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SPECIAL zu Jan-Philipp Sendker »Herzenstimmen« & »Das Herzenhören«

Burma-Tagebuch – Teil 1

5. März 2012

Heute mache ich mich auf den Weg nach Burma. Ich bin aufgeregt und gespannt und sehr neugierig.

Ich war schon über ein Dutzend Mal in Burma. Ich habe enge Freunde in diesem Land und fühle mich dort sehr wohl. Es ist fast so, als gehörte ich dorthin.

Meine letzte Reise ist anderthalb Jahre her. Für Burma war das früher keine lange Zeit. Zeit spielte keine große Rolle. Die Dinge änderten sich nur sehr langsam, wenn überhaupt. In Kalaw, dem Ort, in dem mein Roman „Das Herzenhören“ spielt, sah es mehr oder weniger genauso aus wie vor siebzehn Jahren, als ich zum ersten Mal dort war: dieselben alten, heruntergekommenen Gebäude, dieselben Schlaglöcher in den Straßen. In meinem Hotel war ich der einzige Gast, wie immer, in meinem Zimmer stand noch immer derselbe Kühlschrank. Bei meinem ersten Besuch ging er nicht. Bei meinem letzten Besuch ging er auch nicht.

Aber jetzt könnte alles anders sein. Plötzlich ist Burma in den Schlagzeilen. Die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi steht nicht mehr unter Hausarrest, sie kandidiert im April sogar für einen Sitz im Parlament. Hillary Clinton war vor Kurzem bei ihr zu Besuch und sie gaben gemeinsam eine Pressekonferenz. Noch vor wenigen Monaten völlig undenkbar.

Wie ich höre, gibt es jetzt eine größere Pressefreiheit, die Menschen sind nicht mehr so verängstigt und die neue burmesische Regierung verspricht sogar weitere Reformen.

Als ich einen Freund bat, für mich ein Hotel zu reservieren, meldete er sich zwei Tage später mit der Nachricht, dass alle Hotels in der früheren Hauptstadt Rangun auf Wochen ausgebucht seien. Ich dachte, er nimmt mich auf den Arm. Es ist der Anfang der heißen Jahreszeit, nicht gerade die ideale Urlaubssaison. Früher waren die Hotels leer. Ich spazierte tagelang durch die Stadt, ohne einen anderen Ausländer zu sehen. Wer belegt denn jetzt die ganzen Hotelzimmer? Warum reisen diese Leute nach Burma?

Ich frage mich, ob die Zeichen des politischen und wirtschaftlichen Wandels echt sind oder ein Trick, ein gut inszeniertes Schauspiel, um den Westen zu überzeugen, seine Sanktionen aufzuheben. Sind die Militärs und ihre Spießgesellen bereit, zumindest einen Teil ihrer Macht und ihrer Privilegien aufzugeben? Und wenn die Dinge wirklich begonnen haben, sich zu verändern, wie wird sich das auf die Menschen auswirken? Wer wird davon profitieren? Wer wird noch mehr zu leiden haben? Wer wird sich anpassen und die neuen Möglichkeiten für sich nutzen können, und wer wird abgehängt werden? Ich kann mir keinen Ort vorstellen, der weniger auf den Zufluss von Geld vorbereitet wäre, sei es durch Investitionen oder durch Hilfszahlungen.

Wie steht es mit meinen Freunden und ihren Familien? Werden sie plötzlich beschäftigt sein? Werden sie zum ersten Mal in ihrem Leben dem Traum des Fortschritts nachjagen? Mein bester Freund musste zwei seiner drei Kinder ins Ausland schicken, weil er dachte, sie hätten in ihrer Heimat keine Zukunft. Sie haben sich seit vielen Jahren nicht gesehen. Werden sie versucht sein, zurückzukommen – und sei es nur, um ihren Vater zu besuchen?

Ich werde es bald herausfinden und Sie auf dem Laufenden halten.

