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John Niven

SPECIAL zu John Niven

ENDLICH: DER FILM ZUM BUCH ZUR MUSIK!

Was für ein Debütroman: John Nivens Kill Your Friends! Der genial-brutale Rundumschlag, basierend auf Nivens Erlebnissen als A&R-Manager bei einer großen Plattenfirma, gilt vielen Lesern nach wie vor als sein wichtigstes Buch. Lange mussten wir auf eine Verfilmung warten, jetzt ist es endlich so weit. Ende gut, alles gut? Von wegen! John Niven hat auch aus der Filmindustrie Erschreckendes zu berichten.


Vor langer Zeit, im Frühjahr 1991, damals war ich noch Student, fiel mir William Goldmans Das Hollywood-Geschäft. Hinter den Kulissen der amerikanischen Filmindustrie in die Hand. Eine Passage beeindruckte mich nachhaltig: Goldman schreibt, dass man in einem Roman machen kann, was man will. Der Autor ist Gott. Bei einem Drehbuch sollte man hingegen besser vorsichtig sein, denn dort hat alles Konsequenzen. In einem Roman, sagt Goldman, kann man schreiben: »Fünfzig Kamele kommen über den Hügel«. Wen kratzt das schon? Schreibt man denselben Satz in einem Drehbuch, gibt es zwangsläufig jemand, der sich Fragen stellt wie: »FÜNFZIG KAMELE? Wer soll die alle trainieren? Was essen diese Viecher? Müssen wir dafür Genehmigungen einholen?«
Als ich Goldmans Buch zurück auf das Bord stellte, war ich mir sicher: Ich würde Drehbuchschreiber werden.

Spulen wir zwanzig Jahre vor: Im März 2014 stehe ich auf einem Filmset in den Pinewood Studios und schaue zu, wie eine Armee von Handwerkern — Zimmerleute, Elektriker, Maler — eine originalgetreue Kopie der Büros jener Plattenfirma baut, bei der ich in den 90ern gearbeitet habe. Sie nehmen ein komplettes Stockwerk ein. Und das nur, weil ich Sachen wie INNEN. KORRIDOR und INNEN. POSTSTELLE geschrieben habe …
Bevor ich Drehbuchautor wurde, musste ich jedoch zunächst das Leben kennenlernen. Es verschlug mich zu einer Plattenfirma namens London Records, wo ich während des Britpop-Booms, dem letzten großen Goldrausch der Musikindustrie, in der ich als A&R-Manager arbeitete. Ich sah unglaubliche Geldgier und grauenhaftes Verhalten. Ich war geldgierig und verhielt mich grauenhaft. Die Party dauerte zehn Jahre, und als ich 2002 unter den Trümmern hervorkroch, war ich Anfang dreißig und fest entschlossen, endlich Autor zu werden.

Steven Stelfox war der Name jener Figur, die ich schließlich erfand, um den Leser in die Welt der Musikindustrie zu entführen. Stelfox ist ein moralisches Vakuum: Eine Mixtur aus Habgier und Hedonismus, die ... nun ja, hier bin ich versucht, so etwas wie »die Verkörperung dieses Jahrzehnts« zu schreiben. Um zu kriegen, was er will, ist Stelfox bereit, zu morden, zu lügen und zu betrügen.
Aber Stelfox ist auch — so hoffte ich zumindest — komisch. Ich habe aufgehört zu zählen, von wie vielen Menschen mir Kommentare wie »O Gott. Ich hasse ihn. Er ist der abstoßendste Charakter, der mir je in einem Buch begegnet ist. Aber trotzdem habe ich gehofft, dass er damit durchkommt ...« zu Ohren gekommen sind. Der Roman wurde zum Endlager für all die hämischen, schäbigen, gemeinen Dinge, die ich während der zehn Jahren in der Musikbranche gehört und gesehen habe. Ich habe für das Buch Absagen von siebzehn oder achtzehn Verlagen bekommen. Irgendwann hatte ich so weit resigniert, dass ich online nach Jobs als Lehrer suchte, als — kurz vor zwölf — ein Angebot von Random House eintrudelte. Das Buch wurde ein großer Erfolg.

Wir schreiben das Jahr 2009 und Gregor Cameron erscheint auf der Bildfläche. Kill Your Friends sollte sein erster Spielfilm sein. Wir aßen zu Mittag, waren uns sympathisch, er optionierte das Buch und beauftragte mich, das Drehbuch zu schreiben.
Immer wieder hörte er im Laufe des folgenden halben Jahrzehnts geduldig zu, wenn Menschen ihm erklärten, sie würden den Film finanzieren, wenn wir ihn umschreiben und statt 1997 in der Gegenwart spielen lassen würden. Oder wenn wir die Handlung in die Hip-Hop-Szene verlegen und ausschließlich schwarze Hauptdarsteller engagieren würden; dass die Hauptfigur sympathischer angelegt werden müsste. Mein persönlicher Favorit war der Vorschlag eines amerikanischen Financiers, der Geld in das Projekt schießen wollte, falls es uns gelänge, Hugh Grant für die Rolle des Steven Stelfox zu gewinnen.
Und die Antwort auf all diese Bemerkungen, auf diese ganze gequirlte Kacke, lautete jedes Mal:
»Nein.« Denn wen kümmert es, ob Charaktere sympathisch sind, solang sie interessant sind? In der Musikindustrie bekommen die Bösen nun einmal nicht ihre verdiente Strafe — sie werden Firmenchefs und managen Superstars.
Anfang 2012 betritt dann der Superproduzent Will Clarke das Parkett und wird Gregors Partner.

