jahren betrachtet der Westen den Osten. Dreht und wendet die Ostdeutschen wie Schnitzel in der Pfanne. Es ist an der Zeit zurückzugucken. „Sander du musst in den Westen“, mit diesen Worten seines besten Freundes Schlüppi beginnt die Reise von einer goldenen Pommesbude in Ostberlin nach Gelsenkirchen. Sander wohnt hier bei Zonengabi im Glück (BRD) und ihrem Freund Ömer in einem alten Bergmannshaus. Er versucht sich zu orientieren zwischen alten Abraumhalden, nagelneuen Leninskulpturen und einer Vergangenheit, die 1000 Meter unter der Erde liegt.

Gregor Sander, eine der wichtigsten Stimmen der gesamtdeutschen Literatur, nimmt uns in »Lenin auf Schalke« mit dorthin, wo der Westen arm dran ist. Keine Zeche mehr, keine Kokerei und kein Stahlwerk, die Ruhrpottluft dank Arbeitslosigkeit gereinigt und auch Schalke 04 ist inzwischen zweitklassig. Hintersinnig, klug beobachtend und mit humorvollem Ernst erzählt Sander von einem Ort, der in allen Negativstatistiken führt: ärmste Stadt Deutschlands, höchste Arbeitslosigkeit, geringstes Pro-Kopf-Einkommen. Staunend entdeckt Sander eine Welt, die von der alten Bundesrepublik vergessen wurde. Nur ist Gelsenkirchen deshalb wirklich der Osten im Westen?


ERSTMALS IM TASCHENBUCH
Originalverlag: Penguin Verlag, München 2022
Taschenbuch, Broschur, 192 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-328-11017-0
Erschienen am  12. April 2023
Lieferstatus: Dieser Titel ist lieferbar.

Rezensionen

Gregor Sander | LENIN AUF SCHALKE

Von: Bookster HRO

04.11.2022

Roald Amundsen erreichte als erster Mensch den Südpol, Amelia Earhart flog allein über den Atlantik und Reinhold Messner bestieg alle Achttausender der Erde. In diese Reihe mutiger Reisender können wir nun mit Fug und Recht Gregor Sander stellen, denn er war an einem Ort, den niemand aus freien Stücken aufsucht: Gelsenkirchen – der »Osten des Westens«, die Stadt Deutschlands mit dem geringsten Pro-Kopf-Einkommen und der größten Arbeitslosenquote, eine seit der Stilllegung der letzten Bergbauzechen vernachlässigte, geradezu moribunde Stadt. An diesen trostlosen Ort zog es den Autor aus dem hippen Berlin – und damit wir nicht selbst dort hinfahren müssen, hat er mit LENIN AUF SCHALKE ein Buch über seine Reise geschrieben. . Spaß beiseite: Arbeitslosigkeit, ärmere Viertel und soziale Brennpunkte gibt es in jeder Großstadt, das weiß Sander – besonders als Berliner – natürlich auch. Der Grund für seine Reise lag auch nicht in makabrem Elendstourismus, sondern eher in der Erkenntnis, dass in der Literatur immer nur auf die neuen Bundesländer geblickt wird, und zwar meistens von westdeutschen Autorinnen und Autoren. Neonazis leben alle in Sachsen, Dorfromane spielen in Brandenburg und an der Ostsee laufen alle nackt herum. Beispiele für die Gegensicht gibt es wenig bis gar nicht; diesen Spieß wollte Sander umdrehen. Ziel der Reise sollte eine Stadt sein, in der er vorher noch nicht gewesen war und die im kulturellen Kanon noch nicht allzu sehr beschrieben wurde. Gelsenkirchen – Schlusslicht in vielen Statistiken, nicht nur in der Bundesliga –, war schnell auserkoren. . Sander fährt also ins Ruhrgebiet, wohnt in einer dieser alten Zechenkolonien in Ückendorf und wandert wochenlang durch die einstige »Stadt der tausend Feuer«. Wir begleiten ihn auf seiner Spurensuche durch die Viertel, lauschen den vielen Gesprächen mit Einwohnern und Personen aus Politik und Stadtverwaltung, sowie seinen Gedanken zur urbanen Architektur und werden sogar Zeuge der Einweihung einer Leninstatue im Vorgarten der MLPD-Parteizentrale. Das alles liest sich locker von der Hand; Sander schreibt Sätze, die vor lauter Witz und Ironie wahrlich funkeln. Dennoch verliert er – bei allem Spaß, den ihm das Schreiben zweifellos gemacht hat – nie den Kern des Themas aus den Augen: Was gibt es über diese Stadt zu erzählen? Wo verstecken sich die guten Geschichten? . Interessant ist auch die Genrezugehörigkeit des Buches. Für einen Roman ist es zu journalistisch, für einen bloßen Reisebericht stilistisch zu verspielt. Gregor Sander jongliert mit vielen Metaebenen, lässt seinen Ich-Erzähler beispielsweise bei der Zonen-Gaby wohnen oder mit imaginären Bekannten sprechen – besonders in solchen Szenen zeigt der Autor seine ganze Kunstfertigkeit. Natürlich ist vieles in dem Buch ein Spiel mit Klischees, einiges ist übertrieben, manches traurige Realität. Hoch anzurechnen ist Sander aber, dass er niemanden in Gelsenkirchen vorführen will. Nach anfänglicher Skepsis der Stadt gegenüber und den ersten – wie immer Vorurteile bestätigenden – Erlebnissen, kommen auch die schönen Seiten zum Vorschein: die altehrwürdigen Trinkhallen, die glorifizierenden Erinnerungen an die Zeit des Wirtschaftswunders und – natürlich! – die grenzenlose Liebe zum FC Schalke 04. Man kann sich bei LENIN AUF SCHALKE gleichermaßen amüsieren wie informieren, am Ende geht man mit einem versöhnlichen Gefühl aus der Lektüre, eine Stadt besser zu kennen als zuvor. Eine große Leseempfehlung meinerseits, nicht nur für Ostdeutsche. . Übrigens: Ich hatte die große Freude, Gregor Sanders Lesung am 20. Oktober in der Rostocker Hugendubel-Filiale zu moderieren. Wie auf dem Foto zu sehen ist, ging es auch um die Frage, ob Krombacher oder Veltins die bessere Wahl ist. Wir kamen nach der Lesung zu dem Schluss, dass keines der Biere einen lebensverändernden Genuss darstellen. Lieber Gregor, falls Du das hier liest: Der Abend war mir ein Fest!