Heute mache ich mich auf den Weg nach Burma. Ich bin aufgeregt und gespannt und sehr neugierig.

Burma-Tagebuch – Teil 2

7. März 2012

Sieht so der Fortschritt aus?

Wir stecken im Stau. Sind seit zehn Minuten nicht von der Stelle gekommen auf dem Weg vom Flughafen Rangun in die Innenstadt. Sonst haben wir für die gesamte Strecke nicht länger als zwanzig Minuten gebraucht. Ein fürchterlicher Gestank liegt in der Luft. Es ist heiß und schwül.

„Die Regierung hat die Steuern und Zölle auf neue Autos gesenkt“, erklärt mir mein Freund, als müsse er sich für die lange Fahrt entschuldigen. „Es werden jetzt viele Autos importiert.“

Ich nicke und denke an meine erste Reise nach Burma, das war 1995. Damals war nur eine Handvoll Autos auf den Straßen unterwegs. Alle gingen zu Fuß oder fuhren mit dem Fahrrad. Die Luft war frisch. Ich erzähle meinem Freund von diesen süßen Erinnerungen.

Er lacht. „Klar, dir hat das gefallen, weil du ja in einem Auto gesessen hast. Wenn du hättest laufen müssen und dein Gepäck den ganzen Weg vom Flughafen zum Hotel tragen, dann hättest du dich vielleicht anders gefühlt.“

Da muss ich ihm recht geben. Ich beschließe, mich für alle Burmesen zu freuen, die zusammen mit mir im frühabendlichen Stoßverkehr in diesem Stau stecken.

***

Heute Morgen war ich im Zentrum von Rangun und muss sagen, die Stadt fühlt sich ganz anders an. Ich bin die 37., die 38. und die 39. Straße entlanggelaufen. Dort war ich über die Jahre zahllose Male. Früher machte ich vorsichtig einen Bogen um die tiefen und gefährlichen Schlaglöcher, der Gestank von offenen Abwasserkanälen lag in der Luft. Dieselben Straßen sind jetzt asphaltiert. An der Kanalisation wird gebaut, in ein paar Wochen wird sie geschlossen sein. In vielen neuen Läden werden Bücher, Zeitungen und Zeitschriften verkauft. Die neue Regierung hat die Zensur aufgehoben und die Presse ist freier und offener als zu jeder anderen Zeit, an die sich mein burmesischer Freund erinnern kann. Die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, die den größten Teil der vergangenen 22 Jahre unter Hausarrest stand, ist jetzt allgegenwärtig. Sie lächelt und winkt von den Titelbildern der Zeitschriften, von Plakatwänden, von T-Shirts. Ist diese ganze Veränderung echt? Ich kann es kaum erwarten, in den nächsten Tagen mit meinen Freunden zu sprechen und ihre Meinungen dazu zu hören.

Ich war stundenlang spazieren. Ich habe burmesischen Tee getrunken, stark und mit viel gesüßter Milch. Ein Mann hat auf dem Bürgersteig alte Zeitschriften und Zeitungen verkauft. Vor ihm lag ein Stapel der „New York Times Book Review“. Die Ausgaben stammten alle noch aus dem letzten Jahrhundert, die oberste war von September 1990.

Er bemerkte mein Interesse.
„Wollen Sie eine?“, fragte er.
„Sie sind ein bisschen alt“, antwortete ich.
Er sah mich ein wenig verdutzt an.
„Na und? Gute Bücher werden nicht alt.“
Gewisse Dinge haben sich in Burma nicht verändert.

Burma-Tagebuch – Teil 3

8. März 2012

Als ich heute Morgen in die Hotellobby kam, war sie voll nervöser Geschäftsleute, die mit Handys hin und her liefen und versuchten, Empfang zu bekommen (ohne Erfolg), oder vor ihren Computern saßen. Was in den meisten anderen Ländern ein ganz normaler Anblick wäre, ist hier noch immer ungewohnt. Ab und an bemerkte ich, wie ein Kellner oder der Portier neugierige Blicke auf das Treiben all dieser Fremden warf.