»Wow«, denke ich. »Endlich kommt die Sache ins Rollen.« Doch was die Finanzierung betrifft, erhalten wir weiterhin eine Absage nach der anderen. »Das ist«, sagt Will und seufzt in seinen grünen Tee, »mit Abstand das schwierigste Projekt, mit dem ich je zu tun hatte.«
Dann beugt er sich über den Tisch, sieht mir in die Augen, und sagt: »John: Wir. Werden. Diesen. Film. Drehen.«
Wie durch ein Wunder ist es ein Jahr später tatsächlich so weit. Besetzung, Finanzierung und die Drehorte stehen, und ehe wir uns versehen, ist Drehbeginn. Gregor und Will haben dem Hauptdarsteller Nicholas Hoult, der Steven Stelfox spielt, ein fantastisches Ensemble zur Seite gestellt, dass einige der größten britischen Schauspieltalente vereint, darunter Georgia King (Zwei an einem Tag), Joseph Mawle (Game of Thrones), Jim Piddock (Best in Show) und James Corden, ein erklärter Fan des Romans.
April 2014. Ich stehe mit Gregor auf dem Flur im Hotel am Leicester Square und verfolge am Monitor, wie Nicholas Hoult und Craig Roberts in einen Aufzug steigen. Es ist die letzte Szene der Dreharbeiten. Bei mir ist mein Sohn Robin. Er ist achtzehn und geht im Herbst auf die Universität. Kurz nach zehn Uhr morgens ruft der erste Regie-Assistent Jim schließlich: »DANKE LEUTE — WIR HABEN DEN MAIN-UNIT-DREH FÜR KILL YOUR FRIENDS IM KASTEN.«
Alle johlen und klatschen. Korken knallen. Ich umarme meinen Sohn und irgendwie kommt mir der Gedanke, dass er acht Jahre alt war, als Steven Stelfox zum ersten Mal meinen Kopf betrat. Er sagte zu mir: »Ich rauche und blicke aus meinem Bürofenster ...«
John Niven

John Niven im Gespräch

John Niven
© Tibor Bozi
Ihr Roman"Kill Your Friends" wird gerne mit "American Psycho" von Bret Easton Ellis verglichen. Was halten Sie von diesem Vergleich? Sehen Sie sich auch in dieser Tradition?
John Niven: Ich bin ja der Ansicht, dass "American Psycho" ein Meisterstück ist. Es ist ein Buch, das eine ganze Kultur mit dem Schneidbrenner auseinandernimmt, während meines noch nicht mal einen kleinen Ausschnitt dieser Kultur sandstrahlt.

Ist das Musikbusiness wirklich so ein Albtraum?
John Niven: Es ist schlimmer! Ein Freund, der noch immer im Musikbusiness arbeitet und dem ich ein Exemplar des Buches geschickt habe, sagte nur: "Ganz interessant, die Leute werden denken, du übertreibst ..."

Ist dieser Roman Ihre endgültige Abrechnung mit der Musikindustrie?
John Niven: Ja, mit der Musikindustrie bin ich jetzt durch. Der nächste Roman wird viel sanfter werden - er wird irgendwas mit Golf zu tun haben. Ich habe schon den ersten Entwurf für die Fortsetzung von "Kill Your Friends" geschrieben. Es wird noch ein paar Jahre dauern, aber so viel sei verraten: Stelfox ist inzwischen in L.A. der Star einer sehr erfolgreichen Talentshow im Fernsehen. Dann fangen die Dinge an, schiefzugehen ...

Sie waren früher selber A&R-Manager bei einer Plattenfirma und sind jetzt Autor. Wenn Sie nun einen Roman über die Verlagsbranche schreiben würden, würde der ebenso böse ausfallen?
John Niven: Meiner Meinung nach - verglichen mit der Musikindustrie - ist das Verlagswesen eine sehr anständige Welt, bevölkert von vernünftigen und intelligenten Menschen. Bis jetzt zumindest ...

Auch wenn Sie im Roman schreiben, dass nur Idioten danach fragen: Welche Musik hören Sie am liebsten?
John Niven: Dylan, Joni Mitchell, The Clash, Hüsker Dü, The Band, Lennon ...

Steven Stelfox, der Held - wenn man ihn Held nennen kann - der Geschichte, ist nicht gerade ein Sympathieträger. Fiel es Ihnen schwer, sich in seine Haut zu versetzen?
John Niven: Stelfox setzt sich aus zwei oder drei Leuten aus der Musikindustrie zusammen, die ich kannte. Wirklich schlimm war, dass es mir nicht schwerfiel, mich in seine Gedankenwelt zu versetzen. Und es fiel mir manchmal schwer, ihn seine Klappe halten zu lassen! Manchmal komme ich in Situationen und merke, dass ich gedanklich genau wie Stelfox reagiere. Und das ist nun wirklich nicht gesund.

Sie schreiben ja nicht nur Romane, sondern auch Drehbücher. Was fällt Ihnen leichter?
John Niven: Beides ist schwer. Wenn man wirklich gute Arbeit leisten will, dann ist es immer harte Arbeit.

Mal angenommen, "Kill Your Friends" soll verfilmt werden: Welchen Schauspieler würden Sie sich für die Rolle von Steven Stelfox wünschen?
John Niven: Ich bin ein hoffnungsloser Fall, was Casting anbelangt! Die englische Version des jungen James Spader fände ich ideal.

Kill Your Friends

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