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John Niven

SPECIAL zu John Niven

VIELEN PROST

John Niven ist wieder da. Mit seinem neuen Roman »Old School«, der Taschenbuchausgabe von »Straight White Male« und hoffentlich endlich der Verfilmung seines Klassikers »Kill Your Friends«. Und natürlich wird es auch wieder eine Lesereise geben, ab 18. November sollte der Schotte deutsche Bühnen und Buchhandlungen unsicher machen. Dabei wird dann auch wieder Nagel sein, sein treuer Wegbegleiter und deutsche Stimme. Dieser Nagel hat ja bei Heyne Hardcore mit »Was kostet die Welt« auch schon einen Roman veröffentlicht. In seinem neuen Buch »Drive-By Shots« (in dem sich Storys & Fotos befinden, erschienen 2015 im Ventil Verlag) schreibt er auch über eine Lesereise mit eben jenem John Niven.

Die Kamera, mit der die meisten dieser Fotos entstanden sind, wurde mir eines Nachts in Augsburg von einem Angestellten der Hotelkette Ibis aus der Hand geschlagen. Ich befand mich mit dem Autoren John Niven auf der Lesereise zu seinem Roman Gott bewahre, einer actiongeladenen Geschichte über religiösen Fundamentalismus und amerikanische Castingshows.

Meine Aufgabe war es, den Abend zu moderieren und ein paar Kapitel aus der deutschen Übersetzung zu lesen. John Niven spricht nämlich, von wichtigen kulinarischen Begriffen wie »Schweinshaxe«, »Schnitzel« oder »Semmelknödel« abgesehen, kein Deutsch, genau genommen auch kein Englisch, sondern Schottisch. Was für das Publikum eine ziemliche Herausforderung darstellte. Gelacht wurde oft verzögert und von vielen Besuchern auch nur, weil der Sitznachbar ebenfalls lachte. Ich hatte das auf der Tour sehr genau beobachtet. Die Reaktionen auf seinen Vortrag liefen häufig in La-Ola-Wellen durchs Publikum. Manche verdächtigten Niven sogar, gar keine wirklichen Sätze aus seinem Buch abzulesen, sondern in einer obskuren Fantasiesprache zu improvisieren. Selbst ich hatte ab und an Probleme, ihm zu folgen, dabei waren wir schon seit über einer Woche zusammen unterwegs.

Nun also: Augsburg. Die katholische Bischofsstadt und besonders ihr prominenter erzkonservativer Hetzbischof Walter Mixa passten hervorragend zu Nivens neuem Roman. Erst vor ein paar Monaten war Mixa wegen Missbrauchsvorwürfen ehemaliger Heimkinder zurückgetreten, und wir traten jetzt genüsslich hinterher. Es boten sich jede Menge Steilvorlagen, an denen wir uns im abgetrennten Bereich eines Kaffee-Restaurants durch den Abend hangelten.

Unser ursprüngliches Vorhaben, direkt nach dem Auftritt zum Hotel zu gehen, wurde wieder einmal nicht in die Tat umgesetzt, denn beim Büchersignieren erzählten uns ein paar charmante Fans, dass Grandmaster Flash in der Stadt war. Der Grandmaster Flash, HipHop-Pionier, DJ-Legende, Mitglied der Rock and Roll Hall of Fame – was machte der denn in Bavaria, wieso lag der nicht irgendwo in der Sonne am Pool? Ob er es wohl noch draufhatte, ob er wohl immer noch so gut aussah? Wir fanden es leider nicht heraus, denn sein Auftritt in einer Augsburger Discothek war schon vorbei, wie wir von einem jungen Mann erfuhren, der gerade von dort zurückgekommen war und dessen Zusammenfassung mit einem abgewunkenen »Da hasch fei nix verpasst« eher knapp ausfiel.

»Macht nichts«, sagten die Fans, stattdessen würden sie uns jetzt ihre Stammkneipe zeigen. Die trug den Namen Golden Glimmer Bar, und das konnte man sich doch nun wirklich nicht entgehen lassen – charmante Fans, Gold, Glimmer, Bar! Man lebt doch nur einmal!

In dem tatsächlich sehr angenehmen Etablissement kredenzte man Niven einen lokalen Whiskey, der vor dessen schottischem Kennerurteil durchaus bestand, wie er uns enthusiastisch, aber letztlich nur durch Mimik und Gestik verständlich, mitteilte.

»Vielen Prost!«, rief er in die Runde, und einen lokalen Whiskey später hatte dann auch ich wieder leichte Schwierigkeiten mit dem Idiom meines Kollegen. Das machte aber nichts. Ich war es ja gewohnt, und ich fand in diesen Zuständen eh alles gut, was er sagte.

Wir erreichten unser Hotel gegen vier Uhr morgens. Niven klagte über Sodbrennen und bat den Mann an der Rezeption um ein Glas Milch.

»Milch? Jetzt?!«, blaffte der.

»Yes, please, would you be so kind.«

Mein Kompagnon besaß zwar einen derben schottischen Working-Class-Humor, aber auch feinste britische Upper-Class-Manieren. Man konnte sich ihn genauso gut auf den Barrikaden eines Bergarbeiterstreiks wie am Tisch der Queen vorstellen. Zärtlich redete er mich mit Kosenamen wie Bastard oder Cocksucker an, und ich wusste, dass er das nur zu Menschen sagte, die er besonders gern hatte. Er war noch ungeduldiger als ich, konnte auf den 20 Metern vom Bahnhof zum Taxi eine ganze Zigarette wegziehen und schien zu implodieren, wenn wir nur eine Minute auf Taxiquittung, W-Lan-Code oder Speisekarte warten mussten. Doch in solchen Fällen zischte er nur unverständliche Laute in meine Richtung oder schickte mir kurze SMS, in denen es meist darum ging, dass er kurz davor war, die ganze Menschheit auszulöschen. Niemals dagegen ließ er seinen Ärger an der arbeitenden Bevölkerung aus, was das Reisen mit ihm sehr angenehm machte.

Nagel

Old School

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