Ich ging zu meinem Lieblingsbuchladen, Bagan Bookshop, in der Innenstadt. Es ist ein kleiner Laden, der sich quasi in einem Wohnzimmer befindet, aber es gibt dort wundervolle Bücher – viele vergriffene Ausgaben über Burma, die die Ladenbesitzer selbst kopiert haben. Der kürzlich verstorbene Inhaber hat alte Bücher restauriert wie U Ba in „Das Herzenhören“. Als ich den Laden betrat, freute sich sein Sohn darüber, mich zu sehen. Mir fielen Bücher von Aung San Suu Kyi und andere kritische Werke in den Regalen auf. Noch vor wenigen Monaten hätte ihn die Polizei ins Gefängnis geworfen, wenn er sie verkauft hätte.

„Wir sind jetzt offen. Alles ist möglich“, erklärt er mir mit einem vagen Lächeln.

Schon vor langer Zeit habe ich gelernt, dass das Lächeln der Burmesen viele verschiedene Bedeutungen haben kann. Sie lächeln, wenn sie glücklich sind. Sie lächeln, wenn sie verärgert sind. Verlegen. Schüchtern. Unsicher. Sein Lächeln war vorsichtig.

Draußen spielte sein Sohn Fußball, wie so viele Jungen das auf den Straßen von Rangun tun. Ich kann mich erinnern, wie ich ihnen zusah, wenn sie beim Spielen vorsichtig um die Schlaglöcher und den Müll herumnavigierten. Oft fielen sie hin und verletzten sich, wenn sie doch in ein Schlagloch traten. Heute spielten sie wie verrückt, trotz der Hitze. Die Straße ist frisch asphaltiert. (Glauben Sie bitte nicht, ich wäre besessen von Asphaltstraßen. Es war einfach ein bewegender Anblick, wie sie so ausgelassen auf dieser neuen Straße spielten.)

Danach aß ich mit einigen burmesischen Freunden zu Mittag. Wir saßen im Schatten eines großen Banyanbaumes und führten ein interessantes Gespräch.

Der eine war Pessimist. Er sagte, dass sich für die normalen Leute nicht viel geändert habe. Nur wenige der neuen Gesetze wurden umgesetzt. Sicher, Aung San Suu Kyi kandidiert und wird wahrscheinlich gewählt werden. „Aber lasst uns mal abwarten, wie viel Macht sie schlussendlich haben wird. Ich traue der Regierung nicht. Wie könnte ich, nach allem, was sie unserem Land all die Jahre angetan hat?“ Er lächelte. Es war kein glückliches Lächeln.

Mein anderer Freund ist sehr pragmatisch. Er möchte so schnell wie möglich ein Geschäft aufmachen, aber das ist ziemlich schwierig, weil die Banken keine Kredite vergeben. Im Prinzip gibt es kein Bankensystem in Burma. „Wir fangen bei null an“, sagte er. „Und wir haben nicht viel Know-how. Es gibt so viele verlorene Generationen, weil die Universitäten so viele, viele Jahre geschlossen waren. Wir wissen nicht, wie man ein Land führt, aber wir müssen es versuchen.“

Der Dritte war Optimist. Er war der jüngste von ihnen, voller Ideen und voll Hoffnung. „Darauf haben wir gewartet“, rief er. „Es gibt kein Zurück. Wir öffnen uns. Lasst uns die Möglichkeiten nutzen.“ Er lächelte. Sein Lächeln erkannte ich sofort. Es war wunderbar, so ein glückliches zu sehen.

Burma-Tagebuch – Teil 4

16. März 2012

Ich nahm den Nachtzug von Rangun nach Mandalay und stieg in Thazi aus. Ich brach um 15 Uhr auf, die Entfernung beträgt knapp 500 Kilometer. Man braucht dafür dreizehn bis fünfzehn Stunden. Das hängt vom Wetter ab, von den Geistern und Gespenstern auf dem Weg und von der Laune des Fahrers und der Lok.

