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Stephen King, der »King of Horror«

Mehr über Stephen King - Der Lektor erzählt


Patrick Niemeyer ist Stephen Kings Lektor im Heyne Verlag. Zum 60. Geburtstag des Autors, der zu den Heyne-Bestsellern zählt, gab er 2007 Auskunft auf Fragen zu King und zur Tätigkeit des Verlags.

"Qual", der im Original nach der Hauptfigur "Blaze" heißt, geht auf einen älteren Roman zurück, der von King neu überarbeitet wurde und nun erstmalig erscheint. Zwar wurde in beiden Sprachen ein kurzer Titel gewählt, aber kein identischer. Das war auch schon bei "Puls" so – im Original "Cell".
Patrick Niemeyer erklärt die Hintergründe:
Die kurzen Titel sind historisch gewachsen. Es war einst eine Idee des deutschen Marketings, dass man kurze Worte von höchstens zwei Silben als Titel nutzt. Daran versuchen wir uns zu halten, wie ältere Werke – etwa "Cujo", "Der Turm", "Drei", "Glas", "Tot", "Nachts" oder "Sara" – zeigen. So haben wir uns beispielsweise auch für "Love" entschieden und nicht den Ursprungstitel "Lisey's Story" einfach übersetzt. Das erschien uns zu betulich. Dabei darf man sich nicht vorstellen, dass wir völlig frei sind in der Namenswahl. Jeder einzelne Titel wird nämlich mit Stephen King abgesprochen. Und "Love" anstelle von "Liseys Geschichte" fand sofort seine Zustimmung. Außerdem gibt es im Amerikanischen andere Vorlieben. Bei uns funktioniert ein Titel, der einem Namen entspricht, einfach nicht so gut. Und so wurde "Blaze" zu "Qual".

Auch die Cover fallen von Land zu Land extrem unterschiedlich aus. Warum ist das so?

Das hat zum Beispiel produktionstechnische Gründe. Oft werden die Textrechte schon erworben, bevor der amerikanische Titelentwurf fertig ist. Dann aber liegt es auch genau daran, dass eben das Textverwertungsrecht gekauft wird und nicht das komplette Buch mit seinem Design. In Fragen der Gestaltung herrscht einfach eine Verlagsfreiheit. Es ist ja auch durchaus üblich, dass Hardcover-Ausgaben und Taschenbücher ein und desselben Texts unterschiedliche Titelbilder tragen.
ausländische Cover
Sie haben eben erst "Qual" herausgegeben. Was können Sie im Hinblick auf die Verschiedenheit der Bachman- und der King-Bücher sagen?

Bachman umfasst ja das frühe Schaffen des Autors. Manche Dinge, die bei King zur völligen Reife gelangt sind, findet man bei Bachman nur angedeutet. Ich denke dabei zum Beispiel an die Verwendung übersinnlicher Elemente. Im Lauf der schriftstellerischen Entwicklung Kings treten diese Elemente sehr viel deutlicher in den Vordergrund. Bachman hat zudem einen etwas anderen Zugang zu Themen. In seinen Büchern gibt es einen stärkeren, sozialkritischeren Tenor. Der wiederum tritt bei King etwas zurück.

Stephen King gehört zu den weltweit meistverkauften Buchautoren. Was sind Ihrer Ansicht nach die entscheidenden Erfolgsfaktoren, die seinen außergewöhnlichen Ruf begründen?

Es ist seine Fähigkeit, zu erzählen. Seine Geschichten leben nicht von den Themen, sondern davon, dass King mit leichter Hand erzählt. Er hat einfach dieses besondere Talent. Und es ist liegt an seinem besonderen Umgang mit dem Thema Horror. Er hat den Horror in die ganz normale amerikanische Kleinstadt geholt. Schrecken und Wahnsinn finden bei ihm mitten im gottesfürchtigen Alltag ihrer Bewohner statt, also sozusagen nebenan. Diese Nähe schafft er auch durch seine Gegenwartsbeschreibung. Seine Figuren hören Radio – es werden immer wieder Songtitel eingestreut, sie konsumieren typisch amerikanische Produkte, deren Markennamen dort jedem geläufig sind, und sie sehen fern. Bis hin zu ihrem TV-Alltag spiegeln Kings Figuren das Leben vieler Amerikaner wider und bieten damit ein hohes Maß an Identifikation.

Vielleicht noch ein Letztes, was mir bemerkenswert erscheint: Stephen King ist ein Autor, der sich von seinen Figuren leiten lässt. Er ist niemand, der alles bis ins Letzte plant und mit Zetteln und Zeitleisten das Geschehen in seinen Büchern ständig kontrolliert und steuert. Er lässt sich mitreißen von seinen erfundenen Helden und sich dabei durchaus auch von ihnen überraschen. Dass er sich von seinen Charakteren treiben lässt und nicht sie treibt und zwingt, ist Teil seiner Erzählkunst.
Und welches ist ihr persönlicher Favorit unter all den King-Titeln, die Sie gelesen haben?

Schwer zu sagen. Ich finde, er wird immer besser! Das schreibe ich zum Beispiel auch jenem Unfall zu, den er 1999 erlitten hat, als ihn als Fußgänger ein Kleinbus erfasste. Aufgrund seiner schweren Verletzungen machte King eine Nahtoderfahrung. Ich glaube, dass dieses Erlebnis seine Schreibqualität vertieft hat. Er ist dadurch vielleicht behutsamer geworden. Nicht bei "Cell", aber "Cell" war sowieso als Reminiszenz an den Zombie- und Vampirhype der 70er-Jahre gedacht, als ein Stück Trashkultur.
Anders ist es aber mit "Love", dem Roman, den er bald nach seinem Unfall und unter großen Schmerzen geschrieben hat. "Love", das ist Literatur ... – doch, "Love" hat mich wirklich sehr überzeugt.

Nach einem Telefongespräch im August 2007