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Eva Menasse

Dunkelblum

Roman

(1)
Taschenbuch
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Ein großes Geschichtspanorama am Beispiel einer kleinen Stadt.

August 1989: Im österreichischen Städtchen Dunkelblum taucht ein rätselhafter Besucher auf, eine junge Frau verschwindet, ein Skelett wird gefunden. Und hinter der nahen Grenze zu Ungarn warten bereits Hunderte DDR-Flüchtlinge. Da kommen wie von selbst Erinnerungen an ein furchtbares Verbrechen zurück, das die Dunkelblumer gern für immer verdrängt hätten.

Mit Witz und Suspense entwirft Eva Menasse ein großes Geschichtspanorama am Beispiel einer kleinen Stadt und erzählt vom Umgang der Bewohner mit einer historischen Schuld.

»Die ganze Wahrheit wird, wie der Name schon sagt, von allen Beteiligten gemeinsam gewusst. Deshalb kriegt man sie nachher nie mehr richtig zusammen. Denn von jenen, die ein Stück von ihr besessen haben, sind dann immer gleich ein paar schon tot. Oder sie lügen, oder sie haben ein schlechtes Gedächtnis.«


Originaltitel: Dunkelblum
Originalverlag: Kiepenheuer & Witsch
Taschenbuch, Klappenbroschur, 528 Seiten, 12,5 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-442-77281-0
Erschienen am  14. June 2023
Lieferstatus: Dieser Titel ist lieferbar.