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Ohne Ruß und Kohle

Von: Michael Kuhl

01.11.2022

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erleben, sagt die Mundart und setzt zum nächsten Schluck aus abgestandener Pulle an. Sander und seine Kumpanen stehen unter dem Hochbahnviadukt. Bei Konnopke stehen sie und essen und Schlüppi meint, Sander, du musst rüber. Du müsst rüber und über den Westen schreiben. Seit 30 Jahren kommentiert der Westen über den Osten und nie schreibt der Osten über den Westen. Du musst in den Osten des Westens. Kannst bei Gabi schlafen. Weißt schon, Zonengabi im Glück. Sie stoßen an. Besiegelt ist besiegelt. Als Sander wenige Tage später am Ostbahnhof in den ICE einsteigt – nach Hauptbahnhof fahre ich nicht! – gibt Schlüppi ihm noch Proviant für die gute Stimmung auf beschwerlicher Reise mit. Vier Biere aus der Ruhr-Region zur inneren Verbundenheit. Was willst du auch machen mit 17, 18 in Gelsenkirchen – frei nach Rainald Grebe. Gelsenkirchen. Und es hallt nach in den untergegangenen Hochöfen der Bonner Republik. Während Sander den Ausgang sucht, steht Zonengabi im Glück und winkt. Ganz schön gelegen wohnen Gabi und Ömer in Flöz Diekebank. Alte Zechensiedlung in Ückendorf. Nach langer Fahrt ein kurzer Spaziergang zum Skulpturenpark Rheinelbe und Sander denkt an Schlüppis Worte. Was soll ich machen, wenn das große Mitleid kommt? Denk an die Treuhand! „Man müsse den freien Platz nutzen, um Einfamilienhaussiedlungen zu bauen […] Außerdem sollte die Stadt wegen des guten Autobahnanschlusses noch mehr Logistikunternehmen anwerben. Das klingt so traurig, als würde er mir erzählen, dass Gelsenkirchen zukünftig vom Flaschensammeln leben muss. Treuhand, Treuhand, Treuhand!“ (S. 80) Gregor Sander erlebt eine Menge auf seiner Reise in den Pott ohne Ruß und Kohle. Über ausgewählte Episoden seiner Expedition schreibt der Autor und Ich-Erzähler in seinem Reisebericht ‚Lenin auf Schalke‘, der zugleich Sozialstudie und innerdeutsche Nabelschau ist. Die 186 großzügig bedruckten Seiten sind der liebevolle und ungeschönte Blick auf den Strukturwandel á la NRW. Armut über Armut in der ärmsten Stadt Deutschlands, nachzulesen in elf Kapiteln mit viel Humor, ohne selbstgerecht den erhobenen Zeigefinger nach Düsseldorf und Berlin zu richten. ‚Lenin auf Schalke‘ macht Spaß, wenn man dort nicht leben muss. Dabei leuchtet Gregor Sander jene Schattenwelten aus, die das Feuilleton lieber in HoyWo und HaNeu bespricht. Sanders Soziogramm ist facettenreich ehrlich – gemein jedoch nie. Darin liegt die Stärke seines Buches über den Osten im Westen, das sich so schnell wegliest, wie Zigaretten im kalten Ostwind verglühen.

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Vita

Gregor Sander, geboren 1968 in Schwerin, lebt als freier Autor in Berlin. Für seine Romane und Erzählungen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Sein Romandebüt »Abwesend« war für den Deutschen Buchpreis nominiert, sein Roman »Was gewesen wäre« wurde prominent besetzt verfilmt. Bei Penguin ist zuletzt sein Roman »Alles richtig gemacht« erschienen.

Zum Autor

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