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C.R. Neilson: Das Walmesser, Heyne Verlag

SPECIAL zu DAS WALMESSER von C.R. Neilson

Fünf Gründe, weshalb man seinen Kriminalroman nicht auf den Färöern ansiedeln sollte

Manchmal macht man es sich unnötig schwer. Ich persönlich bin darin Weltmeister.
Hier also meine kleine Liste der Gründe, weshalb man seinen Kriminalroman nicht auf den Färöern ansiedeln sollte:


1. Auf den Färöern gibt es so gut wie keine Kriminalität
Wenn man den Statistiken glauben will, ist die Kriminalitätsrate nirgendwo so niedrig wie auf den Färöern. In den letzten 26 Jahren gab es nur einen Mord auf der Insel. Das hört sich nicht gerade nach fruchtbarem Boden für einen Kriminalroman an.

Doch genau das macht die Färöer so unwiderstehlich: Etwas Reinem seine Unschuld zu nehmen. Wer würde nicht gerne seine blutigen Fußabdrücke auf makellosem, unberührtem Schnee hinterlassen? Oh? Nur ich?

Einen Krimi über Los Angeles, Johannesburg oder gar Glasgow zu schreiben ist ein Kinderspiel, schließlich geschehen dort haufenweise Verbrechen. Spaß macht es erst, wenn das Buch an einem Ort spielt, an dem es mehr Kinderspiele als Straftaten gibt.


2. Die Sprache ist völlig unverständlich
Selbst für die benachbarten Dänen (und benachbart heißt hier: etwa 1400 Kilometer Luftlinie entfernt) ist Färöisch das reinste Kauderwelsch – nicht zuletzt deshalb, weil es fast unmöglich auszusprechen ist. Als das englische Hörbuch eingesprochen wurde, musste ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit der Sprecher Tipps für die Aussprache von Wörtern wie etwa Undir Bryggjubakka oder Grindaknívur erhielt. Besagter Sprecher ist übrigens ein ursprünglich aus Cork stammender Ire, der heute in New York lebt. Ich brachte ihn mit einer Färöerin in Kontakt, die ich über eine Kopenhagenerin kannte, die ich wiederum durch eine Amerikanerin kennengelernt hatte, deren Familie aus Cork stammt. Gar nicht so kompliziert.

Wie dem auch sei – Färöisch ist ebenso faszinierend wie verwirrend. Manche Wörter haben dieselbe Bedeutung wie in meiner Heimat Schottland - kirk für Kirche zum Beispiel.
Außerdem erfuhr ich, dass viele ‚häusliche‘ Wörter, etwa die Bezeichnungen für Katze, Hund oder Küche, aus dem Keltischen stammen, während die ‚wilden‘ Wörter, also diejenigen, die

mit der Jagd zu tun haben, skandinavischen Ursprungs sind – schließlich führen auch die Inselbewohner ihre Herkunft auf keltische und skandinavische Wurzeln zurück.


3. Es regnet die ganze Zeit.
Auf den Färöern regnet es 300 Tage im Jahr. Diese triste Statistik ist etwas irreführend, da selbst ein kurzer Schauer auf einer der achtzehn Inseln als Regentag gilt, lässt aber trotzdem ahnen, worauf man sich einlässt.

Natürlich hat es nicht die ganze Zeit durchgeregnet, die ich für meine Recherche auf den Färöern verbracht habe. Zweimal hat es auch geschneit.
Als ich im strömenden Regen am Hafen von Tórshavn stand, fragte ich mich, warum ich mein Buch nicht an einem warmen, trockenen Ort spielen lassen konnte. Dann hätte ich meine Recherchen in Las Vegas oder auf den Malediven betreiben können. Das fragte ich mich ungefähr zwanzig Mal am Tag.