Ich hatte Glück. Wir waren nur 13 Stunden und 20 Minuten unterwegs.

Während ich im Zug saß, las ich ein altes Buch von einem englischen Autor, das 1906 veröffentlicht wurde. Er ist einmal mit demselben Zug gefahren und hat dafür genauso lang gebraucht. Ich nehme an, es gibt nicht viele Orte auf der Welt, an denen sich die Geschwindigkeit der Züge in den letzten 106 Jahren nicht erhöht hat. Wenn ich es recht bedenke, muss man über den Zustand, in dem sich dieses Land befindet, gar nichts weiter wissen.

Allerdings muss ich zugeben, dass ich die Fahrt genossen habe. Wie immer. Der Zug bewegt sich langsam, oft könnte man neben ihm herlaufen oder mit dem Rad daneben herfahren. Es ist die perfekte Geschwindigkeit für die menschlichen Sinne. Alle Fenster sind offen, man nimmt all die verschiedenen Gerüche wahr. Man hört die verschiedenen Geräusche. Man spürt die Temperaturveränderungen am späten Abend. Man hat Zeit, all die verschiedenen Bilder und Klänge in sich aufzunehmen.

Die Kinder, die in den Reisfeldern spielen. Den Wasserbüffel. Die Frauen, die über dem offenen Feuer das Abendessen zubereiten. Das fröhliche Geschrei der Jugendlichen, die im Fluss baden. Den Sonnenuntergang.

Nach acht Stunden fängt mein Rücken an wehzutun. Ich kann nicht länger sitzen. Es ist dunkel und außer dem Vollmond gibt es nicht viel zu sehen.

Bevor ich in Selbstmitleid zerfließen kann, gehe ich zum Speisewagen durch die Wagen der unteren Klasse. Dort schlafen überall Menschen in allen erdenklichen Positionen: auf dem Boden, auf den Holzbänken, darunter, übereinander. Neben mir teilt sich eine Mutter zwei Sitze mit ihren drei Kindern.

Wenn der Zug hält, sind die Bahnhöfe voller Reisender, die auf den Gleisen sitzen, sich unterhalten, essen, schlafen, auf ihren Zug warten und dabei nie wissen, wann er kommen wird – und ob überhaupt.

Nach einer Weile kann ich nicht weiterlesen, ohne dass mir schwindlig wird. Die Abteile schwanken die ganze Zeit wie verrückt in alle Richtungen. Es ist als würde man 13 Stunden und 20 Minuten lang Autoscooter fahren. Die letzten drei Stunden nach Mitternacht stellen das Durchhaltevermögen auf eine harte Probe.

Aus irgendwelchen Gründen bin ich der einzige Ausländer im Zug.

Nebenbei bemerkt: Ich hätte auch fliegen können. Das hätte eine Stunde gedauert. Aber irgendwie finde ich, fliegen passt nicht zu Burma. Außer man hat es eilig – aber das sollte man nicht. Nicht hier.

Burma-Tagebuch – Teil 5

19. März 2012

Einige Dinge fallen dem Besucher sofort auf, wenn er in Kalaw ankommt. Als Erstes die wunderschöne Umgebung. Der Ort liegt in den Hügeln des Shan-Staates, in knapp 1400 Meter Meereshöhe.

Es gibt dort wunderschöne alte Herrenhäuser und Villen, Überbleibsel aus der Zeit, in der Burma zum Britischen Empire gehörte. Manche sind im Tudorstil gebaut, während andere wie Häuser in den schottischen Highlands aussehen. Was dem Besucher noch auffällt: das hiesige Hauptquartier der NLD, der Partei von Aung San Suu Kyi. Es liegt direkt an der Hauptstraße und am Gebäude hängen ihre Parteifahne und Plakate mit ihrem Porträt. Noch immer ein recht ungewöhnlicher und überwältigender Anblick. Ich bin gerade einmal eine Stunde in der Stadt und habe schon erfahren, dass sie hier war – erst letzte Woche. Sie hat Wahlwerbung für den Kandidaten ihrer Partei gemacht, der am 1. April antritt. Mehr als achttausend Menschen kamen zu ihrer Kundgebung, die Hälfte der Einwohner von Kalaw. Aber das ist nichts im Vergleich zu ihrem nächsten Halt Mandalay: Dort waren es fast 200 000, hat man mir gesagt.

