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Special zu Stephanie Quitterer «Hausbesuche»

SELBSTZWEIFEL UND GANZ GROSSE GLÜCKSMOMENTE:
EIN GESPRÄCH MIT STEPHANIE QUITTERER ÜBER IHR ERSTES BUCH



Stephanie Quitterer ist Autorin, Mama einer fünfjährigen Tochter, 33 Jahre alt und hat diese Woche ihr Debüt „Hausbesuche” veröffentlicht – ein Buch, das davon erzählt, wie sie in ihrer Elternzeit mit selbstgebackenem Kuchen durch den Prenzlauer Berg gegangen ist, um bei wildfremden Menschen zu klingeln und sich zu Kaffee und Küchengesprächen einzuladen. Das Buch, das dabei entstanden ist, bedeutet mir sehr viel. Wie die Frau, die es geschrieben hat. Ein Gespräch über schreiberische Selbstzweifel, ganz große Glücksmomente und Bücher, die das Leben verändern.

Stepha, wir haben uns vor fünf Jahren kennengelernt, als du bei mir zum Hausbesuch vorbeigekommen bist. Wie bist du damals auf die Idee gekommen, dieses Projekt zu beginnen?
Es mich genervt, dass man sich auf der Straße ständig mit Schubladen auseinander setzen muss. Ich war gerade Mama geworden und von Kreuzberg in den Prenzlauer Berg gezogen – plötzlich war ich Feindbild: Prenzlauer Berg-Mutter. Und erntete fiese Blicke und Kommentare, nur, weil ich einen Kinderwagen vor mir her schob. Dass ich recht prekär in einem Haus wohne, in dem noch Etagenklos und Kohleöfen in Benutzung sind, sieht man mir auf der Straße natürlich nicht an. Und dann habe ich mich in nur einer Woche mit ungefähr fünf Leuten unterhalten, die sich alle darüber beschwert haben, wie sehr sich die Straße durch die Gentrifizierung verändert habe, dass die Leute unerträglich wären und dass sie sofort wegziehen würden, wenn nur ihre alten Mietverträge nicht so unschlagbar günstig wären. Und da dachte ich, man sollte einfach mal hinter die Fassaden blicken und herausfinden, wer hier eigentlich wirklich so wohnt. Das traf sich gut mit einer uralten Neugier von mir: Ich wollte schon immer mal in fremde Wohnungen.

Welche Begegnungen sind dir besonders nahe gegangen?
Viele Begegnungen sind mir auf ganz unterschiedliche Weise nahe gegangen, haben mich gerührt, mich beschämt, mich überrascht, mich demütig oder glücklich werden lassen, weil die Geschichten, die man mir erzählte, berührend waren. Mit ein paar Menschen gab es eine Art von Vertrautheit, da ist am Küchentisch plötzlich etwas entstanden, das fast schon etwas Magisches hatte.
Hast du noch Kontakt zu Menschen, die du dabei kennengelernt hast?
Ja. Mit einigen bin ich seither sogar sehr eng befreundet. Und die Anfreundung wirkt immer noch nach: Letzte Woche habe ich mich – nach fünf Jahren Pause – wieder mit einer Frau getroffen, die ich damals kennengelernt habe. Die Zeit vergeht aber auch einfach zu schnell!
Du hast aus dieser Idee auch ein Weblog gemacht, auf dem du von deinen Begegnungen geschrieben hast. Wie waren die Reaktionen auf „Hausbesuchswins”?
Ich war überrascht, wie positiv die Leute auf mein Projekt reagiert haben. Als ich losgegangen bin, dachte ich, man würde mir überall nur den Vogel zeigen. Aber im Gegenteil: Jeden Tag hat mich jemand mit umwerfender Herzlichkeit in seine Wohnung gelassen. Diese Offenheit, Neugier und Gastfreundlichkeit hat mich wirklich beeindruckt. Und mit der Zeit hatte sich das Projekt so herumgesprochen, dass mich Leute auch von sich aus eingeladen haben. Es gab aber natürlich auch immer Leute, die mich an der Tür abgewiesen haben – mal mehr, mal weniger höflich. Das hat jedes Mal ganz schön Überwindung gekostet, weiter zu klingeln. Ich kann auch nicht sagen, dass ich mit der Zeit abgebrühter wurde – ich wusste nur, dass ich mit einem wunderbaren Hausbesuch entschädigt werden würde, und sei es auch erst nach eineinhalb Stunden Klinkenputzen.

Ich habe gelernt, meine Schubladen abzuschaffen


Was hast du aus diesem Projekt für dich mitgenommen?
Ich habe gelernt, meine Schubladen abzuschaffen und nicht mehr zu urteilen – weil die Wirklichkeit doch immer anders war, als sie den Anschein hatte.

Haben die Erfahrungen im Winskiez deine Haltung zur Welt verändert?
Völlig. Die Erfahrung, jeden Tag von einem fremden Menschen mit offenen Armen in die Wohnung – und oftmals nicht nur in die Wohnung – gelassen zu werden, hat mich menschenmilde werden lassen.

Hat es dich für den Rest deines Lebens mutiger gemacht, dass du für dieses Projekt mutig sein musstest?
Ha, das wäre schön, wenn der Klingelmut ein Generalmut geworden wäre. Aber leider ist Mut ja kein Zustand, schon gar kein Dauerzustand, sondern nur ein Moment. Im besten Fall ein Anfangsmoment, um aufbrechen zu können. Und jeder Aufbruch braucht wieder eine ganz eigene Mutmischung, die man erst mühsam sammeln gehen muss wie ein Kräuterweiblein. Aber immerhin weiß ich jetzt schon, wo gute Kräutlein wachsen, das vereinfacht das Sammeln wenigstens etwas.

Du hast damals begonnen zu bloggen. Zum Ende des Projektes hast du damit wieder aufgehört, nun hast du wieder angefangen. Warum bloggst du (wieder)?
Damals hab ich gebloggt, um mich beim Wort nehmen zu müssen. Heute blogge ich [STEPHAS BLOG FINDET IHR HIER], weil es eine unterhaltsame Art ist, Selbstgespräche zu führen. Plötzlich antwortet dir jemand und sagt: mhm, geht mir auch so.

Quelle: Okka Rohds Blog "SLOMO"