Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch zu konzipieren, das die Menschen zum Schreiben ermuntert?
Ich arbeite seit fast 20 Jahren als Lektorin und staune immer noch darüber, wie viele Manuskripte wir täglich im Verlag erhalten. Das heißt, die meisten Menschen müssen nicht unbedingt zum Schreiben ermuntert werden, sie tun es bereits. Allerdings probieren viele den Marathon, bevor sie überhaupt Muskeln aufgebaut haben. Aus diesem Grund wollte ich eine Art Trainingslager schaffen, in dem man sich erst mal ausprobiert und warmläuft. So kann man sich dem Schreiben spielerisch nähern, verschiedene Techniken erproben, Sicherheit gewinnen, ohne dass es gleich um den ganz großen Wurf geht.
Warum möchte der Mensch sich schriftlich ausdrücken?
Es gibt viele Gründe, denke ich. Man möchte über eine Geschichte schreiben, die man für erzählenswert hält. Man hat das romantische Bild eines Schriftstellers im Kopf, der seinen Lebensunterhalt mit dem Erzählen von Geschichten verdient. Man träumt von Ruhm und Anerkennung. Am entscheidendsten scheint mir aber zu sein, dass kreativer Ausdruck schlicht glücklicher macht als Pflichterfüllung. Je nach Neigung und Interesse kann man diesem Bedürfnis natürlich auf sehr unterschiedliche Weise nachkommen – Schreiben ist nur eine Möglichkeit von vielen.
Und warum haben viele von uns Hemmungen anzufangen?
Das hat oft mit einem zu hohen Selbstanspruch zu tun, mit dem Drang nach Perfektion. Für das Schreiben gibt es keine vergleichbare, klassische Ausbildung wie z. B. für das Einsetzen von Zahnimplantaten. Und doch ahnen wir, dass der große Roman auch nicht einfach so geschrieben werden kann. Hinzu kommt die Angst vor dem weißen Blatt Papier – und vor der allerersten zu befüllenden Seite in einem Notizbuch! Daher mein Tipp: das Buch irgendwo in der Mitte aufschlagen und dort beginnen.
Wie kamen Sie auf diese vielfältigen Fragen bzw. Vorschläge?
Manche Ideen sind durch Geschichten entstanden, die ich gehört oder erlebt habe. Manche durch bestimmte Reimformen, für die ich selbst ein Faible habe (Schüttelreime z. B.). Perspektivwechsel haben mich immer schon fasziniert und sind eine wichtige Technik beim literarischen Schreiben. Ach, und im Grunde kann man aus allen Situationen des Lebens, auch aus den scheinbar alltäglichen oder banalen, interessante Gedanken und Fragen ableiten. Man muss nur genau hinsehen.
Haben Sie eine Lieblingsfrage?
Den Scheidungshund! Den Fall – ein Paar will sich trennen, glaubt aber, dass der gemeinsame Hund es nicht verkraften würde – habe ich mir nicht ausgedacht, das ist mir wirklich so erzählt worden. Den Konflikt aus Sicht des Hundes zu beschreiben ist etwas, was meine Fantasie sofort anregt; es gibt so viele Möglichkeiten, diese Geschichte auszugestalten. Es fängt ja schon bei der Frage an, ob der Hund ein Rauhaardackel ist oder ein Bernhardiner.
Und gibt es eine Aufgabe, zu der Ihnen nichts einfällt?
Das mag unglaubwürdig klingen, aber: Mir fällt wirklich nichts ein, was ich noch nie jemandem erzählt habe. Nichts Interessantes jedenfalls.