Selbst an diesem abgeschiedenen Ort liegt eine Begeisterung in der Luft, wie ich sie noch nie erlebt habe. Im Teehaus hängt ein Kalender mit Bildern von ihr. Die Kellnerin trägt einen Anstecker von der NLD. Noch vor wenigen Monaten hätte man sie dafür verhaften und viele Jahre ins Gefängnis werfen können.

Die Verkäufer auf dem Markt tragen T-Shirts mit Bildern von ihr. Ich sehe die Fahne ihrer Partei überall in der Stadt, in Teehäusern und Geschäften.

Der Wandel hat viele Gesichter. „Die Grundstückspreise sind durch die Decke gegangen“, erzählt mir ein Freund bei einer Shan-Nudelsuppe. „Mein Nachbar hat gerade ein kleines Grundstück für 350 000 US-Dollar an einen General verkauft. Die Militärs waschen ihr schmutziges Geld.“ 350 000 Dollar für ein kleines Grundstück in einem Land, in dem ein Lehrer nicht einmal hundert Dollar im Monat verdient? Und dieser General ist nicht der Einzige. Es gibt eine Menge neuer Häuser in Kalaw, schöne, große Villen, die alle Mitgliedern des Militärs oder deren Freunden gehören. Eines Tages werden die Leute anfangen, Fragen zu stellen ...

***

Ich werde mitten in der Nacht vom Geräusch bellender Hunde geweckt. In Kalaw gibt es viele Streuner und sie erzählen davon, wie in diesem Land die Korruption funktioniert. Ich liege wach und denke an die Hunde und die teuren Häuser.

Es gibt in der Stadt eine Militärakademie, deren Leiter Hunde züchtet. Dreihundert Offiziere besuchen jedes Jahr diese Akademie und jedem von ihnen wird nachdrücklich empfohlen, dem Rektor einen Hund abzukaufen. Der Preis ist saftig: eintausend Dollar pro Hund. Sie können es sich ausrechnen.

Aber was sollen die Offiziere mit den Hunden anfangen? Sie haben keine Verwendung dafür und lassen sie einfach laufen. Darum gibt es so viele Streuner in der Stadt.

***

Am nächsten Tag spaziere ich durch die Straßen von Kalaw, besuche alte Freunde, verbringe Stunden in Teehäusern, höre zu und unterhalte mich. Maung Zhaw erzählt mir von seiner Schwester, die in einer Schuhfabrik in Rangun arbeitet. Der Verdienst war schlecht und so wurde gestreikt. Es gab eine Lohnerhöhung. Noch vor wenigen Monaten ein Ding der Unmöglichkeit. „Und die Zeitungen haben darüber berichtet“, sagt er kopfschüttelnd, als könne er es selbst nicht glauben. „Wir dürfen jetzt Gewerkschaften haben.“

Ein Freund von ihm arbeitet in einem Restaurant. Er erzählt uns, wie ein Kontrolleur des Gesundheitsamtes vorbeikam, um die hygienischen Bedingungen in der Küche zu überprüfen. Er bat um ein Glas Wein und bekam es. Dann bestellte er eine ganze Mahlzeit und wollte gehen, ohne dafür zu bezahlen, so wie immer. Doch diesmal verlangte der Inhaber, dass er zahlte wie jeder andere auch. Der Kontrolleur hielt das für einen Scherz, aber der Inhaber gab nicht klein bei. „Wir werden jeden Tag weniger ängstlich“, glaubt Maung Zhaw.