Dennoch gibt es einen guten Grund dafür, dem Färöer Wetter dankbar zu sein, so rau und ungemütlich es auch sein mag: Es hat eine der atemberaubendsten Landschaften der Welt hervorgebracht. Der Wind, der Regen und das Meer sind für unglaubliche Felsnadeln, unzählige Wasserfälle, umwerfende Fjords und betörende Hügellandschaften verantwortlich. Wenn man schon über einen Mord schreiben will, warum sollte der Tatort nicht gleichzeitig wunderschön und ziemlich trostlos sein?


4. Ich liebe Wale
Wer auch nicht, von den Japanern mal abgesehen? Trotzdem wird auf den Färöern nach wie vor die traditionelle, aber höchst umstrittene Grindwaljagd betrieben, bei der die Tiere auf den Stränden der Insel abgeschlachtet werden. Dieser jahrhundertealte Brauch wurde aus der Not geboren, ist aber selbst in einer Welt des einfachen Reisens und des problemlosen Handelsverkehrs noch höchst lebendig.

Verständlicherweise wird dieses Thema kontrovers diskutiert. Anfang des Jahres war die öffentliche Empörung groß, als Fotos vom sogenannten „dänischen Delfinmassaker“ die Runde machten. In den Artikeln dazu kam es zwar zu einigen sachlichen Irrtümern (weder fand das Spektakel in Dänemark statt noch waren Delfine beteiligt), doch die grundsätzlichen Vorbehalte gegen eine solche Praxis sind schwer zu ignorieren.

Stürzt es mich nicht in eine moralische Zwickmühle, ein Buch an einem solchen Ort anzusiedeln? Nun, ich versuche, diesen Brauch zu verstehen. Die Grindwale werden zum Strand getrieben und dort getötet. Ein zweifellos brutales und schockierendes, aber auch faszinierendes Schauspiel. Das Meer färbt sich blutrot. Das Fleisch der toten Tiere wird unter den Einheimischen verteilt.
Als Krimiautor kann ich einer solchen Szenerie nicht widerstehen. Mir bleibt nur, Verständnis dafür aufzubringen, ohne es zu billigen, und das Für und Wider dieser Praxis aufzuzeigen.


5. Skandinavien, schön und gut. Aber wer kennt schon die Färöer?
Eine komplizierte Sache. Als ich verlauten ließ, dass ich eine Recherchereise auf die Färöer machen wollte, ließen sich die Reaktionen darauf grob in drei Kategorien einteilen: Die einen dachten, ich wollte in den Südatlantik (seltsamerweise verwechseln viele Leute die Färöer mit den Falklandinseln), andere waren der Meinung, ich würde nach Ägypten fahren, und nur eine Minderheit wusste tatsächlich, wo diese Inselgruppe liegt. Wenn das Buch erschienen ist, wird diese Fraktion hoffentlich etwas größer werden.

Vieles auf den Färöern erinnert an die eher trostlosen Schauplätze der skandinavischen Kriminalliteratur. Diese windgepeitschte, feuchte, raue und entlegene Gegend bringt einen stoischen, entschlossenen Menschenschlag hervor. Ein bemerkenswerter Teil der Welt, in dem sich Mensch, Land und Meer in ständigem Kampf befinden und der Ozean wild entschlossen zu sein scheint, die Insel Sandkorn für Sandkorn mit sich zu reißen.

Natürlich habe ich nicht vor, die skandinavischen Krimis zu kopieren. Das könnte und möchte ich nicht. Ich betrachte die Färöer mit dem Blick des Außenstehenden, aus der Perspektive eines Fremden auf ein fremdes Land. Wie meine Hauptfigur John Callum habe auch ich die Färöer mit allen ihren Widrigkeiten lieben gelernt. In seinen Worten: »Die Tristesse meiner ersten Eindrücke des vernieselten, ereignisarmen Tórshavn war vom Wind fortgeblasen worden. Jetzt nahm ich eine andere Stadt wahr, eine Stadt voller Farben, Leben und Charme. Bevölkert von ruhigen, freundlichen, bescheidenen Menschen, die einem nur zu gerne weiterhalfen. Selbst den Regen hatte ich liebgewonnen, über den Wind sah ich schulterzuckend hinweg, ganz wie die Färinger selbst.«