Rezensionen

Dunkelblum - ein genialer Titel

Von: Myriade

31.01.2024

Was ich an Eva Menasse so besonders schätze, ist, dass sie Tragisches in einer leichten, streckenweise humorvollen Sprache darstellen kann ohne aber zu verharmlosen oder zu verniedlichen. Ein Talent, das gerade bei diesem Thema sehr gut zur Geltung kommt. Dass auf dem Klappentext ein Rezensent aus der FAZ mit der Beschreibung dieses Romans als „hochkomisch“ zitiert wird, finde ich aber doch etwas befremdend. „Dunkelblum“ ist Eva Menasses dritter Roman, der ebenso wie „Vienna“ beim btb-Verlag herausgekommen ist. Der Dunkelblum genannte Ort steht für die burgenländische Gemeinde Rechnitz, die dicht an der österreichisch-ungarischen Grenze liegt, wo zum Zeitpunkt der Handlung des Romans, 1989, der eiserne Vorhang gerade ins Wanken gerät und hunderte Menschen aus der DDR versuchen über die ungarische Grenze nach Österreich und damit in den Westen zu gelangen. Parallel zu diesem Ereignis erscheint in Dunkelblum eine Gruppe Wiener Studenten und Studentinnen, die beschlossen haben den jüdischen Friedhof von Dunkelblum von Unkraut zu befreien und die Grabsteine wieder aufzustellen. Dieser Friedhof, der hinter einer hohen Mauer und einem geschlossenen Tor liegt, wird von den Dunkelblumern konsequent ignoriert, obwohl er nur indirekt mit den Geschehnissen zu tun hat, die noch konsequenter verdrängt und verschwiegen werden. In der Umgebung von Rechnitz wurden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs etwa 600 Zwangsarbeiter, vor allem ungarische Juden, bei der Errichtung des so genannten Südostwalls Hitlers eingesetzt . Etwa 200 von ihnen, die erschöpfungs- und krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten konnten, wurden jedoch bis nach Rechnitz zurücktransportiert. In der Nacht vom 24. auf den 25. März 1945, dem Palmsonntag, wurden 180 von ihnen von Teilnehmern eines von Margit von Batthyány, Tochter Heinrich Thyssens, und ihrem Mann Graf Ivan von Batthyány, abgehaltenen Schlossfestes erschossen. Das Massaker ereignete sich nur zehn Tage, bevor die Rote Armee Rechnitz erreichte. Die Toten mussten von 16 Zwangsarbeitern vergraben werden, die eigens zu diesem Zweck zunächst verschont worden waren, danach aber ebenfalls erschossen wurden. Hauptverantwortlich für das Massaker sollen der örtliche Gestapoführer Franz Podezin sein, der sich durch Flucht der Justiz entzog, sowie der Gutsverwalter Hans Joachim Oldenburg, mit dem die Gräfin Batthyány ein Verhältnis gehabt haben soll. Quelle: Wikipedia Das Massengrab in dem die etwa 200 Menschen verscharrt wurden, konnte bis heute nicht gefunden werden. Wie intensiv die Suche danach betrieben wurde, kann ich nicht beurteilen. Eva Menasse zu „Dunkelblum“ in einem Radio Interview, zitiert nach Wikipedia: „Ich wollte keinen historischen Roman schreiben, sondern eine paradigmatische Menschheitsgeschichte“, In ‚Dunkelblum‘ eröffnet sich die Möglichkeit, grundsätzlichere menschliche Verwerfungen zu schildern. Zu diesen gehören die Konflikte um das Verdrängen und Bekämpfen von Versuchen eines angemessene Gedenkens, dies wird auf der Erzählebene der Jetztzeit ausgebreitet. Ein Amerikaner kommt an die österreichisch-ungarische Grenze. Er hofft nach dem Ende des Kalten Krieges endlich auf Aufklärung zum Schicksal seiner Angehörigen und auf die Identifikation des Massengrabes, um auch persönlich gedenken zu können. Er stellt unangenehme Fragen. Wie auch die Wiener Studierenden, die gegen den Willen der Einwohner den vernachlässigten jüdischen Friedhof instand setzen wollen. Das Massaker reicht damit in die Gegenwart hinein. „Mir ging es um die Darstellung der Gruppe und ihre Dynamik über die Jahrzehnte, nachdem so etwas geschehen ist“, so Eva Menasse, „mir geht es darum, was das mit einer Gemeinschaft macht, mit einer kleinen Stadt, wo jeder jeden kennt, wo jeder ungefähr weiß, wie der andere drauf ist, oder auf welcher Seite er stand im Zweiten Weltkrieg, ob er eher ein Nazi war oder ein Kommunist, oder ein Mitläufer oder vielleicht sogar ein Jude, wie der, der den kleinen Kaufmannsladen betreibt.“ Menasses Figuren sind, auch wenn sie keinen konkreten Personen nachgebildet wurden, sehr realistisch. Der brutale Nazischläger, der zu Kriegsende zuerst flieht und dann von der russischen Besatzungsmacht zum Polizeichef in Dunkelblum gemacht wird, der ehemalige Hitler-Junge, der aus Gründen, die er selbst nicht versteht als einziger nicht vor Gericht gestellt wurde, die Zeitzeugen, die zwischen Schuldbewusstsein, Verdrängen und immer noch geglaubter Nazi-Ideologie schwanken, die junge Frau, die sich für Aufdeckung der Vergangenheit engagiert. In gewisser Weise gehört Menasses Roman in die Tradition des Anti-Heimatromans, der von Österreichische Autoren wie Hans Lebert (1960: Die Wolfshaut), Thomas Bernhard (1963: Frost) und Gerhard Fritsch (1967: Fasching) entwickelt wurde. In anderer Weise aber auch nicht, weil die Thematik Stadt-Land bestenfalls am Rande eine Rolle spielt und es um die Darstellung universell menschlicher Eigenschaften und Handlungsweisen geht. Als technisches Detail fiel mir an diesem Roman die wechselnde Erzählgeschwindigkeit auf. Manchmal nimmt die Handlung an Fahrt auf, wird dann wieder eingebremst, plätschert eine Weile dahin bis zu einem neuen beschleunigenden Höhepunkt. Habe ich schon erwähnt, dass mir auch dieser Roman von Eva Menasse sehr gut gefallen hat? Das Buch endet in der Kirche von Dunkelblum: „Als der Faludi-Bauer auf den Messias schaute und dessen Gesichtsausdruck zu ergründen suchte, begannen sich die kleinen Teufel am Rand seines Gesichtsfelds zu bewegen. Und er hörte sie flüstern. Der Faludi-Bauer ahnte, er durfte nicht zurück zu ihnen blicken, dann würden sie verstummen und versteinern. Nur wenn sie sich unbeobachtet wähnten, konnte man sie belauschen. Er vertiefte sich also in das Gesicht des Messias. Der Messias litt, und er schwieg so dröhnend wie die leere Kirche. Immerzu litt der Messias schweigend, immerzu schwieg er leidend, ganz egal, was um ihn herum geschah. Aber die Teufelchen waren unentwegt im Gespräch. Sie wisperten und lachten. Ist es nicht, glaubte der Faludi-Bauer zu verstehen, Geschichte ist nicht, das. Der Faludi-Bauer hielt den Atem an, schloss die Augen und bekreuzigte sich. Und nun hörte er es klar, im Chor gesprochen von vielen boshaften Stimmen, die zwischendurch metallisch kicherten. Sie wiederholten es immer wieder, es kam ihnen unendlich lustig vor, den kleinen gefiederten Teufeln auf dem dreiflügeligen Altarbild der Kirche von Dunkelblum: Das ist nicht das Ende der Geschichte.“ S512 – Ende des Romans

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Vita

Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, begann als Journalistin und debütierte im Jahr 2005 mit dem Familienroman »Vienna«. Es folgten Romane und Erzählungen, die vielfach ausgezeichnet und übersetzt wurden. Zu den Preisen zählen u.a.: Heinrich-Böll-Preis, Friedrich-Hölderlin-Preis, Jonathan-Swift-Preis, Österreichischer Buchpreis, Mainzer Stadtschreiber-Preis und das Villa-Massimo-Stipendium in Rom. Eva Menasse betätigt sich zunehmend auch als Essayistin und erhielt dafür 2019 den Ludwig-Börne-Preis. Seit 2022 ist sie Sprecherin des PEN Berlin. Sie lebt in Berlin.

Zur Autorin

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