Burma-Tagebuch – Teil 6

21. März 2012

U Win Nyein ist ein freundlicher, ruhiger Mann in den Sechzigern. Ich treffe ihn in seinem Büro in der Innenstadt von Rangun. Es liegt im ersten Stock eines alten, heruntergekommenen Gebäudes. Durch das offene Fenster hören wir die Geräusche der Straße: das Geplauder aus dem Teehaus nebenan, die Stimmen der spielenden Kinder, ein paar Autos.

Das Zimmer ist voller Bücher, Zeitschriften und Zeitungen, die überall auf den Stühlen und Tischen verstreut herumliegen. U Win Nyein ist der Chefredakteur von Burmas führender Literaturzeitschrift. Stolz zeigt er mir die neueste Ausgabe. Auf der Titelseite sieht man ein berühmtes burmesisches Schauspielerpaar. Es gibt viele Berichte über Filme und Sänger. In einer sechzehnteiligen Serie wird eine Biografie von Angelina Jolie veröffentlicht, die U Win Nyein ins Burmesische übersetzt. In der zweiten Hälfte der Zeitschrift finden sich viele Kurzgeschichten von burmesischen Schriftstellern. „Wir haben eine Menge junger Leser, und die sind verrückt nach Promi-Geschichten. Diese Artikel sind der Zuckerguss für die Literatur, die wir veröffentlichen“, sagt er mit einem breiten Lächeln.

Für Herausgeber in Burma sind das aufregende Zeiten. „Früher mussten wir jede Ausgabe den Zensoren vorlegen und um die Druckerlaubnis bitten“, sagt U Win Nyein. „Jetzt können wir sie zuerst veröffentlichen und legen sie dann vor. Wenn wir etwas drucken, was gegen das Gesetz verstößt, werden wir verwarnt. Wenn wir es noch einmal machen, verlieren wir die Lizenz.“ Das ist nicht gerade Pressefreiheit, noch nicht, aber es ist eine große Veränderung für ein Land, in dem eine unglaublich strenge Zensur herrschte. Heute gibt es in Burma mehr als 200 Magazine und Zeitschriften, über 50 wurden während der letzten Monate gegründet. Der Leiter der zuständigen Behörde spricht offen davon, die Zensur ganz abzuschaffen.

Ich gebe U Win Nyein ein Exemplar von „Das Herzenhören“. Das Titelbild und die Geschichte gefallen ihm. Ich erzähle ihm, dass ich das Buch gern auf Burmesisch veröffentlichen lassen würde. Er nickt. Die Burmesen sind leidenschaftliche Leser. Man sieht sie lesen, während sie auf einen Bus warten oder auf der Straße sitzen, an einem Schalter auf Kunden warten oder im Büro sind.

Aber das ändert sich, sagt U Win Nyein. „Es gibt jetzt so viele Unterhaltungsmöglichkeiten. Videospiele. Computerspiele. Fernsehen. Sportmagazine. Vor zwanzig Jahren konnte sich ein gutes Buch hier fünfzigtausend Mal verkaufen. Jetzt verkauft es sich eher fünftausend Mal.“ Für Schriftsteller ist es schwer, über die Runden zu kommen. Eine Beteiligung gibt es nur für die ersten tausend Exemplare.

Burmesische Mönche

Das Mönchtum ist ein wesentlicher Bestandteil im Leben eines jeden burmesischen Mannes. Viele werden am einen oder anderen Punkt ihres Lebens Mönche oder Novizen. Sie verlassen ihre Familien und gehen wochen-, monate- oder sogar jahrelang ins Kloster. Und für einige beginnt das Leben als Novize schon ganz früh ...

Fotos aus Burma

Das Leben auf dem Land hat sich in Burma in den letzten Jahrhunderten kaum verändert.

Eine Frau beim Fischen auf dem Inle-See, genau wie schon ihre Vorfahren.

Waren zu transportieren oder zu reisen ist in Burma nie einfach.